Nach Messerattacke

Zwei Polizisten packen aus: Wenn der Streifenwagen zur Kampfzone wird

Ein Beamter wird mit einem Messer am Hals verletzt, zwei Tage vorher wird ein Kollege bei einer Demo niedergetrampelt. Zwei Berliner Polizisten schildern, wie alltäglich Gewalt im Dienst geworden ist.

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Bei einer Propalästinensischen Demonstration kam es am Donnerstag zu heftigen Ausschreitungen im Berliner Bezirk Kreuzberg. Ein Polizist wurde nuiedergetrampelt.
Bei einer Propalästinensischen Demonstration kam es am Donnerstag zu heftigen Ausschreitungen im Berliner Bezirk Kreuzberg. Ein Polizist wurde nuiedergetrampelt.Christophe Gateau/dpa

Die Berliner Polizei steht unter Druck – nicht nur durch eine wachsende Arbeitslast, sondern auch durch die Eskalation der Gewalt gegen Einsatzkräfte. Innerhalb von nur zwei Tagen werden zwei Beamte bei Einsätzen schwer verletzt: Ein 31-jähriger Polizist wird in der Nacht zu einem Samstag in Berlin-Neukölln lebensgefährlich mit einem Messer attackiert und nur durch eine Notoperation gerettet. Zwei Tage zuvor wird ein Kollege bei einer Demonstration zu Boden gerissen und verletzt.

In den Reihen der Berliner Polizei macht sich die Nachricht über die Angriffe rasch breit – kein Wunder, bei rund 18.000 Vollzugsbeamten. Zwei von ihnen geben im Tagesspiegel Einblick in einen Dienstalltag, der zwischen Routine und brutaler Realität pendelt.

Ein erfahrener Hauptkommissar, seit zwei Jahrzehnten vor allem im Bezirk Wedding unterwegs, beschreibt einen Berufsalltag, der zwischen ruhigen Streifengängen und Einsätzen schwankt, bei denen höchste Vorsicht geboten ist.

An vielen Tagen bleibt es bei Personenkontrollen, Anzeigen wegen kleinerer Auseinandersetzungen an U-Bahnhöfen oder belanglosen Zwischenfällen. Doch es gibt eben auch diese anderen Tage – an denen sich schon beim Aussteigen aus dem Streifenwagen die Hand instinktiv zur Waffe bewegt, weil die Lage sofort brenzlig erscheint.

Kein Respekt vor weiblichen Polizisten

Besonders bei Massenschlägereien, etwa am Bahnhof Gesundbrunnen, wo sich dutzende Männer mit Fäusten, Stöcken und Messern attackieren, stoßen normale Streifen schnell an ihre Grenzen. Dann braucht es Verstärkung – ganze Mannschaftswagen voller Beamter.

Gerade bei gewaltbereiten Gruppen mit Bandenstruktur, häufig mit Wurzeln im Kaukasus und nicht selten mit kriegsgeschultem Hintergrund, steigt die Anspannung sofort, so der Beamte im Tagesspiegel. Die körperliche Auseinandersetzung ist oft unausweichlich – und aus Sicht mancher Beamter schlicht überholt. Der Wunsch nach technischer Unterstützung, etwa in Form von Tasern, wird immer lauter. Diese könnten viele gefährliche Situationen bereits im Vorfeld entschärfen – ohne dass es zu Schusswaffeneinsätzen kommt.

Der Süden Berlins – An der Grenze zur Eskalation

Auch eine Polizeihauptmeisterin aus dem südlichen Teil der Hauptstadt berichtet von zunehmender Gewaltbereitschaft, vor allem aus Gruppenkonstellationen. Schon ab einer Handvoll Männer kippt die Stimmung oft in Richtung Bedrohung.

Beleidigungen und verbale Entgleisungen gehören zur Tagesordnung – Anzeige wird meist nur erstattet, wenn die Personalien der Störer gesichert werden können. Doch gerade in solchen Momenten fehlen oft weitere Kräfte.

Im Vergleich zu früheren Jahren beobachtet sie eine spürbare Veränderung im Verhalten vieler Menschen: Die Geduld ist geringer geworden, der Umgangston rauer. Besonders auffällig sei eine gesteigerte Aggressivität bei jungen Männern mit familiären Wurzeln im Nahen Osten – auch wenn viele von ihnen deutsche Staatsbürger sind. Der Respekt gegenüber weiblichen Beamten fehle bei einigen völlig.

Ermittler der Polizei durchsuchen den Tatort nach Spuren. Hier wurde ein Polizist mit einem Messer attackiert.
Ermittler der Polizei durchsuchen den Tatort nach Spuren. Hier wurde ein Polizist mit einem Messer attackiert.Morris Pudwell

Hinzu kommen Einsätze mit psychisch labilen Personen oder unter Drogeneinfluss stehenden Menschen. Diese erkennen mitunter nicht einmal, dass es sich bei den Uniformierten um Polizei handelt – geschweige denn, dass sie sich helfen lassen wollen. In solchen Momenten kann ein Routineeinsatz in Sekunden in eine unkontrollierbare Situation umschlagen.

Gewalt gegen Polizei – eine alarmierende Bilanz

Die Zahlen des Bundeskriminalamts aus dem Jahr 2023 sprechen für sich: Etwa 106.000 Polizeikräfte wurden Opfer von Gewalt – zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Täglich geraten durchschnittlich 290 Beamte bundesweit in gewalttätige Auseinandersetzungen.

Kritiker, auch aus den eigenen Reihen, warnen jedoch davor, die Statistik zu überbewerten. Die Gewalt an sich habe sich womöglich nicht grundlegend verändert – wohl aber die Wahrnehmung und die Bereitschaft zur Anzeige.

Die Gewerkschaften der Polizei, DPolG und GdP, machen sich verstärkt für den Einsatz von Tasern stark. Diese sollen immer dann eingesetzt werden, wenn Pfefferspray oder körperlicher Zwang nicht mehr ausreichen – aber ein Schusswaffengebrauch noch nicht zu rechtfertigen ist. Für viele Polizisten könnten solche Mittel den entscheidenden Unterschied ausmachen – zwischen Deeskalation und Eskalation, zwischen Verletzung und Unversehrtheit.

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