Bundestagswahl

Gysi, Ramelow, Bartsch – gelingt die „Mission Silberlocke“?

Dietmar Bartsch, Bodo Ramelow und Gregor Gysi wollen Die Linke retten. Schafft es die Partei in den Bundestag?

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Die Protagonisten der „Mission Silberlocke“ der Links-Partei, in echt und in Pappe: Bodo Ramelow, Direktkandidat im Wahlkreis Wahlkreis Erfurt - Weimar - Weimarer Land, Gregor Gysi, Direktkandidat im Wahlkreis Berlin Treptow-Köpenick und Dietmar Bartsch, Direktkandidat Wahlkreis Rostock und Landkreis Rostock .
Die Protagonisten der „Mission Silberlocke“ der Links-Partei, in echt und in Pappe: Bodo Ramelow, Direktkandidat im Wahlkreis Wahlkreis Erfurt - Weimar - Weimarer Land, Gregor Gysi, Direktkandidat im Wahlkreis Berlin Treptow-Köpenick und Dietmar Bartsch, Direktkandidat Wahlkreis Rostock und Landkreis Rostock .Sebastian Gollnow/dpa

„Irgendetwas haben wir ausgelöst“, sagt Bodo Ramelow zur „Mission Silberlocke“. Auch junge Leute strömen im Wahlkampf in Scharen zur Linken. Schafft es die Partei doch wieder in den Bundestag?

Gregor Gysi ist der einzige mit Schlips an diesem Abend. Der 77-Jährige steht beim Wahlkampfauftakt der Linken im überfüllten Festsaal Kreuzberg vor 650 jungen Leuten in Kapuzenpullis und Turnschuhen, gefühlt sind hier alle 19 Jahre alt. Aber der Jubel für den dienstältesten Linken im Bundestag ist ohrenbetäubend. „Ich wusste nicht, wie die Jungen auf die drei Silberlocken reagieren“, sagt Gysi gerührt. „Und dass ihr darauf so fantastisch reagiert, das baut mich richtig auf.“

Die „Mission Silberlocke“ hat Gysi im November gestartet, zusammen mit dem früheren Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (68) aus Thüringen und dem ehemaligen Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch (66) aus Mecklenburg-Vorpommern. Jeder der drei Linken-Promis soll ein Direktmandat für den Bundestag gewinnen - und so der Partei über die sogenannte Grundmandatsklausel den Weg ins Parlament sichern.

Volles Haus beim Auftritt der drei Silberlocken in Erfurt: Bodo Ramelow, Gregor Gysi und Dietmar Bartsch (von links) im Großen Konzertsaal im Haus der sozialen Dienste.
Volles Haus beim Auftritt der drei Silberlocken in Erfurt: Bodo Ramelow, Gregor Gysi und Dietmar Bartsch (von links) im Großen Konzertsaal im Haus der sozialen Dienste.ari / Imago

Es war gedacht als Rettungsring für die durch Wahlschlappen und den Bruch mit Sahra Wagenknecht gebeutelte Partei. Und tatsächlich scheint die „Mission Silberlocke“ zu helfen, dass in der Linken Aufbruchstimmung herrscht. „Eine geniale Werbekampagne“ nennt es der Rostocker Politikwissenschaftler Wolfgang Muno. Erstmals seit langem schafft die Partei in einigen Umfragen wieder fünf Prozent.

Ein anderer Faktor: Die Stärke der AfD und deren gemeinsame Abstimmung mit der Union empört und mobilisiert linke Unterstützer. Bei dem Wahlkampfabend in Kreuzberg etwa sagt die 24-jährige Charlotte, sie finde die aktuelle politische Situation beängstigend. „Es ist auf jeden Fall sehr wichtig, dass die Linke in den Bundestag kommt. Und deshalb wollte ich die vielleicht mit einer Mitgliedschaft unterstützen.“

Mitglieder-Boom für die Partei Die Linke

Nach Parteiangaben stellten seit dem Unions-AfD-Votum vom Mittwoch bis Freitagfrüh gut 2800 Menschen neue Mitgliedsanträge. Nun zähle die Linke 67.000 Mitglieder, sagt ein Parteisprecher - 7000 mehr als vor zwei Wochen.

Ob das alles bis zur Bundestagswahl am 23. Februar hält, ist eine andere Frage. Vier bis fünf Prozent in Umfragen bundesweit sind sehr knapp. Und die ersehnten drei Direktmandate sind ebenfalls keineswegs sicher. Verlässliche Mikroumfragen für einzelne Wahlkreise fehlen nach Angaben der Linken. Politikforscher Muno wagt diese Prognose: Dass Gysi und Ramelow jeweils ein Direktmandat holen, halte er für realistisch. Für Dietmar Bartsch seien die Chancen „nicht besonders groß, aber es ist nicht unmöglich“.

Die Chancen für Dietmar Bartsch

Bartsch hat sich schon 2017 und 2021 um das Direktmandat im Wahlkreis Rostock - Landkreis Rostock II beworben - und zweimal verloren. Diesmal sei es anders, sagt Bartsch. Weil er nicht gleichzeitig bundesweit Spitzenkandidat der Linken sei, könne er sich auf die Heimat konzentrieren.

Linken-Landeschef Hennis Herbst weiß, dass Bartsch in der Riege der Silberlocken eher ein Wackelkandidat ist. „Ich glaube, da kann man so ehrlich sein“, sagt Herbst. Aber die Linke investiert in Rostock viel Geld und Unterstützung. Bartsch-Plakate scheinen wirklich überall, ebenso wie der Kandidat selbst.

Profitieren könnte Bartsch nach Einschätzung von Muno von der schwachen Konkurrenz. Der CDU-Kandidat Michael Ebert sei blass, die AfD habe für Rostock die eher unbekannte Kandidatin Steffi Burmeister aufgestellt. Und die Gewinnerin des Direktmandats 2021, Katrin Zschau, leide unter der Schwäche der SPD. Landesweit liegt die Linke in Mecklenburg-Vorpommern in einer neuen Umfrage für den NDR bei sechs Prozent - nach vier Prozent im Oktober.

Die Chancen für Bodo Ramelow

Ramelow stand zehn Jahre an der Spitze einer rot-rot-grünen Regierung in Thüringen - der einzige Linke, der je Ministerpräsident war. Jetzt will er das Direktmandat im Wahlkreis Erfurt - Weimar - Weimarer Land. So steht es auf vielen großen Plakaten überall in und um Erfurt.

Wenn er im Wahlkampf auftrete, sei es brechend voll, erzählt Ramelow. „Die Silberlocken haben eine Bewegung ausgelöst.“ Das Trio sei inzwischen zu Tik Tok-Stars geworden, werde um Selfies gebeten und gebe Autogramme. Von der Euphorie junger Unterstützer scheint der 68-Jährige angesteckt. „Wir haben eine Renaissance der Linken“, sagt er.

Zu seinen Aussichten im Wahlkreis will sich Ramelow nicht äußern. „Das hat der Wähler zu entscheiden.“ Er tritt unter anderem gegen den Ostbeauftragten Carsten Schneider (SPD) und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) an. „Ich habe Respekt vor Katrin und Carsten.“ Ramelow sagt aber auch: „Ich will in den Bundestag.“ Bei der Landtagswahl im September hat er es in Erfurt geschafft: Er holte ein Direktmandat für das Landesparlament.

Die Chancen für Gregor Gysi

Gysi werden die besten Chancen eingeräumt, sein Direktmandat im Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick zu verteidigen. Seit 2005 ist er dort erfolgreich. 2021 gewann Gysi mit einem Ergebnis von 35,4 Prozent und 20 Prozentpunkten Vorsprung vor der SPD-Kandidatin Ana-Maria Trasnea. Die AfD legte zwar zuletzt auch im Berliner Südosten zu. Aber in der Linken glauben sie an ihr Zugpferd Gysi - über Generationsgrenzen hinweg.

„Ich bin ein großer Fan von Gregor Gysi“, sagt der 22-jährige Simon bei dem Wahlkampfabend in Kreuzberg. „Der Mann kann reden.“ Er stimme Gysi nicht immer politisch zu, aber das sei nicht das Entscheidende. „Ich respektiere ihn als Menschen, und das kann ich nicht bei vielen Politikern.“

Klappt es also für die Linke?

Neben den Silberlocken setzt die Linke auf den Leipziger Sören Pellmann. Er holte 2021 neben Gysi und der Berlinerin Gesine Lötzsch das dritte Direktmandat - schon damals hielt die Grundmandatsklausel die Partei im Bundestag. Pellmann könnte es wieder schaffen, sagt Politikwissenschaftler Muno.

Lötzsch tritt in Berlin-Lichtenberg nicht mehr an. Übernehmen will hier die neue Parteivorsitzende Ines Schwerdtner. Doch schickt die AfD in Lichtenberg die bundesweit bekannte Beatrix von Storch ins Rennen. Die 36-jährige Schwerdtner weiß, dass es für sie schwer wird.

Trotzdem reden sich viele in der Partei gerade in einen Rausch, dass die Wende geschafft sei: die vielen neuen Mitglieder, das neue Führungsduo Schwerdtner und Jan van Aken, der Aufwärtstrend in den Umfragen. „Wir sind sowas von back“, meint Schwerdtner.

Christopher Hirsch, Simone Rothe, Verena Schmitt-Roschmann/dpa