Städte verwüstet

88 Raketen, 63 Drohnen auf Ukraine: Russland radiert ganze Straßen aus

Bei einem massiven Luftangriff Russlands auf die Ukraine wurden zivile Infrastruktur und Wohngebäude zerstört. Es gibt Tote. Stromausfälle plagen ganze Regionen.

Teilen
In Saporischschja schlug eine Rakete mitten in einem Wohnviertel ein und zerstörte die Wohngebäude in der näheren Umgebung.
In Saporischschja schlug eine Rakete mitten in einem Wohnviertel ein und zerstörte die Wohngebäude in der näheren Umgebung.Katastrophenschutzministerium der Ukraine

Massiver Luftangriff Russlands auf die Ukraine! Die russischen Streitkräfte haben in der Nacht zum Freitag nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit rund 90 Raketen und 60 Kampfdrohnen angegriffen. Getroffen wurde Energieinfrastruktur und Wohngebäude. In Saporischschja traf mindestens eine Rakete eine Straße in einem Wohnviertel, das dadurch völlig verwüstet wurde.

In Online-Netzwerken sprach Selenskyj den „Familien derjenigen, die durch diesen Terror getötet wurden“, sein Mitgefühl aus. „Es gab mehr als 60 Schahed und fast 90 Raketen unterschiedlicher Bauart“, erklärte Selenskyj. Schahed sind Drohnen, die ursprünglich vom Iran entwickelt wurden, nun aber auch von Russland selbst produziert werden.

Bei dem Angriff auf das Wasserkraftwerk in Saporischschja wurde auch ein Trolleybus zerstört.
Bei dem Angriff auf das Wasserkraftwerk in Saporischschja wurde auch ein Trolleybus zerstört.Telegram/Petro Andryuschenko

Russland greift Infrastruktur und Wohngebiete in der Ukraine an

In der Stadt Saporischschja traf mindestens eine Rakete das Wasserkraftwerk am Dnipro – das größte in der Ukraine. Auf Bildern von vor Ort ist zu sehen, wie eines der Gebäude des Kraftwerks in Flammen steht. Neben dem Wasserkraftwerk wurden Energieobjekte unter anderem in den Regionen Dnipropetrowsk, Mykolajiw, Saporischschja, Charkiw, Lwiw und Sumy getroffen.

„Das Ziel (der Angriffe) besteht nicht nur darin, das Energiesystem des Landes zu beschädigen, sondern wie im letzten Jahr erneut zu versuchen, einen großflächigen Ausfall herbeizuführen“, schrieb der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko auf Facebook. Er räumte mehrere Treffer und Stromausfall in verschiedenen Regionen ein.

Durch die Angriffe ist auch die Stromversorgung des von Russland besetzten Akw Saporischschja beschädigt worden, da es von der Ukraine aus mit Strom versorgt wird.
Durch die Angriffe ist auch die Stromversorgung des von Russland besetzten Akw Saporischschja beschädigt worden, da es von der Ukraine aus mit Strom versorgt wird.Uncredited/Planet Labs PBC/AP/dpa

Hochspannungsleitung von Akw durchtrennt

Durch einen der russischen Angriffe wurde zudem eine von zwei Hochspannungsleitungen durchtrennt, die das größte europäische Atomkraftwerk Saporischschja im Südosten der Ukraine mit Strom versorgen. „Der Feind führt nun den größten Angriff auf die ukrainische Energieindustrie der jüngsten Zeit aus“, erklärte der ukrainische Energieminister German Galuschtschenko im Online-Dienst Facebook. Der Beschuss habe „eine der Hochspannungsleitungen“ lahmgelegt, welche das Akw Saporischschja mit Strom versorge.

Bisher wird von mindestens drei Toten und 14 Verletzten gesprochen. Mindestens drei Personen werden noch vermisst. In Saporischschja schlugen Raketen in einem Wohnviertel ein. Auf Fotos ist zu sehen, wie dadurch ein ganzer Straßenzug beinahe ausradiert wurde.

Ein medizinischer Mitarbeiter tröstet eine Frau am Ort eines russischen Luftangriffs in Saporischschja.
Ein medizinischer Mitarbeiter tröstet eine Frau am Ort eines russischen Luftangriffs in Saporischschja.Andriy Andriyenko/AP/dpa

Massive Angriffe auf Charkiw: „Es war die verdammte Hölle“

Besonders schwer getroffen wurde die Stadt Charkiw in der Ostukraine. Dort brachen die Strom- und Wasserversorgung komplett zusammen. Auf die Stadt, die nur rund 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegt, wurden mindestens 15 Raketen und Drohnen gefeuert.

Durch den Zusammenbruch der Stromversorgung saßen die Bewohner im Dunkeln. „Ich sitze in meinem Badezimmer und versuche, mich vor russischen Raketen zu verstecken. In völliger Dunkelheit wegen des Stromausfalls und kann nicht aufhören zu zittern“, schrieb die Charkiwerin Kate Bohuslavska auf Twitter. „Ich komme einfach nicht mit der Angst zurecht. Es war die verdammte Hölle in Charkiw“, so die Journalistin Iryna Voichuk.

Die App für Luftangriffe auf die Ukraine markierte das gesamte Land rot.
Die App für Luftangriffe auf die Ukraine markierte das gesamte Land rot.Privat

Luftangriffe in vielen Teilen der Ukraine

In der Nacht herrschte in der gesamten Ukraine Luftalarm. Nach Angaben der ukrainischen Flugabwehr hatte Russland Marschflugkörper von strategischen Bombern des Typs Tu-95 aus dem Raum rund ums Kaspische Meer abgeschossen. Später wurden auch Angriffe mit Drohnen und ballistischen Raketen unter anderem vom Typ Kinschal gemeldet.

Ins Visier gerieten praktisch alle Landesteile der Ukraine von Lwiw im Westen bis nach Donezk im Osten, von Charkiw und Sumy im Norden bis nach Odessa und Mykolajiw im Süden. Insgesamt flogen 88 Raketen und Marschflugkörper unter anderem der Typen Iskander, Kinschal, Ch-101 und Ch-555, Ch-59 und S-300 sowie 63 Shahed-Drohnen auf die Ukraine. Nach Angaben von Präsident Selenskyj konnte die ukrainische Flugabwehr 92 von insgesamt 151 Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen abschießen. ■