Meine Geschmacksnerven wurden in diesen Tagen arg strapaziert. Eigentlich fing alles recht harmlos an, als mich ein Kollege nach DDR-Rezepten und meinem Urteil befragte. Schließlich weiß er, dass ich aus dem Osten komme und als Hobbyangler auch gerne in der Küche stehe, um den von mir und meiner Frau gefangenen Fisch in ein leckeres Gericht zu verwandeln.
„Kennst du noch Teltower Rübchen, Leipziger Allerlei oder Würzfleisch?“, fragte mich da mein Kollege, ohne dabei zu ahnen, dass er damit ungewollt bei meinem Gaumen ganz schmerzliche Erinnerungen aus meinem kulinarischen DDR-Alltag wieder hervorrief.
In der Tat weiß ich, dass die ostdeutsche Küche seit langem wieder hoch im Kurs steht. Man sieht es zum Beispiel auf Messen wie der Ostpro, die Ende Oktober wieder in Berlin auf der Trabrennbahn Karlshorst stattfindet, und bei der die Besucher massenhaft begeistert auf gute Produkte aus der DDR zugreifen.

DDR-Küche: Bei der Schulspeisung ging es aber nicht immer schmackhaft zu
Und obwohl Kochbücher aus der DDR mit tollen Rezepten wieder sehr gefragt sind, muss ich leider trotz der herrschenden Begeisterung über diese Gerichte sagen: Nicht alles, was in der DDR auf den Tisch kam, hat auch immer wirklich gut geschmeckt. So ging es mir jedenfalls.
Das lag nicht etwa an meiner Mutter oder meiner Oma, die mich als Kind mit Kartoffelpuffer, Eierkuchen oder in Sahne eingelegten Hering (meine Lieblingsspeise) verwöhnten. Es lag an der Schulspeisung. Sicher, es war nicht schlecht, dass es sie in der DDR gab. Aber was man da so vorgesetzt bekam, lässt noch heute meine Geschmacksnerven heftig erzittern.
Mit Grauen denke ich da an Gerichte wie Hühnerfrikassee zurück, das wie ein weißer Brei mit Fleisch aus einem großen grünen Metallkübel einer Großküche auf unsere Plasteteller im Schulkeller landete. Einer unappetitlichen Klebemasse ähnlich, die sofort vom Teller in den Abfallkübel landete. Ja, ich weiß, Essen wegzuwerfen, ist eine Sünde. Sagte schon meine Oma. Doch sie hätte diesen Brei auch nicht angerührt.

Genauso nicht das Huhn, das von uns Schülern abfällig, aber zu Recht, als Gummiadler bezeichnet wurde. Nur ein paar Happen von dem zähen Fleisch – dann war Schluss. Das Vieh landete – na, Sie wissen schon wohin. Bis heute mache ich um Hühnergerichte einen großen Bogen.
Und dann die eingangs erwähnten Teltower Rübchen: Ich weiß, dass man aus ihnen ein wunderbares Gericht zaubern kann. Doch die Großküchen für die Schulspeisung, so war es jedenfalls bei mir, verstanden daraus, eine fürchterliche Suppe zu kochen. Und der Grüne-Bohnen-Eintopf, den ich heute übrigens sehr liebe, wurde mit fettigen Fleischstückchen alles andere als schmackhaft.
Auch so manche Kantinen an den Unis oder in den volkseigenen Betrieben taten es den Schulküchen gleich. Ganz zu schweigen von den Mitropa-Bahnhofsgaststätten, die im Osten ihren Ruf weg hatten und mit ihren Speisen garantiert nicht dafür sorgten, dass heute DDR-Gerichte wieder sehr gefragt sind.
Sollte ich nun die Kochkünste der vielen Frauen und Männer verletzt haben, die sich damals sicher viel Mühe gaben, damit in der DDR jeden Tag in Schulen und Betrieben Tausende von Menschen eine warmes und auch recht preiswertes Mittagsessen erhielten, möchte ich mich hiermit entschuldigen. Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt: Ich war damals auch ein schlechter Esser und ein großer Mäkelfritze.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
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