Wer meine Kolumnen aufmerksam liest, der weiß: Ich bin ein leidenschaftlicher Wanderer. Jeden Tag geht es vor die Tür, ein fester Programmpunkt in meiner Routine. Entweder morgens oder abends treibt es mich zwischen acht und zehn Kilometer durch meinen Kiez. Das mache ich, um meinem Körper etwas Gutes zu tun, denn frische Luft ist bekanntlich gesund. Der kleine Hypochonder, der in mir steckt, hat es momentan aber schwer, denn entlang meiner Lauf-Strecken lauert die Gefahr in den Wipfeln der Bäume. In Form kleiner Raupen, die aussehen, als könnten sie kein Wässerchen trüben.
Eichenprozessionsspinner: Was macht der Kontakt mit den Raupen mit dem Körper?
Normalerweise lausche ich im Frühling und Sommer immer dem Vogelgezwitscher, wenn ich mich auf die Strecke begebe. Doch die Suche nach Piepmätzen ist momentan der Suche nach anderem Getier gewichen: In den üppigen Eichen-Alleen der Wuhlheide geht der Blick immer wieder in Richtung der Baumkronen – und dort entdecke ich sie: kleine, behaarte Raupen, die an der Baumrinde kleben, umwoben von dünnen Fäden. Es sind die Raupen des Eichenprozessionsspinners, die sich an vielen Ecken Berlins entdecken lassen. Sie sehen so harmlos aus, wie sie da hängen – und doch sind sie, wenn man Experten glaubt, eines der gefährlichsten Natur-Phänomene des Frühlings.
Überall in der Stadt sieht man deshalb mit Flatterband gesperrte Bäume und Warnschilder: Vorsicht, Eichenprozessionsspinner. Etwa an der Nordseite der Trabrennbahn Karlshorst, hier komme ich oft vorbei: Eine üppige Eiche reckt die Äste der Sonne entgegen – und das genießen auch die Gift-Raupen, die sich am Stamm festgesetzt haben. Vor allem an einzelnen Bäumen, die noch dazu von der Sonne beschienen werden, fühlen sie sich wohl. Und wenn ich unter der Eiche entlangwandere, erwische ich mich oft, wie ich kurz die Luft anhalte.
Die Brennhaare machen die kleinen Raupen des Eichenprozessionsspinners so gefährlich
Denn die Brennhaare der Raupe sind es, die die Tierchen so gefährlich machen. Sie enthalten ein Nesselgift namens Thaumetopoein, das eigentlich Fressfeinde abhalten soll – und das bei Kontakt schwere allergische Reaktionen auslösen kann. „Die Haut und Schleimhäute reagieren mit Rötungen, kleinen Pusteln und starkem Juckreiz auf das Gift“, heißt es bei der Senatsverwaltung für Gesundheit. Die Reaktion des Körpers wird „Raupendermatitis“ genannt – und ist nicht die Spitze des Eisbergs: Experten warnen auch, dass ein allergischer Schock drohen könnte.

Seien Sie in der Nähe von Eichen besonders vorsichtig – und halten Sie sich vor allem an befallenen Bäumen nicht zu lange auf. Denn die Brennhaare fliegen auch durch die Luft. Und selbst alte Nester, die eigentlich schon nicht mehr bewohnt sind, können dauerhaft eine Gefahr bleiben, wenn sie nicht entfernt werden. Achten Sie vor allem auf Hunde und Kinder, für die die Raupen auf den ersten Blick faszinierend sind, die sich den Tierchen deshalb mit noch weniger Berührungsängsten nähern. Und: Sollten Sie auf die Eichenprozessionsspinner reagieren, gehen Sie bitte zum Arzt und lassen Sie die Symptome abklären.
Raupen-Opfer berichtet: Die Symptome begannen mit weißen Punkten auf der Haut
Das Natur-Phänomen wird sich in unseren Breiten übrigens so schnell nicht erledigen. Denn: Eichenprozessionsspinner sind in allen Bundesländern verbreitet und fühlen sich hier aufgrund des menschengemachten Klimawandels immer wohler. Berlin ist für die Gift-Raupen besonders attraktiv, weil es sie hier in Massen gibt: Eichen-Alleen, das perfekte Zuhause für die Tiere. Das Strandbad Müggelsee muss kommende Woche für drei Tage schließen, weil eine Profi-Firma hier Nester der Raupen entfernen muss, um Badegäste zu schützen. Auf solche und ähnliche Fälle müssen wir uns in der Hauptstadt nun immer mehr einstellen.
Mit all diesen Fakten im Kopf bin ich beim Wandern gerade sehr vorsichtig – und versuche, den besetzten Bäumen nicht zu nahe zu kommen. Und: Bisher blieb mir der Kontakt mit den Raumen auch erspart, zum Glück! Auch sonst findet man sehr wenig über die Auswirkungen der Raupen. In einem Bericht im Lokalblatt „Der Weseler“ schreibt eine Autorin, dass alles mit eher harmlos wirkenden weißen Punkten auf der Haut begann, aus denen später rote Pusteln wurden, die höllisch juckten. Eine Mutter, deren Tochter mit den Raumen in Kontakt kam, erzählt, dass ihre Tochter sich im Schlaf so sehr kratzte, dass sie sie habe festhalten müssen. Haben auch Sie schon einmal Erfahrungen mit den Raupen sammeln müssen? Schreiben Sie mir – ich freue mich auf Ihre Berichte!
Florian Thalmann schreibt jeden Mittwoch im KURIER über Tiere.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com