Behörden-Irrsinn

Essen Sie Dresdner Stollen auf der Straße? Amt sagt ja und kassiert

Das Umweltbundesamt stuft den traditionellen Kuchen als Fastfood ein und verlangt eine Extra-Abgabe auf die Kunststoff-Verpackung.

Author - Berliner KURIER
Teilen
Ist Dresdner Christstollen Fastfood? Behörden sagen Ja und verlangen eine Extra-Abgabe.
Ist Dresdner Christstollen Fastfood? Behörden sagen Ja und verlangen eine Extra-Abgabe.epd/Imago

Schnell verputzt ist er ja, aber ist Dresdner Christstollen deshalb auch gleich Fastfood? Das Umweltbundesamt hat entschieden, dass der 750-Gramm-Stollen, der üblicherweise in einer Folie verpackt ist, ein „To-Go“-Produkt ist und unter das Einwegkunststoffgesetz fällt. Deshalb ist eine Abgabe fällig! Die sächsischen Bäcker sind sauer und laufen Sturm gegen diesen bürokratischen Schildbürgerstreich aus Berlin!

Ist Christstollen eine Art Sandwich?

Der Kaffee im Pappbecher zum Mitnehmen, das Stück Pizza auf die Hand oder auch die Einwegverpackung aus dem Imbiss für die Salatschale zur Mittagspause. All diese Einwegverpackungen fliegen nach dem Verzehr in den Müll. Damit Verbraucher weniger Abfall produzieren und auch die Hersteller an den Kosten der Müllbeseitigung beteiligt werden, gilt das Einwegkunststoffgesetz. Es verpflichtet zum Zahlen einer Extra-Abgabe. Pro Kilogramm Gesamtgewicht sind das 87 Cent auf Tüten und Folienverpackungen. Und diese Abgabe soll jetzt auch für verpackte Dresdner Christstollen gelten!

Bäcker in Dresden sind darüber empört, dass ein ausgewachsener Christstollen so behandelt werden soll wie ein schnell verzehrtes Sandwich aus der Plastikfolie. Sogar Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) versteht die Welt nicht mehr: „Solche Regelungen versteht kein Mensch. Wer soll ernsthaft glauben, dass jemand einen 750-Gramm-Stollen im Winter direkt unterwegs verzehrt? Schon der Staubzucker macht das unmöglich“, erklärte Panter. Stollen als To-Go-Produkt einzustufen, wirke „wie ein moderner Schildbürgerstreich“ und sei genau die Art von unnötiger Bürokratie, die die Leute zu Recht aufrege.

So isst man Christstollen nach Meinung des Umweltamts Sachsen: unterwegs aus der Hand wie einen Döner.
So isst man Christstollen nach Meinung des Umweltamts Sachsen: unterwegs aus der Hand wie einen Döner.Kristin Schmidt/dpa

Es gebe schon genug Ärgernisse im Alltag der Betriebe, man dürfe ihnen nicht noch realitätsferne Hürden aufbürden. Natürlich sei es wichtig, die Umwelt zu schützen. „Aber dabei sollten wir den gesunden Menschenverstand im Blick behalten und keine Regeln schaffen, die an der Realität vorbeigehen.“

Stollen ist kein Fastfood für zwischendurch

Die FDP hatte die Regelung als „Bürokratie-Wahnsinn“ und als „Angriff“ auf das sächsische Handwerk bezeichnet. „Kein Mensch isst einen Dresdner Christstollen unterwegs aus der Hand. Diese Einstufung ist absurd und zeigt, wie weit sich die Bürokratie inzwischen von der Lebenswirklichkeit entfernt hat“, erklärte FDP-Chef Matthias Schniebel. „Wer Stollen wie Fastfood behandelt, hat nichts verstanden – weder vom Handwerk noch von Kultur und Tradition in Sachsen.“

Nach den Worten der SPD-Landtagsabgeordneten Simone Lang sind Bäcker in den vergangenen Jahren ohnehin schon mit Preissteigerungen bei den Zutaten konfrontiert worden. Sie forderte das Umweltbundesamt auf, die Allgemeinverfügung zu überdenken und eine praxistaugliche Lösung zu finden. (dpa)