Sind Teenager informiert genug zum Mitentscheiden?

Der neue Streit um das Wählen mit 16

Vor 50 Jahren wurde das Mindestalter auf 18 gesenkt. Jetzt muss der nächste Schritt folgen, sagen Politiker.

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Familienministerin Franziska Giffey (SPD) will das Wahlalter auf 16 herabsetzen. 
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) will das Wahlalter auf 16 herabsetzen. dpa/Kay Nietfeld

Erst 21, dann 18 und nun 16? Fünfzig Jahre nach der Senkung des Wahlalters für Bundestagswahlen von 21 auf 18 Jahre dringen viele Parteien auf eine weitere Herabsetzung. „Ich bin überzeugt, dass junge Leute mit 16 sehr wohl in der Lage sind, eine verantwortliche Wahlentscheidung zu treffen“, sagt Familienministerin Franziska Giffey (SPD). Unterstützung kommt von Grünen, Linken und Politik-Forschern, aber die Union zeigt sich skeptisch.

Die oberste Sozialdemokratin Saskia Esken will für alle Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen das Wählen mit 16 einführen. Ab diesem Alter sollen junge Leute zugleich in politische Ämter gewählt werden können. „Wir müssen jungen Menschen die Möglichkeit geben, mitzubestimmen und mitzugestalten“, sagt Esken.

Auch Grünen-Chef Robert Habeck ist von der Idee überzeugt. Er sagt: „Wir leben in einer Zeit, in der die Mündigkeit der jungen Generation schon viel früher einsetzt. Es wäre schön, wenn der Gesetzgeber das sehen könnte und nachziehen würde.“ Die 16-Jährigen seien nicht weniger interessiert und informiert als die 18-Jährigen, stimmt Linke-Chefin Katja Kipping dem Vorstoß zu. Es sei höchste Zeit, Jugendliche ab 16 mitentscheiden zu lassen.

Den Führerschein gibt es auch erst mit 18

CSU-Generalsekretär Markus Blume ist hingegen skeptisch. „Es hat sich bewährt, dass Wahlrecht und Volljährigkeit gekoppelt sind“, sagt er. Die volle Strafmündigkeit, der Führerscheinbesitz und andere Rechte und Pflichten knüpfen an die Volljährigkeit mit 18 an. „Das ist auch der richtige Maßstab für das Wahlrecht als oberstes Recht in der Demokratie“, so Blume. Jugendliche könnten sich auch anders engagieren – etwa in der Klimabewegung.

Hintergrund der neuen Debatte: Vor 50 Jahren, am 31. Juli 1970, war eine Grundgesetzänderung in Kraft getreten, die das Wahlalter für Bundestagswahlen um drei Jahre senkte. In Artikel 38 heißt es seitdem: „Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat.“ Diesen Schritt hatte SPD-Kanzler Willy Brandt in der Regierungserklärung zum Amtsantritt 1969 unter der Überschrift „Mehr Demokratie wagen“ angekündigt.

Niedrigeres Wahlalter schon 2021?

Geht es nach Grünen-Chef Robert Habeck, wird das Wahlalter 16 möglichst schon zur Bundestagswahl 2021 eingeführt. Jugendliche dürften bei vielen Kommunal- und Landtagswahlen ohnehin bereits mitwählen. Wichtige Fragen zur Überwindung der Folgen der Corona-Pandemie, zur Familienpolitik oder auch zur Zukunft der Arbeitswelt müssten gemeinsam mit der jungen Generation entschieden werden, heißt es bei der SPD. Die Chefin der Jungen Liberalen, Ria Schröder, spricht sogar von einer Senkung des Wahlalters auf „mindestens“ 16 Jahre.

Dass die 16-Jährigen mitentscheiden würden, wenn sie denn könnten, hält der Wahlforscher Matthias Jung für ausgemacht. „Wir können sehen, dass es eine Art Neugiereffekt gibt, wenn man das erste Mal wählen darf, egal in welchem Alter“, sagt der Vorstand der Forschungsgruppe Wahlen. „Schon vor 20, 30 Jahren hatten wir den Effekt, dass Erstwähler einen Tick häufiger zur Wahl gehen.“ Auch in der neuen Studie „Wählen mit 16?“ der Otto-Brenner-Stiftung kommen die Politikwissenschaftler Thorsten Faas und Arndt Leininger von der FU Berlin zu dem Ergebnis: „Wir finden wenig, was gegen eine Absenkung des Wahlalters spricht.“ (mit dpa)