Sie wollten in den Himmel und zogen ein Kind mit in den Abgrund: Dorothea L. (42) schnitt ihrer Tochter Elisabeth (11) die Pulsadern auf, dann ihrer Mutter (68), richtete schließlich das Messer gegen sich selbst.
Das Urteil unerwartet hart: Acht Jahre und drei Monate Haft wegen Totschlags an ihrem Kind sowie Tötung auf Verlangen. Ihr mitangeklagter Vater erhielt sechs Jahre wegen Beihilfe zum Totschlag. Der Ankläger hatte nur vier Jahre und drei Monate gegen die Todes-Mutter aus Köpenick verlangt. Auf drei Jahre plädierte er im Fall von Werner L. (71).
Der Richter: „Eine Tat, die man nur als schrecklich bezeichnen kann. Eine Elfjährige wird durch die Hand der eigenen Mutter getötet. Das Kind streckt die Arme entgegen, nimmt tiefe Schnitte bis auf die Knochen hin.“ Elisabeth wurde nicht gefesselt und nicht festgehalten. Der Richter: „Die lebensbrechende Beeinflussung begann viel früher.“ Dorothea L. habe „eigene Ängste ihrer Tochter übergeholfen“. Das Gericht sei allerdings überzeugt: „Elisabeth war nicht des Lebens überdrüssig.“
Der Himmel wurde ihr eingeredet. In einer Familie, in der Mutter, Oma und Opa verabredet hatten, sich umzubringen. An ihre beste Freundin schrieb Elisabeth: „Ich bin mit Mama in den Himmel gegangen. Wir fühlen uns hier nicht mehr sicher. Ich weiß, oben wird es gut sein. Es gibt dort viele Katzen und wir kriegen viele Geschenke“, schrieb sie. Und bat: „Bitte, sei mir nicht böse.“
Eine unheimliche Familie. Sie schottete sich mehr und mehr ab. Die Gedanken düster. Weltverdrossen und mit Lebensangst, unzufrieden mit der Politik. „Bibeltreu und pietistisch“, lebte die Familie laut Ermittler. Ihr Glaube habe auch „spirituell-esoterische Züge“ angenommen. Eine Anwältin: „Streng gläubig.“ Aber seit 2003 keine Kirchgänger mehr: „Sie beteten für sich.“
Bibeltreue Killer-Mutter beim Urteil wie versteinert
Der Richter: „Dorothea L. und ihre Mutter lebten in einem symbiotischen, nicht mehr als gesund zu bezeichnenden Verhältnis.“ Dorothea L. habe „sich selbst ohne ihre Mutter nicht mehr denken können“. Das übertrug sie auf ihre Tochter Elisabeth, kontrollierte sie, forderte Nähe ein. Elisabeth wäre ohne ihre Mutter nicht auf den Gedanken an einen Tod gekommen – „es war für sie unvorstellbar, ohne ihre Mutter zu leben“.
Im Oktober die Bluttat in der Köpenicker Kinzerallee an einem Freitag, den 13. Seit dem Sommer hätten sie geplant, „ins Jenseits überzugehen, an das sie glaubten“. Abschiedsbriefe lagen aufgereiht in der Küche. Alles war aufgeräumt. Dorothea L. schnitt erst ihrer Tochter die Arme auf, dann tat sie es bei ihrer Mutter auf deren ausdrücklichen Wunsch. Danach verletzt sie sich selbst. Doch sie überlebte. Ihr Vater wurde in seiner eigenen Wohnung in der Nähe gefunden – ebenfalls durch Schnitte und Stiche verletzt.
Das Gericht folgte einer Gutachterin: Wegen einer Persönlichkeitsstörung sei Dorothea L. zum Tatzeitpunkt in ihrer Schuldfähigkeit erheblich vermindert gewesen. Die Strafe wäre ansonsten deutlich höher ausgefallen. Werner L. habe die Tatausführung begünstigt. Der Richter: „Er war der einzige Erwachsene in der Familie, der psychisch nicht schwer gestört war.“
Wie versteinert die Mutter beim Urteil. Sie hatte im Prozess erklärt, sie habe keinen anderen Weg gesehen. Und: „Von meiner Tochter und meiner Mutter getrennt zu sein, ist für mich die schmerzlichste und größte Strafe“. Ihre Anwältin hatte keinen konkreten Antrag gestellt, argumentierte: „Sie war das Werkzeug ihrer Mutter“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. ■