Eine Frau wird mit fünf Schüssen regelrecht hingerichtet. Motiv soll ein Sorgerechtsstreit gewesen sein. Auf der Anklagebank in Potsdam sitzen zwei Männer. Sie beschuldigen sich gegenseitig. Anatomie eines abscheulichen Mordkomplotts.
Am 10. Mai 2023 holt die 40-jährige Mathematiklehrerin Carolin G. ihren zweijährigen Sohn Paul (Name geändert) um 14.20 Uhr von der Kita in Berlin ab. Wegen eines seit Monaten andauernden Streits mit dem Vater des Kindes, Björn R., hat das Familiengericht einen Umgangsplan festgelegt, schreibt die Autorin Katrin Bischoff von der Berliner Zeitung, die den Fall minuziös aufgedröselt hat. Carolin G. darf ihren Sohn jedes zweite Wochenende und zweimal pro Woche für einen Nachmittag zu sich nehmen. Sie hat gegen diese Regelung Beschwerde eingelegt.
Gegen 17.30 Uhr bringt Carolin G. ihren Sohn zu Björn R., der in Zehlendorf lebt. Die Übergabe verläuft wortlos und schnell. Anschließend fährt Carolin G. mit ihrem Auto über die Autobahn in Richtung Niemegk. Zwischen 18.10 und 18.15 Uhr, hinter der Anschlussstelle Beelitz auf der A9, kommt es zu einem ungeheuerlichen Vorfall: Ein dunkelgrauer Opel Vectra touchiert ihren Hyundai, wodurch der Seitenspiegel abgerissen wird.
Carolin G. fährt auf den Standstreifen, der Fahrer des Opel folgt und parkt vor ihr. Ein Mann, etwa 1,80 Meter groß, schlank, mit einer Basecap und Kapuze, nähert sich dem Fahrzeug. Er zieht eine 9-mm-Schusswaffe und feuert mehrmals durch das geschlossene Fenster, Carolin G. wird tödlich verletzt. Der Täter schaltet das Warnblinklicht ihres Fahrzeugs ein und fährt gegen 18.17 Uhr davon. Die Leiche wird erst 90 Minuten später von der Polizei entdeckt.
Es gibt weder DNA-Spuren noch die Mordwaffe
16 Monate später schildert Staatsanwältin Maria Stiller im Landgericht Potsdam die letzten Minuten im Leben von Carolin G. und die Ermittlungen. Es gibt weder DNA-Spuren noch die Mordwaffe, aber Stiller führt Indizien wie Zeugenaussagen und Textnachrichten an, um ihre Darstellung des Tathergangs zu untermauern.
Auf der Anklagebank sitzen Björn R. und sein Schulfreund Benjamin K., die laut Stiller gemeinsam den Mord geplant und durchgeführt haben. Sie betrachtet den Mord als heimtückisch, aus niedrigen Beweggründen und Habgier begangen.

Während die Angeklagten sich gegenseitig beschuldigen und die Verantwortung abstreiten, sieht Stiller das Motiv bei Björn R., der das alleinige Sorgerecht für seinen Sohn anstrebte und Carolin G. gezielt diffamierte. Nachrichtenverläufe zeigen, dass Björn R. den Mord plante und Benjamin K. für die Durchführung anheuerte.
Abgehörtes Telefonat führt zur Verhaftung der mutmaßlichen Mörder
Die Polizei konnte das Tatfahrzeug den Angeklagten zuordnen, und es wurden Widersprüche in Benjamin K.s Darstellung seiner körperlichen Einschränkungen aufgedeckt. Ein abgehörtes Telefonat führte schließlich zur Verhaftung der beiden Männer.
Folgt die Schwurgerichtskammer dem Antrag der Staatsanwaltschaft, dann können Björn R. und Benjamin K. im Falle eines Urteils nicht nach 15 Jahren Haft auf Bewährung entlassen werden. Die Männer haben sich bis zuletzt gegenseitig beschuldigt, ihre eigene Verantwortung abgestritten, ihre Anwälte fordern Freispruch. Weil der letzte Beweis für die Schuld ihrer Mandanten fehle.
Am Freitag soll das Urteil in dem Verfahren gesprochen werden, in dem 182 Zeugen gehört wurden. Der kleine Paul lebt heute bei der Schwester von Carolin G. Er wird sich später vermutlich nicht an seine Mutter erinnern können. ■