„Wir im Osten“

Votum gegen Tesla: Es wird sich zeigen, was Volkes Stimme wert ist

Die Mehrheit der Menschen in Grünheide ist gegen den Ausbau der Gigafabrik. Über 100 Hektar Bäume sollen fallen. Doch findet der Wille der Anwohner auch bei den Politikern Gehör?

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Mitarbeiterinnen der Gemeinde Grünheide zählen die Stimmen der Bürgerbefragung zur Tesla-Erweiterung aus. Das Votum war eindeutig gegen den Ausbau. 
Mitarbeiterinnen der Gemeinde Grünheide zählen die Stimmen der Bürgerbefragung zur Tesla-Erweiterung aus. Das Votum war eindeutig gegen den Ausbau. Patrick Pleul/dpa

Als ich mit einer Bekannten über mein heutiges Kolumnen-Thema sprach, sagte sie scherzhaft: „Ihr im Osten seid auch mit gar nichts zufrieden. Erst beklagt ihr, dass der Aufschwung Ost nicht kommt. Und ist er da, ist es auch nicht recht.“ Sie spielte auf die Tesla-Gigafabrik in Grünheide an, gegen deren Ausbau sich nun die dortigen Bürger mehrheitlich aussprachen.

Zur Erinnerung: Für das Tesla-Werk wurden bereits über 300 Hektar Kiefern-Forst gerodet. Nun wollen die Amis aber noch weitere über 100 Hektar für den Ausbau der Infrastruktur inklusive neuen Güterbahnhofs zur Verschickung ihrer E-Autos plattmachen.

Ich kann verstehen, dass es der Mehrheit der Grünheider reicht, ständig nach der Pfeife eines US-Investors tanzen zu müssen. Und so stimmten bei der Bürgerbefragung 3499 Anwohner gegen den Ausbau, nur 1882 sagten Ja. Das ist ein ganz klares Votum.

Was Volkes Stimme wert ist, wird sich jetzt zeigen. Gerade in Zeiten, wo die Politik gerne an den Sorgen in der Bevölkerung vorbei regiert. Man muss sich nicht wundern, dass die Menschen zu Recht auf die Volksvertreter sauer sind. Tesla in Grünheide ist ein gutes Beispiel dafür.

Bereits vor Jahren, als die Ansiedlung von Tesla zwischen Berlin und Brandenburg losging, wurden Menschen, die das Vorhaben kritisierten, als investorenfeindlich abgestempelt. Ihr Argument, dass jemand, der umweltfreundliche E-Autos baut, nicht automatisch auch umweltfreundlich sein muss, verstimmte vor allem das grün regierte Umweltministerium in Brandenburg.

Das Tesla-Werk in Grünheide: Die Gigafactory soll noch gigantischer werden. Doch dagegen wehrt sich die Mehrheit der Anwohner.
Das Tesla-Werk in Grünheide: Die Gigafactory soll noch gigantischer werden. Doch dagegen wehrt sich die Mehrheit der Anwohner.Patrick Pleul/dpa

Schon zum Tesla-Start hörte man nicht auf die kritischen Stimmen

Dort scheint es bis heute kaum jemanden zu stören, dass das Tesla-Werk mit großem Landopfer nahe einem Trinkwasserschutzgebiet gebaut wurde. Mich hat es echt gewurmt, dass ausgerechnet die Grünen, denen sonst der Umwelt- und Naturschutz so heilig ist, den milliardenschweren US-Investor Elon Musk wie einen Messias feiern, nur weil er E-Autos baut.

Na gut, das viele Geld und die Tausenden neuen Jobs, die Tesla-Eigner Elon Musk ins Land bringt, da sage ich auch nicht Nein. Aber man hätte die Gigafabrik wenigstens an einem weniger sensiblen Ort als Grünheide ansiedeln können – etwa auf einem einstigen Braunkohletagebau-Areal in der Lausitz.

Doch das wurde nach meiner Meinung vom Umweltministerium und anderen Behörden gar nicht ernsthaft geprüft. Die Nähe zu Berlin klingt ja politisch auch irgendwie bedeutender als ein Kaff irgendwo in der märkischen Pampa.

Und man hat auch nicht auf die Experten gehört, die befürchteten, dass die Abwässer und Abfälle von Tesla, die alles andere als umweltfreundlich sind, in das Trinkwasserschutzgebiet bei Grünheide sickern könnten. Und was ist passiert? Erst in dieser Woche erklärte der Wasserverband in der Region, dass im Tesla-Abwasser massiv die Schadstoffgrenzwerte überschritten werden. Auf Abmahnungen pfeift das Unternehmen offenbar.

Anwohner schauen sich auf einer Karte den Tesla-Ausbau an. Im Umfeld des Werkes gibt es viele Bäume, die man noch fällen kann. Doch das wollen die Bürger nicht.
Anwohner schauen sich auf einer Karte den Tesla-Ausbau an. Im Umfeld des Werkes gibt es viele Bäume, die man noch fällen kann. Doch das wollen die Bürger nicht.Christophe Gateau/dpa

Tesla ist für die Region wichtig, aber nicht alles dient dem Umweltschutz

Und wie ist es mit den Jobs? Auch da schert sich Tesla-Boss Musk offenbar nicht, was die Politiker und unsere Gesetze zum Einhalten des Arbeitsrechts sagen.

Nun will Tesla größer werden – und in ein paar Jahren vielleicht noch größer. Es gibt noch viele Bäume, die man in Grünheide fällen kann. Doch den Menschen reicht es, sie haben genug von den Beschwichtigungen der Politiker, dass es mit Tesla schon werden wird.  Jetzt haben sogar Aktivisten Teile des bedrohten Waldes besetzt, weil sie befürchten, dass sich die Politik nicht an die Spielregeln halten wird.

Denn wer in einer Demokratie Menschen über die Zukunft ihrer Region mitbestimmen lässt, muss dann auch nach ihrem mehrheitlichen Votum handeln. Ich hoffe, dass die Politiker bei der Entscheidung zur Ausbau-Genehmigung doch einmal auf Volkes Stimme hören und nicht nur auf die schönen Reden eines Investors, der vieles verspricht und sich an so manches nicht hält.

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com