Vom Konzert in die Kabine

Vier Tage auf der „Aida“: Lohnt sich eine „Festival Cruise“? Der Selbsttest

Vor wenigen Wochen fand das erste Mal eine „Festival Cruise“ auf einem „Aida“-Kreuzfahrtschiff statt. Unsere Autorin war dabei und verrät, ob sich so eine Reise lohnt.

Author - Julia Nothacker
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An Bord der „Aidaprima“ wurde tagsüber und nachts ordentlich gefeiert.
An Bord der „Aidaprima“ wurde tagsüber und nachts ordentlich gefeiert.AIDA Cruises/Jonas Diener

Sowohl Kreuzfahrten als auch Festivals und Konzerte werden immer begehrter – warum also nicht beides miteinander kombinieren? Themen-Kreuzfahrten zu den unterschiedlichsten Themen, ob kulinarisch, kulturell oder musikalisch erfreuen sich seit Jahren immer größerer Beliebtheit. Ob sich eine „Festival Cruise“, wie sie nun erstmals auf der „Aida“ in Zusammenarbeit mit dem Glücksgefühle-Festival stattfand, wirklich lohnt, habe ich als Redakteurin des Berliner KURIERS getestet.

Festival-Stimmung auf der „Aidaprima“

Die Reise findet auf der „Aidaprima“ statt, einem der größeren Schiffe, und geht nach Kopenhagen (7.–11. Mai). Vor und nach dem Hafentag liegt jeweils ein Seetag. Bedeutet, für die Gäste herrscht dreieinhalb Tage Festival-Time.

Zuerst sei gesagt: Ich fahre seit Jahren privat mit der „Aida“, doch diese Reise sollte auch für mich etwas ganz Besonderes sein. Das merke ich spätestens beim Check-in, als sich jede Menge partywütige Gäste schon vor dem ersten Schritt aufs Schiff einen Drink genehmigen und auf die gemeinsame Reise anstoßen. „Jetzt geht die Party los!“, ruft ein Gast seinen Freunden entgegen. Mir war natürlich klar, dass das Publikum bei dieser Reise deutlich jünger sein würde als bei den normalen Kreuzfahrten. Tatsächlich liegt das Durchschnittsalter der Gäste bei der „Festival Cruise“ bei 38 Jahren, sonst liegt es bei knapp über 40 Jahren.

Die „Aidaprima“
Die „Aidaprima“Aida Cruises

Ich gebe zu, das Wort „Festival“ habe ich in Bezug auf die Reise nicht ganz ernst genommen. In meiner Vorstellung sollte das einfach eine schöne Kurz-Kreuzfahrt werden, auf der ein paar Konzerte stattfinden. Dass es wirklich ein kleines Festival auf dem Meer sein würde, daran habe ich nicht geglaubt. Doch schon am ersten Tag entsteht tatsächlich eine Art Festival-Atmosphäre. Nur, dass die Besucher eben nicht in Zelten auf einer matschigen Wiese, sondern in sauberen Kabinen in richtigen Betten schlafen. Als Goodies gibt es beim Einzug in die Kabine Ohropax, Traubenzucker, Klebe-Tattoos und ein Festivalband (dieses wird an Bord zwar nicht benötigt, man regelt und bezahlt weiterhin alles mit der Bordkarte, als Erinnerung trotzdem eine schöne Idee).

Die Passagiere unterscheiden sich deutlich zu denen auf anderen Reisen. Oft sieht man Gäste bereits am Morgen mit alkoholischen Getränken in der Hand. Allgemein bekomme ich den Eindruck, dass die meisten Passagiere wegen des Festivals an Bord sind und nicht wegen der Reise nach Kopenhagen. Viele bleiben an dem einzigen Hafentag deswegen auch an Bord, um sich zu erholen und für den nächsten Abend wieder fit zu sein. Der Anteil der Neubuchungen auf dieser Reise liegt bei starken 40 Prozent und spiegelt sehr gut das aktuell allgemeine durchschnittliche Gästeklientel wider, erklärt Nadine Maraschi, Manager Corporate Communication bei Aida Cruises.

Wie nachhaltig ist eine Kreuzfahrt?

Für die Zeit an Bord sind für uns Pressevertreter mehrere Führungen über das Schiff geplant. Dadurch können wir die Reise nicht nur aus Sicht des Passagiers betrachten, sondern bekommen einen tieferen Einblick in die Abläufe an Bord. So dürfen wir zum Beispiel zu Kapitän Jörg Miklitza auf die Brücke oder in den Maschinenkontrollraum.

Darüber, inwiefern Kreuzfahrtschiffe in den vergangenen Jahren umweltfreundlicher werden, lässt sich streiten. Noch 2013 galt Aida Cruises als Verlierer beim Thema Umweltfreundlichkeit. Fest steht aber, dass sich in den vergangenen zehn Jahren so einiges bei Aida Cruises getan hat und viel in den Umweltschutz investiert wurde. Sogar die Bauart der neuen, großen Schiffe mit dem senkrechten Bug trägt für eine verbesserte Hydrodynamik bei.

Als weltweit erstes Kreuzfahrtschiff verfügt die „AIDAprima“ über einen speziellen Motor, wodurch sie während der Liegezeit im Hafen mit sogenanntem LNG, dem emissionsarmem Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas), betrieben werden kann. Die „AIDAnova“, die nach der „AIDAprima“ entstand, ist sogar das erste Kreuzfahrtschiff auf der Welt, das bereits mit LNG fahren kann.

Außerdem hat die „AIDAprima“ das weltweit erste dreistufige System zur Abgasnachbehandlung auf einem Passagierschiff. Dadurch können Rußpartikel, Stickoxide und Schwefeloxide um 90 bis 99 Prozent reduziert werden. Weiterhin erhielt sie im Jahr 2022 das bis dato größte Batteriespeichersystem in der Passagierschifffahrt mit einer Kapazität von zehn Megawattstunden. Immerhin kann das Schiff zumindest in den Häfen durch Landstrom versorgt werden. Das Problem: Nicht alle europäischen, geschweige denn weltweiten Häfen bieten überhaupt die Möglichkeit für Landstrom, wie Wartungsingenieur Peter Olbrich erklärt.

Auch die Abfallabteilung birgt spannende Details: Es gibt 28 Müllkategorien an Bord, die penibel eingehalten werden. Klebt an einer Bananenschale zum Beispiel noch ein Aufkleber, wird dieser abgetrennt, so genau wird auf der „Aida“ die Mülltrennung genommen, verrät Recycling Offizier Jonas Levin Tönnessen. Grundsätzlich legt Aida Cruises mittlerweile großen Wert auf Nachhaltigkeit. Seit 2018 konnten 97 Prozent Einwegprodukte eingespart werden. Aus dem Kaffeesatz, der an Bord entsteht, wird zum Beispiel Seife hergestellt, die auch vertrieben wird. Aus den Essensresten und den menschlichen Hinterlassenschaften aus der Toilette wird Kompost hergestellt, der dann verkauft wird. Seit 2019 konnten die Essensreste außerdem durch strukturelle Änderungen um 30 Prozent reduziert werden. Bis 2030 sollen weitere 50 Prozent eingespart werden.

Einen weiteren Einblick in den Ablauf eines Kreuzfahrtschiffs bekommt man durch die Küchenführung. Der Großteil der Küche befindet sich natürlich außerhalb des Passagierbereichs. Souschef Alexander Petz führt uns durch die verschiedenen Bereiche wie die Kühlräume, in denen die Mengen an Gemüse, Obst und Milchprodukte aufbewahrt werden.

In der Großküche, in der allein 207 Mitarbeiter tätig sind, werden die Gerichte für die Büfett-Restaurants vorbereitet, die Bedienrestaurants wie das Casa Nova, das Buffalo Steak House, das French Kiss und das Rossini haben hingegen ihre eigenen Küchen. Für solch eine Reise werden zwischen 20 und 30 Tonnen Lebensmittel verbraucht, die in der Regel aus Hamburg kommen und vier Wochen im Voraus bestellt werden müssen. Was bei der Führung auffällt: Man sieht deutlich mehr Getränke, die teilweise auch dort gelagert werden, wo sich sonst Lebensmittel befinden. Na klar, für eine Festivalreise müssen viel mehr alkoholische Getränke berechnet werden. Wie viel genau mehr, dass kann uns leider weder der Souschef noch der Projektleiter verraten. Über Alkohol-Zahlen spricht man nicht … Kleiner Tipp: Die Küchenführung ist im Gegensatz zu den Besuchen im Maschinenkontrollraum oder der Abfallabteilung auch für Gäste buchbar und lohnt sich!

Worin sich eine „Festival Cruise“ zu einer normalen Kreuzfahrt unterscheidet

Doch was ist nun anders auf der „Festival Cruise“ im Gegensatz zu normalen Reisen? Es gibt mehr mobile Bars, die extra errichtet wurden und großzügig gekennzeichnet sind – damit die Gäste sofort sehen, wo sie den nächsten Cocktail oder das nächste Bier bekommen. Und dieses Angebot scheint auch gut genutzt zu werden. Finn Hinrichs hat als Eventmanager die Leitung der „Festival Cruise“ (genaue Jobbezeichnung „Specialist Charter und Aida Eventreisen“) inne. Gegenüber dem Berliner KURIER erklärt er, was die Gäste sonst noch alles an Extras an Bord erwartet, was es auf den normalen Reisen nicht gibt. „Die Öffnungszeiten wurden angepasst – zum Beispiel beim Frühstück, weil die Leute nach der langen Feier am Vorabend natürlich länger schlafen. Auch die Scharfe Ecke (Currywurst-Stand) schließt normalerweise um zwei Uhr nachts, auf dieser Reise erst um vier Uhr. Wir haben natürlich extra Security und externe Videografen, die sonst nicht an Bord sind. Es gibt eine neue Getränkekarte, damit es auf der einen Seite schneller mit den Bestellungen geht, auf der anderen Seite greifen wir aber auch die neuen Getränke-Trends auf.“

Eine weitere Neuerung an Bord, die es extra auf der „Festival Cruise“ gibt: Einen Späti! Fast wie in Berlin gibt es dort ab 23 Uhr süße und salzige Snacks, Getränke, Zigaretten und Kondome.

Ein wichtiger Punkt sind natürlich die Künstler an Bord. Musiker wie Sido, Stefanie Heinzmann, Culcha Candela, Gentleman und Kamrad traten im Theatrium auf, DJs wie Alle Farben, Vize und die Eastbeatbrothers und Party-Sänger wie Julian Sommer und Loona im Beach Club. „Wir haben so viele Künstler an Bord wie noch nie. Wir hatten die Herausforderung, ihnen so viel Privatsphäre zu schaffen, dass sie sich an Bord auch wohlfühlen. Das Patiodeck auf Deck 16 ist für die Gäste komplett gesperrt und auf dieser Reise nur für die Künstler zugänglich. Auch die Lounge im Wave Club, die normalerweise den Teens gehört, steht nur den Künstlern zur Verfügung. Außerdem gibt es an Land in Kopenhagen einen gesonderten Ausflug für die Künstler. Sie sollen sich hier zu Hause fühlen“, sagt Finn Hinrichs.

Das vegane Restaurant wurde für die Künstler umfunktioniert.
Das vegane Restaurant wurde für die Künstler umfunktioniert.Aida Cruises

Deswegen haben die Künstler und ihre Begleitungen auch ihr eigenes Restaurant. Das Lokal an Bord, das sonst ausschließlich vegane Speisen anbietet, wurde extra umfunktioniert. Dort können die Stars auch nach ihrem Auftritt noch bis 23 Uhr in Ruhe speisen.

Der Auftritt von Sido war eines der Highlights der Reise.
Der Auftritt von Sido war eines der Highlights der Reise.Aida Cruises/Jonas Diener

Die extra Security-Mitarbeiter haben die Aufgaben, die Backstage-Bereiche zu überwachen und die Künstler von A nach B zu bringen. Um Massenaufläufe zu verhindern, nutzen die Stars deshalb auch die Treppenhäuser, die sich außerhalb des Gästebereichs befinden und sonst nur für die Crew bestimmt sind. „Im Theatrium schaffen wir eine Art Wohnzimmer-Atmosphäre, die einzigartig ist. Ich glaube, dass Sido sonst nicht so greifbar ist wie bei uns. Das ist auf der einen Seite super, auf der anderen Seite gibt es dadurch keine Barriere.“ Dass die Künstler wirklich nahbarer sind als sonst, ist zu merken. Gentleman läuft tagsüber gelassen durchs Theatrium und knipst jede Menge Selfies. Auch Loona wird von den Fans eingenommen, sobald sie entdeckt wird. Zu keinem Zeitpunkt hat man aber das Gefühl, dass die Gäste irgendwie unangenehm oder aufdringlich werden.

Nur Sido zieht sich ziemlich zurück und lässt sich nur selten außerhalb des Promi-Bereichs blicken. Das ist aber auch kein Wunder, schließlich sind Fans extra für ihn angereist und haben sich teilweise schon zwölf Stunden vor dem Auftritt Plätze im Theatrium reserviert. Würde der Rapper einfach so ohne Security übers Schiff laufen, würde die Situation schon anders aussehen. Trotzdem kam Sido am letzten Abend zum Auftritt von Gentleman und besuchte nachts um drei Uhr sogar mal die Disco.

Plötzlich tauchte Sido in der Disco „D6“ auf.
Plötzlich tauchte Sido in der Disco „D6“ auf.Aida Cruises

Übrigens: Vor dem Ablegen am ersten Abend hatte Sido noch einen ganz speziellen Wunsch: ein Krabbenbrötchen. Das musste eine Mitarbeiterin aber extra in Hamburg besorgen, weil es auf dem Schiff keine Krabben gibt.

Fazit: Lohnt sich eine Festival-Kreuzfahrt?

Trotz viel Party-Stimmung an Bord kann man den Menschengruppen, die zum Feiern und Trinken auf dem Schiff sind, aber auch aus dem Weg gehen, wenn man das Bedürfnis hat. Jeder Gast hat die Chance, sein eigenes Ding zu machen, das ist das Gute. Man kann beinahe durchgehend Party machen und alle Konzerte besuchen. Will man aber um zehn Uhr ins Bett gehen, ist das auch kein Problem. Der entscheidende Vorteil: Man muss nicht auf den lauten Zeltplatz, wo es keine Chance auf Ruhe gibt. Schließt man hinter sich die Kabinentür, bekommt man so gut wie nichts von der Geräuschkulisse im Theatrium, dem Beach Club oder der Disco mit.

Man muss nicht aufs Dixiklo, man muss nicht ungeduscht ins Bett, man muss sich keine Gedanken ums Essen machen und nicht nur von Dosenravioli leben – für diejenigen, die gerne ein bisschen Komfort haben und trotzdem nicht aufs Festival-Gefühl verzichten möchten, ist so eine „Festival Cruise“ die ideale Lösung.

Mein abschließendes Fazit: Nachdem ich in meinen 20ern ein paarmal auf einem normalen Festival gewesen bin, habe ich in meinen 30ern entschieden, dass diese Art von musikalischer Unterhaltung nichts mehr für mich ist. In meinen 40ern kann ich mir tatsächlich vorstellen, nicht nur beruflich, sondern auch privat mal wieder ein Festival zu besuchen – dann aber nur auf einem Kreuzfahrtschiff. ■