Rechte Kampfbegriffe

„Remigration“ und „Globalisten“: Das ist die Sprache der Rechtsextremen

„Remigration“ ist das Unwort des Jahres 2023. Viele Begriffe von Rechtsextremen wirken wissenschaftlich und harmlos, sind es aber nicht.

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Rechter Kampfbegriff: Teilnehmer einer Demo der rechtsextremistischen Pegida in Dresden tragen ein Banner der AfD mit der Aufschrift „Asyl-Lüge beenden! Remigration jetzt!“
Rechter Kampfbegriff: Teilnehmer einer Demo der rechtsextremistischen Pegida in Dresden tragen ein Banner der AfD mit der Aufschrift „Asyl-Lüge beenden! Remigration jetzt!“Robert Michael/dpa

Wenn in rechten Kreisen von „Globalisten“ und „Remigration“ die Rede ist, wissen Gleichgesinnte und Extremismusexperten, was gemeint ist. Für Außenstehende, die sich mit dem Vokabular der Szene nicht auskennen, klingen diese Begriffe erst einmal harmlos, vielleicht sogar wissenschaftlich. Dabei verbirgt sich hinter dem „Globalismus“ die – nicht selten antisemitisch gefärbte – Verschwörungserzählung, eine globale Elite arbeite angeblich im Geheimen an einer Zerstörung nationaler und kultureller Identitäten.

„Remigration“, am Montag gekürt zum Unwort des Jahres 2023, bedeutet im rechtsextremistischen Kontext, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. Dabei ist der Begriff gleichzeitig so vage, dass man – etwa wenn eine Klage droht – versuchen kann, sich damit herauszureden, man verlange ja nur eine bessere Durchsetzung der Ausreisepflicht von Menschen ohne Aufenthaltsrecht.

Zudem kann das Wort je nach Kontext eine ganz unterschiedliche Bedeutung haben. So wird es zum Beispiel in der Wissenschaft benutzt: Ein Historiker-Forschungsteam der Freien Universität Berlin hat zum Beispiel die „Remigration deutscher Jüdinnen und Juden aus Lateinamerika in die Bundesrepublik Deutschland zwischen 1945 bis etwa 1970“ untersucht.

Rechte meinen mit „Remigration“ etwas ganz anderes

Einige rechtsextreme Politiker versuchen, rechte Kampfbegriffe in allgemeine Diskussion einzuschleusen, wenn über Migranten gesprochen wird. Da ist dann auch von „Invasoren“ die Rede. Der Begriff schürt Ängste. Der innenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Gottfried Curio, spricht von einem „Ansturm“ und von „illegalen Migranten“. Die AfD verwendet das Wort „Remigration“ regelmäßig als rechten Kampfbegriff in ihrer Social-Media-Posts auf Facebook.

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) warnt vor der Verwendung solcher Begriffe. Er schlägt vor, nicht von illegalen oder irregulären Migranten zu sprechen, sondern von „irregulär aufhältigen Migrantinnen und Migranten“.

Eine Mahnwache rechter Gruppen steht mit einem Schild ("Remigration Jetzt") vor dem Bundeskanzleramt in Berlin.
Eine Mahnwache rechter Gruppen steht mit einem Schild ("Remigration Jetzt") vor dem Bundeskanzleramt in Berlin.picture alliance / Bernd von Jutrczenka/dpa

In einer Pressemitteilung zur Einstufung der sächsischen AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung erklärt das Landesamt für Verfassungsschutz des Freistaats: „Führende Vertreter der Landespartei verwenden in diesem Kontext im öffentlichen Diskurs regelmäßig ideologische Kampfbegriffe der rechtsextremistischen Szene, wie „Der Große Austausch“, „Umvolkung“ oder die Forderung nach „Remigration“. Auch diese Begriffe verbergen ihren rassistischen Kern und ihre Urheberschaft im Nationalsozialismus.“

Besonders problematisch wird es, wenn sich demokratische Politiker rechtspopulistischer Rhetorik bedienen. Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer warnt: „Das Gefährliche ist, dass die Übernahme von rechter Rhetorik dazu führt, dass sie sich normalisiert. Und was erst mal als normal gilt, kann nachher kaum noch problematisiert werden.“

Die Strategie der Normalisierung sieht so aus: In den Anfangsjahren bemühten sich führende Parteifunktionäre noch, eine Verwendung bestimmter problematischer Begriffe durch AfD-Mitglieder in der Öffentlichkeit zu verhindern. Inzwischen sieht die Strategie inzwischen anders aus. Begriffe, die zum Jargon der sogenannten Neuen Rechten gehören, finden sich inzwischen auch in Reden, die AfD-Abgeordnete in Parlamenten halten. So sagte Ruben Rupp, Abgeordneter der AfD im baden-württembergischen Landtag, es sei nötig, „die Remigration schnell und entschieden durchzuführen“.

„Passdeutsche“, „Umvolkung “: Streit um die Bedeutung von Rechten verwendeter Begriffe

Gleichzeitig kritisieren Politiker der AfD, wie der Abgeordnete Martin Reichardt im November, dass ins Visier des Verfassungsschutz gerate, „wer in diesem Land von Umvolkung spricht“. Sven Kachelmann von der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative beklagte 2019, dass ein ethnisch-kultureller Volksbegriff – „pauschal als verfassungsfeindlich angesehen wird“.

Politikerinnen und Politiker der AfD versuchen den Eindruck zu erwecken, die Kritik an der Verwendung von Begriffen aus der rechten Szene sei keine Warnung vor dem Einsickern extremistischen Gedankenguts, sondern überzogene politische Korrektheit. Der Ehrenvorsitzende der AfD, Alexander Gauland, führte 2019 aus: „Wir, die AfD, treten dafür ein, dass Meinungsfreiheit nicht nur erhalten bleibt, sondern kämpfen gegen die sogenannte Political Correctness und Tabuthemen, die uns links-grüne Ideologen mit erhobenem Zeigefinger aufzwingen wollen.“

Renate Köcher, Geschäftsführerin des Meinungsforschungsinstituts Allensbach, ist eine Kritikerin von verengten Meinungskorridoren. In einem Aufsatz für „Libertas - Jahrbuch für Meinungsfreiheit“ führte sie 2021 aus, es sei schlecht, wenn „die Bürger den Eindruck haben, dass sie immer mehr beobachtet und bewertet werden und einem oft kleinteiligen Erziehungsprozess ausgesetzt sind – und sei es auch mit den besten Absichten“. Das bedeutet aus ihrer Sicht aber nicht, dass jeder alles sagen und sogar Hass und Hetze verbreiten könne. Und dazu dienen auch Begriffe, die auf den ersten Blick harmlos erscheinen.■