Es gab Zeiten, da strotzte Berlin nur so vor Ideen. Man erdachte sich Wahrzeichen wie die einmalige Weltzeituhr auf dem Alex, kluge Köpfe erfanden eine Kamera, die noch heute um den Mars fliegt. Weltstars lebten in der Stadt, die begeistert von der Berliner Kulturszene waren. Techno samt der Love-Parade wurden hier geboren, Multikulti herrschte an der Spree. Voller Stolz sang man einst in Werbespots zurecht: „Berlin, du bist so wunderbar!“
Und heute? Da versinkt Berlin oft Einfallslosigkeit, obwohl man Gutes vorhat. Beispiele gefällig?
Da wäre die jüngste Panda-Taufe im Zoo. Die Zwillings-Girls heißen nun offiziell Meng Hao und Meng Tian, also „Guter Traum“ und „Süßer Traum“. Recht einfallsreich ist das gerade nicht. Schließlich heißt Panda-Mama Meng Meng schon „Träumchen“. Und Pit und Paule, die sie vor fünf Jahren auf die Welt brachte, wurden auf Meng Xiang („Ersehnter Traum“) und Meng Yuan („Erfüllter Traum“) getauft. Gut, das waren die Chinesen, die sich hier einfallslos zeigen. Vermutlich ist für sie jeder der seltenen Pandas auf dieser Welt ein wahrer Traum.
Panda-Taufe im Zoo: Ist Leni wirklich ein guter Name für ein Bären-Baby?
Traumhaft schön klingen zunächst auch Leni und Lotti, die die Panda-Babys als Spitznamen erhielten. Knackige Berliner Namen hatte sich der Zoo-Direktor gewünscht. Bei Leni habe ich da meine Zweifel.
Laut Zoo soll diese Koseform für Marlene stehen, so an die legendäre Schauspielerin Marlene Dietrich erinnern. Eigentlich müsste ich froh sein, denn Marlene war aus diesem Grund auch mein Vorschlag gewesen.
Doch als Ur-Berliner, der ich nun einmal seit 58 Jahren bin, habe ich ja so manche berlinerische Verniedlichung für Marlene gehört, etwa Lenchen oder Lene – aber noch nie Leni! Zumal der Name mich und viele andere nicht an die Dietrich sondern sofort an eine Berlinerin erinnert, die der Zoo garantiert nicht ehren will – Leni Riefenstahl, die für die Nazis Propaganda-Filme drehte. Offensichtlich hat da bei der Panda-Namenswahl keiner daran gedacht.
Nun muss ich dem Zoo aber auch zugutehalten, dass Leni in letzter Zeit sehr oft in der Stadt wie auch bundesweit verstärkt zu hören ist. Schuld ist Supermodel Heidi Klum, die vor 20 Jahren ihre Tochter Leni taufte. Seit dem hat Leni in Deutschland Hochkonjunktur. Ein typischer Berliner Name ist er dennoch nicht.
Weihnachtstruck zum Breitscheidplatz: Ist der Weihnachtsmarkt-Anschlag schon vergessen?
Das Prädikat „Einfallslos“ verdient leider auch eine andere Sache, die ebenfalls Gutes bewirken soll. Mit einem Weihnachtstruck will Unternehmerin Janina Martig am 10. Dezember in der Kantstraße direkt am Weihnachtsmarkt Breitscheidplatz halten. Sie möchte mit Bezirksstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) Geschenke an Kinder und Jugendliche verteilen, die sonst zu Weihnachten nicht reich beschenkt werden können.
Doch mit einem Laster ausgerechnet am Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz vorzufahren, in dem vor acht Jahren der Terrorist Anis Amri mit einem Sattelzug krachte, ist echt keine gute Idee. Der islamistische Anschlag, kostete am Ende 13 Menschen das Leben. Nun in der Nähe dieses Ortes mit einem Geschenkelaster aufzukreuzen, ist meiner Meinung nach nicht nur einfallslos, sondern auch recht gedankenlos.

Einfallslosigkeit herrscht auch im Berliner Senat – und damit sage ich eigentlich nichts Neues. Neu aber ist, dass man in Zeiten des Sparzwanges Immobilienhaien Millionen Euro an Steuergeldern in den Rachen wirft, deren Schrottimmobilien mieten will, um dort insgesamt 3.000 Flüchtlinge unterzubringen.
Über 140 Millionen Euro Miete für zehn Jahre für ein ausgedientes Hotel in Lichtenberg, 157 Millionen Euro Miete, ebenfalls für zehn Jahre, für ein Mega-Bürogebäude in Berlin-Westend. Die Eigentümer dieser Häuser sitzen in Steueroasen und verdienen sich dank des Landes Berlins eine goldene Nase.
Millionen von Steuergeldern für Miethaie, die ihr Geschäft mit Flüchtlingen machen
Sicher, die Berliner Flüchtlingsunterkünfte platzen aus allen Nähten. Allein am einstigen Flughafen Tegel, wo über 5.000 Flüchtlinge derzeit leben. Und die Lage dort ist ernst. Aber: Ein Großteil, der längst einen genehmigten Asylantrag hat, müsste dort gar nicht sein. Sie sitzen dennoch in staatliche Einrichtungen, weil sie auf dem teuren Wohnungsmarkt der Stadt keine bezahlbare Bleibe finden. Hier sind Ideen gefragt.

Doch was macht der Senat: Um Gutes zu tun, also die Lage der Menschen in den Unterkünften zu entspannen, will der Senat nun Flüchtlinge in die nächste Massenunterkunft stecken, die für Millionen Euro angemietet werden sollen. Wie einfallslos und menschenunwürdig ist denn das?
Dabei gibt es Lösungen: Warum versucht man nicht, den Flüchtlingen einige der vielen leerstehenden Wohnungen anzubieten, die es bei den landeseigenen Wohnungsgesellschaften gibt? Und zwar für einen fairen Mietpreis. Nachdenken könnte man darüber, bevor man einfallslos die Millionen Euro der Berliner Steuerzahler den Menschen hinterherwirft, die mit der Not anderer Geschäfte machen.
Norbert Koch-Klaucke schreibt im KURIER Kolumnen über Geschichten aus der Stadt und dem Osten. Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com ■