Mystische Zeit zwischen den Jahren

Verrückte Rituale der Raunächte

Zwischen Couch, Kerzen und Geisterglaube. Warum man jetzt keine Wäsche waschen soll – und weshalb die Raunächte plötzlich wieder total angesagt sind.

Author - Jana Hollstein
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Die Raunächte sind die magische Zeit zwischen den Jahren.
Die Raunächte sind die magische Zeit zwischen den Jahren.Freepik

Weihnachten ist vorbei, aber das neue Jahr hat noch nicht angefangen – die Zeit „zwischen den Jahren“ empfinden viele oft als zeit- und orientierungslos. Die meisten Menschen arbeiten in der Zeit nicht, und doch ist es draußen so dunkel, war die Adventszeit so anstrengend, dass die meisten am liebsten faul auf der Couch bleiben. Das Gefühl ist nichts Neues. Schon seit Jahrhunderten halten wir die Zeit zwischen den Jahren für eine Zeit, die irgendwie anders ist – und haben Mythen und merkwürdige Bräuche ins Leben gerufen.

In alter Tradition dauern die Raunächte zwischen drei und zwölf Nächten. Je nach Region und Glauben fangen sie irgendwann zwischen dem 21. Dezember, der Wintersonnenwende, und dem 1. Januar an, und gehen bis zum 5. oder 6. Januar – die meisten orientieren sich heute an der Zeit von Weihnachten bis zum 6. Januar.

In der Zeit herrschen laut altem Volksglauben keine Gesetze der Natur mehr, sondern die anderer Welten. Geister und Dämonen schließen sich der Wilden Jagd an und folgen, je nach Region, Figuren wie Odin, Frau Holle oder Perchta durch die Lande. Die Amerikaner haben Halloween, wo die Dämonen angeblich Ausgang haben – wir haben die Raunächte.

Verrückte Rituale für die Raunächte

Für die Zeit der Raunächte gelten für Sterbliche daher feste Regeln. Wenn die Wilde Jagd vorbeizieht, darf man keine Wäsche waschen und aufhängen, Geister könnten sich sonst drin verfangen und das weiße Laken wird zum Leichentuch. Haare und Nägel dürfen in der Zeit zwischen den Jahren nicht geschnitten werden, sonst drohen Gicht und Kopfweh. Ordnung soll gehalten werden (Geister lieben das Chaos), aber man sollte keine größeren Putz- oder Aufräumaktionen machen – sonst bringt man den Ballast ins neue Jahr.

Andere Bräuche waren abhängig von der Region: Im Erzgebirge bestreute man zum Beispiel für jeden Monat eine Zwiebelschale mit Salz – je feuchter die Zwiebel am nächsten Morgen, desto regenreicher der Monat. Auch das sogenannte Bleigießen kommt aus dem alten Volksglauben rund um die hellseherischen Mächte der Raunächte, und das Silvesterfeuerwerk sollte bekanntlich ursprünglich Dämonen vertreiben.

Rituale für heute: Was man zu den Raunächten machen kann

Mit vielen dieser alten Rituale können die meisten heute nicht viel anfangen (auch wenn es Spaß macht, darüber zu lesen, wie seltsam Menschen früher waren). Aber gerade über Social Media ist Spiritualität schon längst wieder Trend, und immer mehr Menschen nutzen die Zeit, um mit dem Jahr abzuschließen. Die selbsternannte „Kräuterhexpertin“ Michelle lebt auf ihrem Social-Media-Kanal neuseenkraut die Raunächte und übernimmt auch alte Rituale. Sie räuchert zum Beispiel gerne ihre Wohnung mit Harzen und Kräutern und sagt: „Das ‚Rau‘ in Raunächte kommt tatsächlich vom Räuchern und dieser Rauch soll die Unsichtbaren, die, die nicht mehr unter uns weilen, sichtbar machen.“

Aber auch die TikTokerin Louisa Dellert ist Fan von den Raunächten geworden, wenn auch ganz anders. Sie redet auf ihrem Kanal eigentlich über gesundheitliche Themen und Schönheitsideale, liebt aber die alten Rituale in der Zeit zwischen den Jahren: „Die Raunächte waren früher eine Zeit des Innehaltens, des Zusammenkommens, des Insichgehens, sich ausruhen. Genau das probiert man heute noch nachzuspüren.“ Sie nutzt die Raunächte, um Zeit für sich zu haben und mit dem Jahr abzuschließen.