Rattenalarm in Berlin-Tempelhof! Und die Nager haben sogar schon Namen – Ingrid, Helmut, Bruno und Co. Sie sind zu echten Mitbewohnern der Mieter geworden. Unfreiwillig.
Im Wohnzimmer von Daniela und Michael Starke herrscht Frust, die Mieterinitiative Neu-Tempelhof ist zu einem Krisentreffen zusammengekommen. Gemeinsam vervollständigen sie eine Liste mit möglichem Baupfusch, während draußen der Sanierungslärm tobt. Seit mehr als einem Jahr wird in der Siedlung am Bayernring gebaut – Dreck, Lärm und Chaos sind an der Tagesordnung, schreibt die Berliner Zeitung (Bezahlschranke).
Der Frust der Mieter ist schwer zu bremsen. Mehr als 200 Mietparteien aus den 590 betroffenen Haushalten haben sich der Initiative angeschlossen und gegen die Zustände auf der Baustelle protestiert. „Wenn wir das Haus betreten oder verlassen, müssen wir an Dutzenden Ratten vorbei“, sagt Daniela Starke in der Berliner Zeitung. Die Ratten würden ganz ruhig im Dreck sitzen und fühlten sich im Chaos der Baustelle offenbar wohl. Das ist kein Wunder, denn überall liegt Bauschutt, und die Baustelle scheint endlos.
Dutzende Ratten sitzen völlig ruhig im Dreck
In der Siedlung wird seit Monaten an den 53 Häusern herummodernisiert – doch statt sichtbaren Fortschritt gibt es vor allem Ärger. Trotz der Versprechungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land sehen Mieter überwiegend Chaos. Sie leben im Dauer-Baustellen-Modus, klagen sie. Dabei müssten einige der Mieter, wie das Ehepaar Starke, eigentlich in barrierefreie Wohnungen umziehen – doch dafür fehlen passende Alternativen. Das kann sich natürlich alles schnell ändern, aber im Moment ist es leider so.
Das Paar, das seit Jahren in der Siedlung lebt, befürchtet, dass nach der Sanierung die Miete (bisher 860 Euro warm für 108 Quadratmeter) um ein Drittel steigen könnte. „Wenn ich von den Mietpreisen höre, frage ich mich: Was ist denn das für ein Wahnsinn? Wer soll das bezahlen?“, sagt Daniela Starke verzweifelt. Die Wohnung, in der sie ihre vier Kinder großgezogen haben, sei für sie eigentlich zu groß. Allerdings würden sie für eine neu gemietete 60 Quadratmeter große Wohnung in der Siedlung die gleiche Miete zahlen, heißt es.

Doch damit nicht genug: Viele Mieter ärgern sich über nasse Dämmstoffe, die wochenlang im Regen gelegen hätten. Die Angst vor Schimmel ist groß. Doch während die Pressestelle von Stadt und Land versichert, bei Schimmel und Schädlingsbefall würde schnell gehandelt, erleben die Mieter die Situation anders. Man bekomme widersprüchliche Antworten, sagt eine weitere Betroffene.
Schimmel, kaputte Fassaden, undichte Dächer
Besonders die älteren Mieter, die seit Jahrzehnten in der Siedlung leben, leiden unter dem Dauerstress. Die Liste der möglichen Baumängel wird immer länger: Schimmel, kaputte Fassaden, undichte Dächer. „Manche Keller sind seit der Modernisierung wie Schwimmbäder“, witzelt Wolfgang Henschke, der sich um die Mängelliste kümmert. Wenigstens kann er noch lachen. Doch die Lage ist alles andere als lustig.
Die Mieter fühlen sich im Stich gelassen und sehen in der Sanierung einen Versuch, die Altmieter loszuwerden. Beweise dafür gibt es nicht. Aber sollte das tatsächlich stimmen, wäre es ein Skandal. Die Sanierungsarbeiten sollen Mitte 2027 abgeschlossen sein. Falls Bauverzögerungen diesen Plan nicht doch noch zunichtemachen. Die Mieter wollen bis dahin weiter für ihre Rechte kämpfen. ■