Ein blutiger, letztlich tödlicher Streit unter Männern schockiert auch zwei Tage nach der Tat in Berlin-Reinickendorf. Was tatsächlich genau vorgefallen war, ist weiterhin Gegenstand von Ermittlungen, doch in den sozialen Medien haben einige das Urteil längst gefällt: Das Opfer sei schuld.
Berlin-Reinickendorf am frühen Mittwochmorgen: Eine Gruppe von fünf Handwerkern gerät mit einem Obdachlosen in Streit. Was genau Anlass des Streites ist, bleibt unklar. Mehrere Medien berichten übereinstimmend, die sechs Männer seien in einer örtlichen Bäckerei aufeinandergetroffen. Der Obdachlose habe einen der Handwerker beleidigt. Der Bäckereibesitzer habe diesen daraufhin des Geschäfts verwiesen.
Kehrte Obdachloser mit Machete zur Bäckerei zurück? Staatsanwaltschaft bestätigt dies nicht
Was dann passiert, versuchen Staatsanwaltschaft und Polizei derzeit zu rekonstruieren: Medienberichten zufolge sei der Deutsche, der in einem Obdachlosenheim wohnt, mit einer Machete bewaffnet in die Bäckerei zurückgekehrt. Dass dieser aber tatsächlich eine Machete dabei hatte, wollte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag nicht bestätigen. Zeugen zufolge soll der Obdachlose dann einen der Handwerker angegriffen haben. Obwohl eine Machete eine gefährliche Waffe ist, gibt es keine Hinweise darauf, dass der mutmaßlich Angegriffene dabei verletzt wurde.
Vielmehr drehte sich die Situation offenbar in Sekundenschnelle um: Die Gruppe von fünf Handwerkern - es soll sich um Dachdecker gehandelt haben, machten Jagd auf den Obdachlosen: schnell stellten sie den Mann. Zwei der fünf schlugen Polizeiermittlungen so gnadenlos auf ihr Opfer ein, dass es an den Folgen der Verletzungen starb. Ob dabei, wie von Medien berichtet, ein Baseballschläger zum Einsatz kam, wollte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag auch nicht bestätigen. Fest steht: Ermittelt wird wegen eines Tötungsdeliktes gegen zwei der Handwerker im Alter von 24 und 50 Jahren, die drei anderen wurden freigelassen.
In sozialen Medien Rufe nach Selbstjustiz: Täter werden heroisiert, Opfer sei „selbst schuld“
Obwohl der Tathergang unklar ist und Zweifel an einigen der zunächst berichteten Details besteht, wurde in den sozialen Medien bereits am Tag der Tat ein Urteil gefällt: gegen das Opfer. Dies sei ja selbst schuld. Die Täter hingegen wurden von einigen, überwiegend der rechtsextremen Szene zuzuordnenden Accounts heroisiert: „Die Bürger schützen sich selbst, da der Staat offensichtlich versagt“, heißt es in einem Kommentar unter einem ersten KURIER-Bericht - 117 Likes gibt's dafür, Einwände sucht man vergebens. „Null Mitleid“, äußert sich eine Userin. „Eine Bürgerwehr sollte man überall gründen“, heißt es in einem weiteren Kommentar.
Selbstjustiz wird in Deutschland streng geahndet. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Ausnahmen gelten nur in strengen Grenzen, insbesondere im Zusammenhang mit Selbstverteidigung und Notwehr. Ein Notwehrexzess kann selbst als Straftat verfolgt werden. ■