Zoff eskaliert

Sahra Wagenknecht sauer: Spaltet sich das BSW kurz nach der Gründung?

Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf einigt sich auf Kompromiss für Koalition mit CDU und SPD - gegen Wagenknechts Vorgaben. Ein offener Machtkampf droht.

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Die BSW-Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht steht für den Kurs ihrer eigenen Partei. Doch die erste Landeschefin schießt jetzt quer und weicht Wagenknechts Kernforderungen auf um regieren zu können.
Die BSW-Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht steht für den Kurs ihrer eigenen Partei. Doch die erste Landeschefin schießt jetzt quer und weicht Wagenknechts Kernforderungen auf um regieren zu können.Metodi Popow/Imago

Im Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist der Name das Programm – oder etwa doch nicht? Immer wieder hat Parteichefin Sahra Wagenknecht darauf gepocht, dass ihr Kurs zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Pflicht sein muss für sämtliche Verbände ihrer Partei. Das bedeutet den Einsatz für Friedensverhandlungen, das Ende von Waffenlieferungen an Kiew und der Verzicht auf die Stationierung von US-Raketen in Deutschland.

Doch jetzt bricht die erste Landeschefin mit Wagenknechts Vorgaben und wirft ihre Kernforderungen über Bord für eine mögliche Regierungsbildung. Die Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf einigte sich mit CDU und SPD auf einen wachsweichen Kompromiss, um in Erfurt mitregieren zu können. Vor der Aufnahme von Koalitionsgesprächen vereinbarten die drei Parteien ein gemeinsames Sondierungspapier und eine Präambel für einen möglichen Koalitionsvertrag, in der Wagenknechts Forderungen nur noch in Ansätzen zu erkennen sind. Denn darin ist nur noch „der Wille zum Frieden in Europa“ festgeschrieben. Und über die mögliche Stationierung von US-Raketen in Deutschland solle es statt strikter Abhlehung nur noch eine „breite Debatte“ geben.

Ist das BSW nur noch ein Mehrheitsbeschaffer für die CDU?

Spitzenvertreter des BSW auf Bundesebene laufen Sturm gegen diese laschen Formulierungen, die ihre eigenen Parteifreunde in Erfurt ausgehandelt haben. Die parlamentarische Geschäftsführerin Jessica Tatti und der Bundesschatzmeister Ralph Suikat schrieben in einem am Dienstag veröffentlichten Gastbeitrag bei t-online, ihre thüringischen Parteikollegen seien auf dem besten Weg, „das BSW zu einer Partei zu machen, von der es nicht noch eine braucht“.

„Wir sind keine willfährigen Mehrheitsbeschaffer für Voigt“, schrieben Tatti und Suikat in Richtung des thüringischen CDU-Chefs Mario Voigt. Mit Blick auf den CDU-Chef im Bund, Friedrich Merz, schrieben sie: „Wir werden nicht vor Merz kapitulieren.“ Vor allem die klare Abgrenzung von möglichen Stützpunkten für US-Mittelstreckenraketen fehlt Tatti und Suikat. „Katja Wolf und die BSW-Landtagsfraktion begehen einen schweren politischen Fehler, wenn sie sich dem transatlantischen Treueschwur eines Friedrich Merz beugen“, schrieben sie. „Mehr noch, sie tappen in eine Falle.“

Die Thüringer BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf warf Kernforderungen von Parteichefin Sahra Wagenknecht über Bord.
Die Thüringer BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf warf Kernforderungen von Parteichefin Sahra Wagenknecht über Bord.Martin Schutt/dpa

Mit Blick auf die Präambel und das Thüringer Sondierungspapier fragten Tatti und Suikat: „Wo sind unsere zentralen Forderungen geblieben?“ Dies lasse „für mögliche Verhandlungen über landespolitische Fragen nichts Gutes erwarten.“ Das sei „definitiv nicht das, wofür man all die Anstrengungen und harten Konflikte auf dem Weg aus der ehemaligen Partei bis zur Gründung des BSW auf sich genommen hat.“

Neuerliche Kritik kam auch von Parteichefin Sahra Wagenknecht. Sie hält die Präambel in vielerlei Hinsicht für nicht ausreichend. Beim sozialen Wohnungsbau, dem Erhalt der Krankenhäuser, einem Corona-Amnestie-Gesetz oder einer „besseren Kontrolle des Verfassungsschutzes“ falle das BSW hingegen hinter die eigenen Ansprüche zurück, sagte Wagenknecht der Zeitung „Welt“. „Da muss bei den Koalitionsverhandlungen noch viel erreicht werden, wenn wir unsere Wähler nicht massiv enttäuschen wollen.“

Wolf selbst wies die Kritik aus ihrer eigenen Parteiführung zurück. „Wir haben mit unserer Präambel gezeigt, wie elementar uns die Friedensfrage ist. Das haben wir hart verhandelt“, sagte sie der „Welt“.■