Zum Tod der CDU-Legende

Bernhard Vogel (†92) – „ein Brückenbauer zwischen Ost und West“

Erst Rheinland-Pfalz, dann Thüringen: Bernhard Vogel hat in zwei Bundesländern regiert. Das Zusammenwachsen von West und Ost lag ihm am Herzen.

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Bernhard Vogel im November 2022 bei einem Gespräch in seinem Wohnzimmer.
Bernhard Vogel im November 2022 bei einem Gespräch in seinem Wohnzimmer.Uwe Anspach/dpa

Bernhard Vogel war ein Rekord-Regent: Der CDU-Politiker war der einzige Ministerpräsident, der jeweils ein Land in West- und in Ostdeutschland regierte. Erst Rheinland-Pfalz (1976 bis 1988), später Thüringen (1992 bis 2003). So lange wie er stand kein anderer in Deutschland an der Spitze von Landesregierungen. Bereits die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte ihm einst „historische Einmaligkeit“ bescheinigt. Jetzt ist der gebürtige Göttinger im Alter von 92 Jahren in Speyer gestorben.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz würdigte Bernhard Vogel als „Brückenbauer zwischen Ost und West“. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hob hervor, dass Vogel als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen „und als unermüdliche Stimme für die Demokratie“ das Zusammenwachsen von Ost und West gestaltet habe. Thüringens heutiger Regierungschef Mario Voigt (CDU) nannte Vogel einen „Jahrhundertpolitiker“, er habe nach der Wiedervereinigung mit „seiner fachlichen Expertise, vielen klugen Entscheidungen und nicht zuletzt durch sein persönliches Vorbild“ zum guten Gedeihen Thüringens und zum Zusammenwachsen von Ost und West beigetragen.

Dabei hatte Bernhard Vogel ursprünglich andere Pläne. „Auf die Idee, Politiker zu werden, war ich nie gekommen“, sagte Vogel anlässlich seines 90. Geburtstags im Dezember 2022 in einer Art Lebensbilanz. Er studierte Politische Wissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaft in Heidelberg, als ihn Betriebsräte des BASF-Konzerns baten, für den Bundestag zu kandidieren. „Ich war allenfalls auf eine Periode angelegt.“

Sein Bruder Hans-Jochen (1926-2020) war da längst politisch aktiv – allerdings in der SPD: erst als Oberbürgermeister von München, später als Bundesjustizminister, Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender.

Die Brüder Bernhard Vogel (CDU, links ) und Hans-Jochen Vogel (SPD) im Jahr 2000, als Bernhard Vogel Ministerpräsident in Thüringen war.
Die Brüder Bernhard Vogel (CDU, links ) und Hans-Jochen Vogel (SPD) im Jahr 2000, als Bernhard Vogel Ministerpräsident in Thüringen war.Martin Schutt/dpa

Zwölf Jahre an Rhein und Mosel regiert

Der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl holte Bernhard Vogel dann nach Mainz – zunächst als Kultusminister, 1976 folgte er Kohl als Regierungschef. Mit einem bitteren „Gott schütze Rheinland-Pfalz“ verabschiedete sich Vogel 1988 schweren Herzens von seinem Bundesland, nachdem er in der Landes-CDU einen Machtkampf verloren hatte. Rund zwölf Jahre hatte er an Rhein und Mosel regiert.

Nach der deutschen Wiedervereinigung kam Vogel 1992 („über Nacht“) nach Thüringen. „Die Idee, in einem anderen deutschen Land Ministerpräsident zu werden, war so abwegig, dass sie lange niemand hatte. Es war auch nicht mein Verdienst, sondern entsprach einer ungewöhnlichen historischen Situation.“

Ministerpräsident in Thüringen, „größtes Abenteuer“ für Vogel

Das Amt sei eine echte Herausforderung gewesen. „Mit der Wahl zum Ministerpräsidenten begann für mich das größte Abenteuer meines Lebens. Und das hatte ich mir nicht so schwierig vorgestellt.“ Die Beseitigung der Schäden von 40 Jahren DDR habe sich als kompliziert erwiesen. „Sie ist bis heute nicht in allen Bereichen abgeschlossen.“

Ministerpräsident Bernhard Vogel 2001 mit der damaligen CDU-Bundesvorsitzenden Angela Merkel.
Ministerpräsident Bernhard Vogel 2001 mit der damaligen CDU-Bundesvorsitzenden Angela Merkel.Martin Schutt/dpa

Nach dem „Abenteuer Thüringen“ übernahm Vogel bis 2009 den Chefposten der Adenauer-Stiftung, den er zuvor schon einmal innegehabt hatte. An welchem Ort war ein so Weitgereister glücklich? „Im Dom in Speyer, im Dom in Erfurt, in Weimar, Jena, Heidelberg... ein einziger Ort allein passt nicht in meinen Lebenslauf“, sagte der ewige Junggeselle dazu.

Unter Politikern war der am 19. Dezember 1932 geborene Vogel ein Unikat. Er hat deutsche Schlüsselmomente nicht nur erlebt, sondern mitgestaltet. Siebenmal legte er in Mainz und Erfurt den Amtseid als Regierungschef ab. Damit ist er der deutsche Nachkriegspolitiker mit der längsten Amtszeit als Ministerpräsident. Er führte mehr als 23 Jahre CDU-Alleinregierungen oder Koalitionen mit FDP und SPD.

Schwimmer, Klassik-Liebhaber, ewiger Junggeselle

An seinem Wohnort im pfälzischen Speyer standen politische Biografien und Werke etwa von Thomas Mann („Ich habe seit langem eine besondere Sympathie zu ihm“) auf dem Bücherregal. Wenn Vogel Musik hörte, dann Klassik – oft Mozart („Man hört ihn sofort heraus. Einen bestimmten Ton hat nur Mozart“). Pop und Rock seien „nicht so sehr“ seine Welt. Als Lieblingsmaler bezeichnete er den Niederländer Vincent van Gogh.

In seiner Freizeit war er bis ins hohe Alter ein leidenschaftlicher Schwimmer. „Das geht noch“, sagte er an seinem 90. Geburtstag, „im Gegensatz zum Bergsteigen: Da schaue ich mir die Gipfel heute von unten an.“ Gut entspannen konnte Vogel in einem Dorf im Ötztal.

Wegbegleiter betonen, der promovierte Politologe habe stets das Verbindende gesucht und sei ein echter Diplomat gewesen. Bis zuletzt war er auf vielen Terminen zu sehen. Vogel meldete sich auch immer noch zu Wort. So warnte er die CDU vor einer Zusammenarbeit mit der AfD, riet seiner Partei aber, sich um deren Wähler zu kümmern. „Es muss darum gehen, die Wähler, die die demokratischen Parteien der Mitte an die AfD verloren haben, zurückzugewinnen“, sagte er bei der Vorstellung seiner Autobiografie im vergangenen Jahr und betonte dabei: „Die meisten Wähler der AfD wählen die AfD nicht wegen ihres Programms, sondern aus Zorn oder aus Verärgerung über die anderen Parteien.“

„Man sollte sich nicht zu wichtig nehmen“

Das Verhältnis zu Helmut Kohl nannte er stets vertraulich. „Kohl war nie ein Rivale. Wir sind über Jahrzehnte befreundet gewesen.“ Dass die letzten Jahre des Ex-Kanzlers von einer Spendenaffäre und einer Krankheit überschattet gewesen seien, habe „einen Hauch von Tragik“.

Angesprochen auf seine Verdienste, tat Vogel dies oft schmunzelnd ab. „Mancher hat den Eindruck, es handele sich bei meinem Bruder und mir um Persönlichkeiten, die auch später noch erinnert würden“, sagte er einmal der Deutschen Presse-Agentur. Sicherlich habe man sich bemüht und engagiert. „Aber wir waren nicht die einzigen, und wir werden wahrscheinlich in Vergessenheit geraten. Das ist ein realistischer Gedanke. Man sollte sich nicht zu wichtig nehmen.“ ■