Unglaubliche Wende im Fall der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung im Görlitzer Park in Berlin: Der Fall wackelt, auch weil das angebliche Opfer nicht zum Prozess nach Berlin anreiste. Der Fall löste eine neue Diskussion über Sicherheitsmaßnahmen im Görlitzer Park aus. Gibt es jetzt Freisprüche für die Angeklagten?
Der Prozess zu einer mutmaßlichen Vergewaltigung im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg steht auf der Kippe. Nachdem die Nebenklägerin am Montag nicht als Zeugin erschienen war, ist noch offen, ob das Verfahren zunächst ausgesetzt wird oder ob das Berliner Landgericht ohne eigene Befragung der Zeugin zu einer Entscheidung kommen wird. Der Vorsitzende Richter Thilo Bartl bat den Anwalt der Frau aus Georgien, noch einmal Kontakt zu der „nicht einfachen Zeugin“ aufzunehmen und mit ihr mögliche Konsequenzen zu besprechen.
Ursprünglich sollte die Nebenklägerin am Montag, dem vierten Verhandlungstag, befragt werden. Sie sagte ihr Kommen jedoch kurzfristig vor dem Wochenende ab. Sie habe sich überfordert gefühlt, erklärte ihr Anwalt Roland Weber im Prozess. Sie habe ihm mitgeteilt, dass sie sich wohl über die Deutsche Botschaft in Tiflis vernehmen lassen wolle. „Ohne die Zeugin kann sich das Gericht keinen Eindruck machen“, sagte Weber am Rande. Sollte eine Befragung nicht möglich sein, sei aus seiner Sicht „ein Freispruch zwingend“.
Das Gericht stellte mehrere Varianten für die Fortsetzung des Verfahrens in den Raum. Möglich sei, ein Rechtshilfeersuchen an Georgien zu stellen, um eine Zeugenaussage der Frau in der Deutschen Botschaft anzustreben. So ein Verfahren könne aber sechs Monate und länger dauern, erklärte der Richter. Zudem sei die Antwort ungewiss. Eine andere Möglichkeit wäre eine Aussetzung des Verfahrens.
Gruppenvergewaltigung ist bisher nicht bewiesen
In dem Fall müsse geprüft werden, ob es weiterhin ausreichend Gründe dafür gebe, die Beschuldigten in Haft zu halten. Eine dritte Variante wäre, die Vernehmungen der Zeugin bei der Polizei heranzuziehen „und das Verfahren alsbald zu beenden“, sagte Bartl. Er halte an dem nächsten Termin Donnerstag (15. Februar) fest, „in der Hoffnung, dass wir mehr wissen“.
Angeklagt sind drei Männer im Alter von 22 und 23 Jahren. Die Berliner Staatsanwaltschaft wirft ihnen besonders schwere Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung und besonders schweren Raub vor. Laut Anklage sollen die Männer mit somalischer und guineischer Staatsangehörigkeit am frühen Morgen des 21. Juni 2023 ein Ehepaar überfallen und die damals 27 Jahre alte Frau vergewaltigt haben. Der Fall hatte eine Diskussion über Sicherheitsmaßnahmen im Görlitzer Park ausgelöst.
Im Fokus steht seit Prozessbeginn ein Handyvideo, über dessen Aussagekraft Staatsanwaltschaft und Verteidigung streiten. Die Sequenz von etwa sieben Sekunden soll einer der drei Angeklagten aufgenommen haben. Zu sehen sind zwei Männer und eine Frau bei sexuellen Handlungen. Nach den Bildern gebe es „keinen Anhaltspunkt für eine Gruppenvergewaltigung mit einer in der Anklage dargestellten Dynamik“, hatte eine Verteidigerin erklärt. Aus Sicht des Staatsanwalts lassen sich Handlungen freiwilliger Natur auf der kurzen Aufnahme nicht feststellen. Zudem seien die Personen nicht identifizierbar.
„Ich bin aber weiterhin zutiefst davon überzeugt, dass es in dem Park eine schwere Straftat gegeben hat“, bekräftigte Anwalt Weber. Das Video soll zehn Minuten vor der mutmaßlichen Vergewaltigung durch einen der Angeklagten gedreht worden sein. Anwohner hätten Hilferufe gehört, seine Mandantin habe Verletzungen davongetragen, sie sei später untersucht worden. ■