Der klare KURIER Kommentar

Adventskalender-Wahnsinn vermiest mir die Vorweihnachtsstimmung

Super teure Beauty-Adventskalender sprengen mein Budget für die Vorweihnachtszeit. Wer kauft denn so was? 

Author - Stefanie Hildebrandt
Teilen
Ein Adventskalender mit Pflegeprodukten steht in einem Kaufhaus. Foto: 
Ein Adventskalender mit Pflegeprodukten steht in einem Kaufhaus. Foto: Oliver Berg/dpa

Ich dachte wirklich, wir hätten den Gipfel des Adventskalender-Wahnsinns bereits erreicht. Doch was eine Kollegin mir kürzlich erzählte, setzt der Dekadenz noch ein Hütchen auf.  Da verdienen doch Menschen tatsächlich ihr Geld und ihre Klicks als Influencer damit, dass sie superteure Adventskalender vor laufender Kamera aufrupfen und den Inhalt „testen“.

Klar, wer ein-, zweihundert Euro für einen Adventskalender mit Beautyprodukten ausgibt, will schließlich wissen, was drin ist, oder?  Özlem, die Adventskalendertussi, etwa brüstet sich damit, die meisten Kalender Deutschlands zu testen. Und was holt sie da nicht alles aus der Presse-Kit-Kiste.

Denn Unternehmen schmeißen derzeit mit Adventskalendern für Influencer um sich, in der Hoffnung, den einen oder anderen Käufer abzugreifen. In den Läden stapeln sie sich schon, die teuren Türchen.

Bei Özlem gibt es zum Beispiel den Cult-Beautykalender für 275 Euro oder den Liberty-Adventskalender für 360 Euro. Selbst Karls Erdbeerhof bietet einen Adventskalender für 70 Euro an. Wenn Sie wissen wollen, was drin ist, fragen Sie doch die Tussi. Ich jedenfalls steige aus beim Douglas-After-Christmaskalender für 19,99 – sieben Türchen für die Zeit NACH Weihnachten. Oder beim Angeladventskalender „Hecht und Barsch“ – 100 Euro für den A... bfall. 

Adventskalender für jeden Geschmack, super witzig, super teuer, super doof

Doch ich mache mir nichts vor, es finden sich immer mehr willige Konsumopfer, die Bierkalender, Sex-Spielzeugkalender, Gewürz- oder Tee-Kalender, Kalender mit veganer Kosmetik, Achtsamkeitskalender oder sonst eine Spielart des guten alten Adventskalenders kaufen.  

Kein Witz: Es gibt sogar einen Flachwitz-Adventskalender. Wenn das nicht zum Brüllen ist! Die Idee, sich die Adventszeit zu versüßen und vor allem Kindern das Warten auf Heiligabend zu verkürzen, ist mit diesen oft hochpreisigen Angeboten jedenfalls bis zur Unkenntlichkeit entstellt. 

Und was ist uns die Mutti wert? Doch mindestens 24 Rituals-Böxchen.

Als Mutter stelle ich mir mit Schaudern das Pausen-Mobbing für die Kinder vor, die keinen Legokalender oder Harry-Potter-Kalender oder Baby-Born-Kalender für 40 Euro zu Hause haben, sondern nur einen mit, haltet euch fest, Schokolade. Den armen Vater, dem kein Makita-Präsent-Kalender zuteilwurde, sondern nur eine Rute zu Nikolaus. Und was ist uns die Mutti wert? Doch mindestens 24 Rituals-Böxchen!

Ich fühle mich uralt, wenn ich daran denke, dass ich wirklich Spaß daran hatte, als Kind jeden Tag ein Türchen zu öffnen, hinter dem sich lediglich ein Bildchen befand. Das ist in etwa so von vorgestern wie ins Poesiealbum schreiben, ich weiß. 

Das schönste Adventsgeschenk machten wir uns übrigens einmal gegenseitig, indem wir uns kleine Zettelchen mit lieben Botschaften schenkten. Heute würde ich gleich auf das erste draufschreiben: Bitte, bitte bloß keinen Luxus-Kalender! Abgesehen davon, dass der nur Verpackungsmüll produziert, bin ich zum Glück in der Lage, die Adventszeit ohne Konsumrausch genießen zu können.

Und, wie sehen Sie das? Schreiben Sie uns: leser-bk@berlinerverlag.com oder kommentieren Sie auf Facebook oder X! ■