Es gibt Dinge, die scheinen auf einmal für immer aus unserem Alltag verschwunden zu sein. Und dann tauchen sie plötzlich im neuen Glanz auf und erinnern uns an längst vergangene Zeiten.
So ein „Ding“ ist auch eine DDR-Zuglegende, die nun die BVG nach knapp drei Jahrzehnten wieder auf die Reise schickt. Eine U-Bahn, die einst im Ost-Berliner Untergrund zwischen Alexanderplatz und Tierpark fuhr, als die heutige Strecke U5 noch Linie E hieß. Der Zug gehört zu der historischen Baureihe EIII, dies sei hier für die Eisenbahnliebhaber an dieser Stelle gesagt.
Nun, ich gehöre nicht zu den sogenannten Pufferküssern, die bei der Nennung dieser Baureihe gleich glänzende Augen bekommen. Mich erinnert der Zug eher daran, dass für mich früher als Kind Fahrten mit der U-Bahn ein Abenteuer waren, wenn ich damals mit meinen Eltern in so einem Zug zu einem Tierpark-Besuch reiste.
Plötzlich im Untergrund einer großen Stadt zu sein, mit einer Bahn durch dunkle Tunnel zu brausen – das war schon etwas Abenteuerliches für einen Berliner Steppke wie mich, der sonst nur mit der Straßenbahn, dem Bus oder der S-Bahn über Tage unterwegs war. Heute sind U-Bahn-Fahrten mit den modernen Zügen für mich etwas Alltägliches.

DDR-Legende: Warum sah die U-Bahn im Osten Berlins wie eine S-Bahn aus?
Aber zurück zu dem alten Zug mit Sitzbänken aus braunem Kunstleder, den Sprelacartwänden in Holzoptik und den roten Lampen über den Türen, die aufleuchteten, wenn die U-Bahn abfuhr: Ich wunderte mich als kleiner Junge immer, dass die Waggons von außen wie die der damaligen S-Bahn-Züge aussahen, nur in gelber Farbe. Warum dies so war, konnte mir damals keiner erklären.

Nun klärt die BVG das Geheimnis in einer Mitteilung auf: Diese U-Bahnen, die ab 1963 im Osten Berlins fuhren, waren tatsächlich ehemalige S-Bahn-Züge. Ein Jahr zuvor hatte das Verkehrsministerium der DDR beschlossen, ältere S-Bahn-Wagen für den Einsatz im Untergrund umzubauen. Insgesamt 86 Einheiten aus Trieb- und Beiwagen mehrerer S-Bahn-Baureihen wurden für das Umbauprogramm verwendet.
Warum nun aus S-Bahnen U-Bahnen wurden? Nach dem Zweiten Weltkrieg habe auf der damaligen Ost-Untergrundstrecke E ein regelrechter Zugmangel geherrscht, erklärt die BVG. Insgesamt 120 Wagen der U-Bahn-Baureihe C, die damals auf dieser Linie fuhren, wurden aus „Wiedergutmachungsgründen“ aus dem sowjetisch besetzten Teil Berlins nach Moskau gebracht.

Die S-Bahn-Wagen, die nun als U-Bahn einspringen mussten: Sie waren nicht mehr die Jüngsten. Die meisten von ihnen hatten um 1925 das Licht der Welt erblickt. Für ihr zweites Leben im Untergrund waren sie aber noch gut in Schuss. Zwar gab es im Betrieb immer wieder Probleme durch das Alter der Bauteile. Dennoch blieben die umgebauten S-Bahnen als U-Bahnen bis weit nach dem Mauerfall im Einsatz. Der letzte Zug fuhr 1994.
DDR-Legende geht auf Sonderfahrt
Nun gibt es also ein Wiedersehen für mich und alle anderen Berlinern mit der legendären U-Bahn aus DDR-Zeiten. Denn Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft „U-Bahn“ haben ehrenamtlich einige dieser historischen Züge in den BVG-Werkstätten auf Vordermann gebracht.
Und so wird an diesem dritten Adventssonntag (17. Dezember) einer dieser Züge auf der Linie U5 auf Sonderfahrten geschickt. Los geht es um 9.06 Uhr in Friedrichsfelde. Die letzte Tour beginnt um 14.10 Uhr am Hauptbahnhof. Für die Mitfahrt reicht ein ganz normales Ticket. Ich wünsche allen eine gute Fahrt und schöne Erinnerungen an alte U-Bahn-Zeiten!
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
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