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„Girl, You Know It’s (Not) True“: Deutschland im Milli-Vanilli-Fieber

Deutschland erreicht ein neuer Milli-Vanilli-Hype. Unsere Autorin stellt sich die Frage: Wäre der größte Skandal der Musikgeschichte heute immer noch so groß?

Author - Julia Nothacker
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Fab Morvan (links) und Sänger Rob Pilatus (rechts) von Milli Vanilli im Jahr 1988
Fab Morvan (links) und Sänger Rob Pilatus (rechts) von Milli Vanilli im Jahr 1988Bernd Müller/imago

„Girl, you know it’s true. Ooh, ooh, ooh, I love you“, hört man es in diesen Tagen vermehrt auf Social Media. Es ist der erste Hit des Pop-Duos Milli Vanilli aus dem Jahr 1988. 25 Jahre später zieht der Song, der eigentlich von der US-amerikanische HipHop-Gruppe Numarx stammt, die Menschen erneut in seinen Bann. Alles wegen des Kinofilms „Girl You Know It’s True“ (ab 21. Dezember 2023 im Kino), der aktuell für einen regelrechten Milli-Vanilli-Hype sorgt – auch bei mir, klare Guckempfehlung!

„Girl, You Know It’s (Not) True“

1990 war ich gerade einmal sechs Jahre alt und bekam von DEM Musikskandal schlechthin nicht wirklich was mit. Wann genau ich davon erfuhr, weiß ich heute nicht mehr. „Milli Vanilli, die Fake-Musiker aus Deutschland, die nicht wirklich sangen, sondern nur so taten“ – so war es in meinem Kopf irgendwie schon immer verankert. Etwas emotional ausgelöst hat die Geschichte bei mir aber nie, dafür war ich einfach zu jung, und ich war kein Fan. Heute bin ich mir sicher, wäre ich ein paar Jahre älter gewesen, ich wäre dem Milli-Vanilli-Wahnsinn ebenfalls verfallen. Aber wäre ich so enttäuscht und verzweifelt gewesen, dass auch ich die CDs zerstört und in den Müll geworfen hätte, so, wie es Tausende von Fans nach der legendären Pressekonferenz, in der Rob und Fab den Schwindel zugaben, taten? Ich bin mir nicht ganz sicher.

Heute, im Jahr 2023, wäre der Skandal um die falschen Musiker nicht mehr so groß – meinen die Promis bei der Filmpremiere am 5. Dezember in Berlin. Alle scheinen der Meinung zu sein, dass man heute anders mit der Situation umgehen würde. Und auch Matthias Schweighöfer, der in „Girl You Know It’s True“ Musikproduzent Frank Farian spielt, meint: „Ich glaube, heute wäre man gnädiger mit ihnen.“

Tijan Njie (l.) und Elan Ben Ali (r.) als Rob und Fab in „Girl You Know It’s True“
Tijan Njie (l.) und Elan Ben Ali (r.) als Rob und Fab in „Girl You Know It’s True“Wiedemann & Berg/LEONINE Studios

Der neue Milli-Vanilli-Wahnsinn

Ich persönlich denke genau das Gegenteil. In Zeiten von Social Media und Cancel Culture ist Authentizität wichtiger denn je. Man stelle sich mal vor, es käme heraus, dass David Garrett nie selbst Geige gespielt, sondern nur so getan hätte. Im Netz würde man mit Sicherheit keine Gnade kennen, auch TV-Sender und Event-Veranstalter würden Abstand nehmen.

Rob war die Schmach nach der Enthüllung damals zu viel, er starb 1998 an Herzversagen als Folge einer Überdosis an Alkohol und Drogen. Fab profitiert heute immerhin von der Misere mit Milli Vanilli. Er tritt in Talkshows auf, macht eigene Musik und gibt auf dem Red Carpet des Kinofilms Interviews und Autogramme. Nicht nur die beiden Hauptdarsteller Tijan Njie (Rob) und Elan Ben Ali (Fab) werden gerade gefeiert wie richtige Pop-Stars, auch Fab gilt heute als rehabilitiert und darf endlich als „echter“ Musiker auftreten. Niemand scheint ihm den Skandal von damals noch übel zu nehmen oder ihm die Schuld zu geben.

Fab genoss bei der Kinopremiere die Aufmerksamkeit der Fans.
Fab genoss bei der Kinopremiere die Aufmerksamkeit der Fans.Photopress Müller/imago

Matthias Schweighöfer bringt es auf den Punkt: „Vielleicht hätte es funktioniert, wenn man das so vermarktet hätte, dass sie eben nicht selbst singen, sondern nur die Lippen bewegen. Heute kann man schnell auf TikTok ein Star werden. Die Plattform lebt ja davon, dass man nicht selbst singt, sondern nur so tut. Aber der Unterschied ist natürlich, dass das alle wissen.“ ■