Der Berliner Wohnungsmarkt steht weiter unter Druck – und die Situation rund um den U-Bahnhof Weberwiese zeigt, wie ernst es für viele Mieter wird. Eigentlich sollte das „Milieuschutzgebiet“ den Anwohnern Sicherheit bieten, doch der Verkauf der Wohnungen droht den Milieuschutz zunichtezumachen.
Einige Mieter haben zwar theoretisch ein lebenslanges Wohnrecht, doch der Einzelverkauf ihrer Wohnungen könnte dieses Recht bald aushebeln. Besonders das Quartier an der Weberwiese, wo rund 500 Wohnungen in den 50er-Jahren im Rahmen des Wiederaufbaus errichtet wurden, steht im Fokus, berichtet die Berliner Zeitung.
Um sich gegen die drohenden Verkäufe zu wehren, haben die Mieter eine Initiative gegründet – „Weberwiese – Milieu sind wir!“. Angeführt von engagierten Bewohnern wie Bernd Lützeler, kämpfen sie gegen die schrittweise Aufspaltung und den Verkauf ihrer Wohnungen.
Lützeler beschreibt das Dilemma klar: Entweder sie kaufen ihre Wohnungen zu überhöhten Preisen oder sie verlieren ihre Sicherheit. Besonders kritisch sieht er die Möglichkeit, dass nach einem Verkauf Eigenbedarfskündigungen drohen könnten – das Schlupfloch, um langjährige Mieter loszuwerden
Mieter sollen ihre Wohnungen kaufen
Auch politisch hat die Situation Aufmerksamkeit erregt. Bezirksstadtrat Florian Schmidt von den Grünen setzt sich für die Bewohner ein und fordert, dass ein landeseigenes Wohnungsunternehmen die noch nicht verkauften Wohnungen übernimmt. Für ihn ist die Weberwiese ein Symbol für ganz Berlin: Was hier passiert, könnte bald in vielen weiteren Vierteln geschehen.
Die rechtlichen Schutzmaßnahmen sind zwar da, aber für Mieter wie Lützeler bieten sie nur vorübergehende Erleichterung. Selbst nach jahrelangem Gerichtsstreit bleibt der Auszug oft unausweichlich.
Die Geschichte der Weberwiese ist geprägt von zahlreichen Verkäufen. Nach der Wende gingen die Wohnungen durch mehrere Hände, bevor sie 2017 in die Obhut des Haupteigentümers White Tulip übergingen. Seitdem wurden die Mietwohnungen Stück für Stück in Eigentumswohnungen umgewandelt – trotz des 2016 eingeführten Milieuschutzes. Dieser Schutz verbietet zwar Luxusmodernisierungen, kann aber nicht verhindern, dass die Wohnungen einzeln verkauft werden.
Besonders die Anwohner, die über Jahrzehnte im Viertel lebten, sehen sich nun mit einer neuen Realität konfrontiert. Der soziale Zusammenhalt, den viele geschätzt haben, geht verloren. Bernd Lützeler, der das Viertel gut kennt, spricht in der Berliner Zeitung von Entfremdung: Er kenne hier kaum noch jemanden. Immer mehr Handwerkerwohnungen werden eingerichtet, in denen Arbeiter nur kurzfristig wohnen, was das Milieu des Viertels drastisch verändert.
Nun sorgte ein neuer Vorstoß der Eigentümerfirma für Aufregung: Mieter erhielten Kaufangebote für ihre Wohnungen – angeblich zu einem „deutlich reduzierten Preis“. Die Mieterinitiative kritisiert diese Angebote scharf und spricht von „Fantasiepreisen“. Zwar liegen die neuen Preise tatsächlich unter den zuvor genannten, doch viele Mieter, darunter auch Lützeler, halten sie weiterhin für zu hoch.
Mieter kämpfen mit Wasserrohrbrüchen
Die teils marode Bausubstanz der Gebäude, die dringend renoviert werden müsste, wirft zusätzliche Fragen auf. In einigen Häusern gebe es regelmäßig Wasserrohrbrüche. „Meine eigene Wohnung ist so hellhörig, die Nachbarn haben sich schon über das Klappern meiner Computertastatur beschwert“, erzählt Lützeler. Wer hier kauft, muss mit hohen Sanierungskosten rechnen.

Für viele Mieter ist der Kauf ihrer Wohnung also keine Option. Besonders ältere Bewohner und Selbstständige haben kaum die Möglichkeit, einen Kredit in ausreichender Höhe zu bekommen. Die Menschen hier gehörten nicht zu den Besserverdienenden, erklärt Lützeler.
Zudem wird in den Kaufangeboten der Firma auch eine Abfindung für den Auszug vorgeschlagen, doch ohne konkrete Zahlen sehen viele darin keine Lösung. Angesichts des überhitzten Berliner Mietmarktes sind Alternativen rar.
Der Berliner Senat ist sich der Wohnungsnot bewusst, verspricht Verbesserungen durch Neubauten und Mieterschutz. Doch die Anwohner der Weberwiese bleiben skeptisch. Mit den steigenden Mieten und der angespannten Lage wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Bezirksstadtrat Schmidt weiß: Für viele bedeutet ein Umzug eine Verschlechterung.
Für Mieter wie Lützeler ist die Lage besonders düster: „Wie soll ich in zehn, elf, zwölf Jahren eine neue Wohnung bekommen, wenn ich jetzt schon keine finde. Der Wohnungsmarkt ist dicht.“ ■