Sie sind der neue Trend, um schnell Gewicht zu verlieren: Abnehmspritzen. Nachdem einige Stars und Influencerinnen mit dem Mittel radikal Gewicht verloren haben, werden Ozempic, Wegovy und Co. inzwischen von vielen Menschen gehypt. Doch Abnehmspitzen sind nicht nur ein neuer, sondern auch ein gefährlicher Trend. Experten von Stiftung Warentest haben für die Ausgabe 9/2024 Abnehmspritzen unter die Lupe genommen. Und das ist ihr Urteil...
So wirken die Abnehmspritzen Ozempic, Wegovy und Mounjaro
Die Abnehmspritzen enthalten Wirkstoffe wie Semaglutid, Tirzepatid und Liraglutid sowie weitere Substanzen. Diese Medikamente wurden ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt. Ihr Hauptziel besteht darin, die Insulinproduktion im Körper zu erhöhen und dadurch den Blutzuckerspiegel zu senken. Dabei wurde beobachtet, dass übergewichtige Patienten schnell an Gewicht verlieren. Die Anwendung erfolgt durch Selbstinjektion der Patienten.
Der Grund dafür ist, dass die Wirkstoffe das Hormon GLP-1 nachahmen, das der menschliche Darm während der Nahrungsaufnahme produziert. Dieses Hormon sendet Signale an das Gehirn, die uns mitteilen, dass wir satt sind.
Die Abnehmspritzen nutzen diesen Mechanismus, um auch übergewichtige Personen ohne Diabetes zu behandeln. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um bereits bekannte Diabetesmedikamente wie Ozempic, deren Wirkstoffdosis erhöht wurde. Dies zeigt Wirkung: Anstatt eine ganze Pizza zu verzehren, genügen nun zwei Stücke. Bei übermäßigem Essen kann es zu Übelkeit kommen, berichtet der Hamburger Diabetologe Dr. Andreas Klinge.

Haben Abnehmspritzen Nebenwirkungen?
Die Behandlung mit Abnehmspritzen ist jedoch nicht ohne Nebenwirkungen. Neben Übelkeit komme es zu Beginn der Therapie häufig zu weiteren Magen-Darm-Beschwerden wie Erbrechen, Durchfall und Verstopfung, sagt Karsten Müssig von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und Diabetologie am Franziskus-Hospital Harderberg. Daher werde mit einer niedrigen Dosis begonnen, die nach und nach gesteigert werde. Seltene Nebenwirkungen seien eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse und Darmverschluss. „Deshalb sollte die Behandlung nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen“, mahnt Müssig.
Eine jüngst in der Fachzeitschrift „Jama Ophthalmology“ veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass Semaglutid in sehr seltenen Fällen mit einer schweren Augenerkrankung einhergehen könnte - der sogenannten nicht-arteriitischen anterioren ischämischen Optikusneuropathie (NAION). Erwiesen sei dies zwar nicht, ernst nehmen müsse man es aber schon, sagt Horst Helbig von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) und vom Universitätsklinikum Regensburg. Die Klärung dieser Frage bedürfe weiterer Untersuchungen und einer sorgfältigen Beobachtung von Patienten.
Berichte deuten auf ein weiteres Phänomen hin, bekannt unter dem Begriff „Ozempic Face“: Generell kann bei einer schnellen Gewichtsabnahme das Gesicht eingefallen und stark gealtert wirken.
Darüber hinaus gibt es auch Bedenken hinsichtlich der langfristigen Risiken, da bisher nur wenige Studien zu diesem Thema vorliegen. Es ist unklar, wie sich eine solche Behandlung über Jahre hinweg auswirken kann.

Welche ist die beste Abnehmspritze?
In der Zulassungsstudie (Step 1) erzielte Wegovy bei 32 Prozent der Teilnehmer innerhalb eines Jahres einen Gewichtsverlust von 20 Prozent. Im Gegensatz dazu betrug der Gewichtsverlust in der Gruppe, die lediglich ihren Lebensstil änderte, nur 1,7 Prozent. Mounjaro zeigt sich als noch effektiver, wie die Vergleichsstudie Surmount 1 belegt. Eine weitere Studie hat zudem ergeben, dass der Wirkstoff Tirzepatid einen deutlich stärkeren Gewichtsverlust ermöglicht als Semaglutid.
Muss man Abnehmspritzen ein Leben lang nehmen?
Adipositas sei ebenso wie Diabetes eine chronische Erkrankung, sagt Laudes, daher müsse das Medikament lebenslang genommen werden. „Bei einem Diabetesmedikament würde ja auch niemand sagen, das könne man nach sechs Monaten absetzen“, sagt Matthias Laudes, Vizepräsident der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG) und Direktor des Instituts für Diabetologie und klinische Stoffwechselforschung am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. „Jeder adipöse Mensch hat sein Leben lang das Problem, dass er immer wieder zunehmen kann.“ Das sehe man etwa auch nach Magenverkleinerungen.
Wie kaufe ich die Abnehmspritze?
In Deutschland sind derzeit lediglich drei Abnehmspritzen zur Behandlung von stark übergewichtigen Menschen ohne Diabetes zugelassen: Wegovy mit dem Wirkstoff Semaglutid, Mounjaro mit Tirzepatid und Saxenda mit Liraglutid. Ärzte dürfen diese Spritzen hierzulande nur an Nicht-Diabetiker verschreiben, die einen Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30 aufweisen oder einen BMI von 27 haben, wenn begleitende Gewichtserkrankungen wie Bluthochdruck vorliegen. Für fettleibige Kinder sind sie ab einem Alter von zwölf Jahren und einem Gewicht von 60 Kilogramm zugelassen.
Was kostet eine Abnehmspritze?
Da die Spritzen als Lifestyle-Präparate betrachtet werden, übernehmen die Krankenkassen die Kosten nicht. Die Preise für diese Spritzen sind hoch; ein Fertigpen mit vier Dosen Wegovy in der niedrigsten Dosierung kostet 172 Euro.
Vier Dosen Mounjaro kosten 260 Euro und sind für einen Zeitraum von vier Wochen ausreichend. Höhere Dosierungen sind noch teurer, was nicht für jeden erschwinglich ist. Aus diesem Grund verschreiben Ärzte häufig das günstigere Diabetes-Medikament Ozempic an stark übergewichtige Patienten, wodurch es jedoch für Diabetiker nicht mehr verfügbar ist.
Ozempic ist in Deutschland ausschließlich als Diabetes-Medikament zugelassen. Im Juli hat das Bundesinstitut für Arzneimittel erneut betont, dass Ozempic ausschließlich für Diabetiker vorgesehen ist. Daher können Sie die Abnehmspritze nicht einfach so erwerben.
Gibt es Ozempic, Wegovy und Co. auch rezeptfrei?
„Wir raten dringend davon ab, auf eigene Faust Abnehmspritzen im Internet zu kaufen. Oft sind es Fälschungen“, so Claudia Michael, Arzneimittelexpertin von Stiftung Warentest. „Es können andere, auch verbotene Wirkstoffe oder falsche Mengen enthalten sein.“ Im vergangenen Jahr haben die Behörden vor gefälschten Ozempic-Pens gewarnt, die anstelle von Semaglutid Insulin enthielten, was potenziell lebensgefährlich ist.
Es existieren auch andere Produkte, die im Trend der Fettabbau-Mittel liegen, wie die Injektionslösung „Lemonbottle“ eines koreanischen Herstellers. Diese Lösung soll Fettpolster, beispielsweise unter dem Kinn, auflösen. Die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic warnt jedoch davor, dass die Lösung häufig andere Inhaltsstoffe enthält als angegeben. Daher wurde das Produkt als nicht zugelassenes Medizinprodukt verboten. Auch die deutschen Behörden ziehen ein Verbot in Betracht. ■