Zum Jahreswechsel lasse ich es so richtig krachen. Nicht mit Böllern, sondern mit knallharter Musik von einer Band, die am Silvesterabend vor genau 50 Jahren in einem Nachtclub im australischen Sydney ihren ersten Auftritt hatte. Dort erklang damals zum ersten Mal diese Mischung aus hartem Rock ’n’ Roll und fettem Blues, die zum Sound meiner Jugend wurde.
Wie viele Jugendliche in der DDR war auch ich von dieser Band elektrifiziert, als ihre Musik in den späten 70er-Jahren auch Europa erreichte. Wir standen im wahrsten Wortsinn unter Strom, als plötzlich im Westradio „High Voltage“ oder „TNT“ gespielt wurde. Die Rede ist von AC/DC, denen meine Hardrock-Liebe bis heute gehört und die ich sogar mit zwei Ostrock-Legenden teile.

Über diese Wahnsinnsliebe möchte ich hier erzählen. Wann und wo ich ihr begegnete, weiß ich noch ganz genau, so wie jeder im Osten, der in seiner Jugend von dem AC/DC-Virus infiziert wurde. Denn das gehört zu den Dingen im Leben, die man nie vergisst – so wie den ersten Kuss.
Mich erwischte es 1980. Ich war 14, ging in Berlin-Adlershof zur Schule und wurde „Fan“, obwohl ich da noch keinen Song der Band kannte, noch nie ein Foto von den Rockern gesehen hatte, auch nicht wusste, dass in jenem Jahr der Sänger Bon Scott gestorben war und durch den neuen Frontmann Brian Johnson ersetzt wurde.

Es waren vier Buchstaben mit einem Blitz in der Mitte, die auf einmal auf Schulbänken, auf Heften und an Wänden auftauchten. Ja, es waren Schmierereien, die mich magisch anzogen. Und dann hörte ich bei einem Schulfreund zum ersten Mal die Musik, die hinter diesen vier Buchstaben stand. Es war der 1977 entstandene AC/DC-Song „Let There Be Rock“, der aus seinem Kassettenrekorder klang.

Dieser Song war ein wahrer Gottesdienst, Sangespriester Bon Scott lieferte uns eine Predigt, die zu unserem Rock-’n’-Roll-Glaubensbekenntnis wurde. Dazu dieses unglaubliche, fast ewig währende Solo von Gitarren-Gott Angus Young – bei Konzerten dauert es fast 20 Minuten –, das mich und viele andere im Land auf den „Highway To Hell“ brachte. Dieser Kerl, der sich noch immer auf der Bühne wie ein Schuljunge kleidet, war ein sagenhaftes Kraftpaket, dessen unglaubliche Energie sich auf uns übertrug.
Auch die Ostrock-Legenden von den Puhdys und City sind verrückt nach AC/DC

Die Glocke von „Hells Bells“, der Kanonendonner von „For Those About To Rock – We Salute You“: In den 80er-Jahren überschwemmte das West-Radio, später auch die Ost-Sender, uns mit unseren Lieblingssongs. Und die DDR-Jugend saß an ihren Kassettenrekordern und schnitt mit, was das Zeug hielt. Anfang der 80er standen wir vor den Plattenläden Schlange, als im Osten das Album „Highway To Hell“ erschien.
Wer das alles für übertrieben hält, der rede einmal mit dem einstigen Puhdys-Frontmann Dieter Birr. Wenn man Maschine und seinen Gitarren-Kumpel Fritz Puppel (einst City) nach AC/DC fragt, stimmen sie gleich in wahre Begeisterungshymnen ein. Sind AC/DC im Land, findet man die beiden Ostrock-Legenden garantiert unter den Konzertzuschauern.

An dieser Stelle danke ich meinen Eltern, dass sie es so lange mit mir und meiner Rock-Liebe aushielten. Meine Mutter musste oft meinen Vater beschwichtigen, wenn es mal wieder in meinem Kinderzimmer laut wurde. Auch wenn mein alter Herr diese Musik als unnötigen Krach bezeichnete, nahm er für mich die Songs auf, als ich mit 19 zur Armee musste. Oder er brachte mir von seiner Prag-Dienstreise ein Album mit.
Seine mitgebrachte AC/DC-Platte „Blow Up Your Video“ spiele ich noch heute, auch wenn hier und da paar Knackser zu hören sind. An diesem Silvesterabend wird sie wieder aufgelegt – meine Frau und mein Sohn seien hier schon einmal vorgewarnt.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
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