Das werden die Wenigsten gerne hören, was Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) da jetzt in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verkündete: Die Deutschen arbeiten zu wenig! „Der demographische Wandel und die weiter steigende Lebenserwartung machen es unumgänglich: Die Lebensarbeitszeit muss steigen“, so die steile These der Politikerin. Arbeiten also bis 70 oder zum Sankt Nimmerlein? Von der Schreibtischwarte der Ministerin aus gesehn, eine vielleicht nachvollziehbare Äußerung. Der Dachdecker, der Jahrzehnte bei Wind und Wetter in luftiger Höhe verbracht hat, dürfte da eine andere Perspektive haben.
Ist Ministerin Reiche eine Fehlbesetzung?
Und so bekommt die Dame dann zu Glück auch kräftigen Gegenwind, telweise aus ihrer eigenen Partei, nämlich vom CDU-Sozialflügel. CDA-Bundesvize Christian Bäumler sieht Reiche als Fremdkörper in der Bundesregierung. Ihre Forderungen hätten keine Grundlage im Koalitionsvertrag. „Wer als Wirtschaftsministerin nicht realisiert, dass Deutschland eine hohe Teilzeitquote und damit eine niedrige durchschnittliche Jahresarbeitszeit hat, ist eine Fehlbesetzung“, sagte er.
Auch die Gewerkschaften sind nicht amused: Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte vor einer Erhöhung des Rentenalters. „Für gute Renten muss jetzt auf der Einnahmeseite der Rentenversicherung mehr reinkommen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.
Beifall von der Wirtschaft
Ganz begeistert über den Vorstoß der Ministerin ist naturgemäß die Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger meint. „Wirtschaftsministerin Reiche spricht Klartext – und das ist gut so. Wer jetzt mit Empörung reagiert, verweigert sich der Realität“. Die CDU-Politikerin fordere eine umfassende Reformagenda, die auch die sozialen Sicherungssysteme einschließt.