Kolumne „Wir im Osten“

Angriff auf Israel: Hätte da auch die DDR gejubelt?

Der Terroranschlag der Hamas: Unser Autor erinnert daran, dass auch der SED-Staat gute Beziehungen zu Palästinenser-Gruppen und der arabischen Welt pflegte, um von dem Nahost-Konflikt zu profitieren.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Applaudieren sich zu: DDR-Staatsratsvorsitzender Erich Honecker und PLO-Chef Jassir Arafat bei einem Treffen in Ost-Berlin (1982)
Applaudieren sich zu: DDR-Staatsratsvorsitzender Erich Honecker und PLO-Chef Jassir Arafat bei einem Treffen in Ost-Berlin (1982)Werner Schulze/imago

Ich wurde 23 Jahre alt, als am 9. November 1989 die Mauer fiel. Vielleicht war ich zu jung und noch zu naiv, dass ich damals mit vielen Menschen zusammen glaubte, dass mit dem Wegfall des Eisernen Vorhangs, der Ost und West in zwei feindliche Lager trennte, nun die Welt besser und friedlicher werden würde, weil die bestehenden Feindbilder begannen, sich aufzulösen. Heute, drei Jahrzehnte später, wissen wir alle, dass dieser Wunsch nach Frieden auf der Welt nicht in Erfüllung gegangen ist.

Es ging ja schon nach dem Mauerfall los. Die Kriege im ehemaligen Jugoslawien, in Tschetschenien, in der Golfregion prägten die 1990er-Jahre. Heute geht das Morden weiter – in der Ukraine und seit einigen Tagen auch wieder im Nahen Osten. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel zeigt, dass die Menschheit nicht bereit ist, Konflikte friedlich zu lösen. Und das Allerschlimmste: Das Töten im ungeahnten Maße in Israel wird in Berlin noch bejubelt. Ich finde das beschämend!

In diesem Zusammenhang stellte ich mir die erschreckende Frage: Hätte man in der DDR, wenn es heute den Staat noch geben würde, möglicherweise nicht auch gejubelt? Ja, die Frage ist provokant und eigentlich nicht beantwortbar.

DDR-Propaganda predigte die Abneigung zu Israel und die „brüderliche Liebe“ zur PLO

Wie gesagt, es gibt die DDR nicht mehr. Aber es gibt uns noch, die in diesem Staat einst lebten. Und so mancher von uns wird sich bestimmt daran erinnern, wie die Staatspropaganda in den 70er- und 80er-Jahren versuchte, uns stets die Abneigung der DDR-Machthaber gegenüber Israel und die „brüderliche Liebe“ zur Palästinensischen Befreiungsfront (PLO) einzutrichtern, als schon damals Krieg im Nahen Osten herrschte.

Denn irgendwie musste ja die DDR begründen, warum sie oftmals die Terroranschläge gegenüber Israel gut heißte. Erich Honecker demonstrierte es, in dem er sich gerne mit PLO-Führer Jassir Arafat und den Machthabern von Libyen und anderen arabischen Staaten traf, die bis 1989 sogar mit Waffenlieferungen aus der DDR unterstützt wurden.

Ich habe dazu gerade mit ostdeutschen Historikern gesprochen. Darüber, warum die DDR die arabische Welt im Kampf gegen den jüdischen Staat unterstütze. Denn antisemitisch war der SED-Staat keinesfalls. Und man wollte auch nicht die Vernichtung Israels, so wie es Terrorgruppen noch heute wollen. Also warum? Doch nicht nur aus dem Grund, dass Israel in den Augen der DDR-Propaganda ein imperialistischer Staat war?

Es ging in Wahrheit um die internationale Anerkennung als eigenständige Nation, die der DDR von der westlichen Welt versagt wurde. Arabische Staaten wie Ägypten, Syrien, Libyen, Jemen oder Irak gingen mit dem SED-Staat diplomatische Beziehungen ein, als dieser sich nicht nur mit unterstützenden Worten, sondern auch mit Waffen auf ihre Seite im Nahost-Konflikt schlug.

Auch dank Arafat und Co. gelang es der DDR, dass sie 1973 als eigenständiges Mitglied in die Uno aufgenommen wurde. Und mithilfe der arabischen Staaten konnten auch die wirtschaftlichen Embargos umschifft werden, die der Westen gegen die DDR auferlegt hatte.

Politik ist oft ein schmutziges Spiel, bei dem man bewusst über Leichen geht, um ans Ziel zu gelangen. Die DDR hat es mit ihrem Verhalten zu Israel gezeigt. Auch ohne Waffen aus dem Osten Deutschlands geht das Morden im Nahen Osten nun weiter – und sogar schlimmer als je zuvor. Und am Ende sterben auf beiden Seiten unschuldige Zivilisten. Zum Jubeln gibt es da keinen Grund.

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com