Hertha-Kolumne

Wie viel Fußball-Kompetenz braucht das Präsidium von Hertha BSC?

27 Kandidaten stellen sich zur Wahl im November, fünf wollen Präsident werden. Aber auf der langen Liste finden sich mit Wolfgang Sidka und Marko Pantelic nur zwei Ex-Profis.

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Der ehemalige Profi Wolfgang Sidka will bei Hertha BSC Verantwortung übernehmen.
Der ehemalige Profi Wolfgang Sidka will bei Hertha BSC Verantwortung übernehmen.Bernd König/Imago

Vor einigen Tagen fiel mir ein kurioses Foto in die Hände. Es stammt vom September 1994. Der ehemalige „Oberfan“ von Hertha BSC, der stadtbekannte Fanartikel-Händler „Pepe“ Mager, stülpte dem Rechtsanwalt Manfred Zemaitat einen riesigen Häuptlingsschmuck eines Indianers auf den Kopf. Zemaitat war gerade zum neuen Präsidenten der Hertha gewählt worden und hatte seinen Gegenkandidaten, Hertha-Legende Wolfgang Holst, klar geschlagen. Ja, so ging es einst zu bei Wahlen des Hauptstadtklubs.

Als der hemdsärmelige Zemaitat 1998 nach internen Machtkämpfen zurücktrat, wurden Mercedes-Manager Walter Müller und zwei Jahre später Medien-Experte Bernd Schiphorst als Präsidenten vom Aufsichtsrat bestellt und eingesetzt. Unternehmer Werner Gegenbauer, der von 2008 bis 2022 – stets wieder von den Mitgliedern gewählt – an der Spitze stand, musste sich nie mit Gegenkandidaten auseinandersetzen.

Hertha BSC hat nun die lange Liste der Bewerber für die Wahlen des Präsidiums am 17. November veröffentlicht. Sie umfasst 27 Persönlichkeiten, allein fünf haben das Ziel, als Präsident gekürt zu werden. Mir scheint, das Interesse, die Zukunft des rund 55.000 Mitglieder starken Vereins mitzubestimmen, ist riesengroß. Gut so, eben gelebte Demokratie.

Fünf Bewerber wollen das Präsidenten-Amt bei Hertha BSC erobern

Bei den fünf Bewerbern um das Amt des Präsidenten handelt es sich um Fabian Drescher (41/Rechtsanwalt), der nach dem tragischen Tod von Kay Bernstein (†43) kommissarisch den Verein führt, um Uwe Dinnebier (61), Besitzer von 25 Autohäusern, um den als „Sneakers-Millionär“ bekanntgewordenen Jung-Unternehmer Stepan Timoshin (23), um den ehemaligen Hertha-Profi Wolfgang Sidka (70) und um den Gastronom Olaf Brandt (56).

Nachdem sich im Juni 2022 der ehemalige Ultra und Capo der Ostkurve Kay Bernstein im Zweikampf mit CDU-Politiker Frank Steffel klar durchgesetzt und so deutschlandweit für Aufsehen gesorgt hatte, scheint das Rennen um den Spitzenposten derzeit offener denn je zu sein. Ich wage an dieser Stelle keine Prognose und gehe lieber der Frage nach, wie viel fußballerische Kompetenz solch ein Präsidium braucht? Auch die ist unter anderem im Anforderungsprofil der Hertha gefragt. In der Vergangenheit gab es nur wenig spezielles Fußball-Knowhow in den Gremien.

Ex-Stürmer Marko Pantelic will bei Hertha BSC Verantwortung übernehmen.
Ex-Stürmer Marko Pantelic will bei Hertha BSC Verantwortung übernehmen.O.Behrendt/Imago

Am längsten profitierte der Verein vom Wissen des ehemaligen Mannschafts-Kapitäns der Hertha (von 1989 bis 1991), Rechtsanwalt Dirk Greiser. Der lange Libero gehörte von 2004 bis 2008 dem Aufsichtsrat an und war später bis 2022 ehrenamtlich als Berater in sportlichen Fragen des Präsidiums am Ball. 2004 war die kürzlich verstorbene Hertha-Legende „Hanne“ Weiner (218 Bundesligaspiele für Hertha) im Beteiligungsausschuss aktiv. Das Gremium gibt es nicht mehr. 2012 positionierte sich der ehemalige Hertha-Abwehrspieler Michael Sziedat (280 Bundesligaspiele für Hertha BSC) als heftiger Kritiker von Manager Michael Preetz, strebte aber vergeblich ins Präsidium. Seit 2010 gehört der einstige Profi Andreas Schmidt, der 193 Bundesligaduelle für Hertha bestritt, dem Aufsichtsrat ununterbrochen an. Und Unternehmer Klaus Brüggemann, allerdings kein Fußballer, zuletzt lange in Präsidium und Aufsichtsrat in der Verantwortung, konnte besonders in den Bereichen Sportmanagement und Sportmarketing seine Kenntnisse einbringen.

Fußball-Wissen in den Gremien bei Hertha BSC ist ein seltenes Gut

Auf der aktuellen Kandidatenliste sticht neben Wolfgang Sidka, Vizemeister mit Hertha 1974/75, in sportlicher Hinsicht nur der ehemalige Publikumsliebling Marko Pantelic hervor. Der 46-Jährige begeisterte einst die Massen im Olympiastadion, schoss zwischen 2006 und 2009 in 114 Bundesligaspielen stattliche 45, meist spektakuläre Tore. Zuletzt arbeitete der einst so extrovertierte serbische Nationalspieler vier Jahre als Vizepräsident des Serbischen Fußball-Verbandes. Er strebt mit seinem Netzwerk das Amt als Vizepräsident oder als einfaches Mitglied an. Dirk Greiser sagte mir, das ehemalige Profis – sollten sie gewählt werden – zuvorderst helfen müssen, die Dinge auf dem Platz, ob Erfolge oder Misserfolge, richtig einzuordnen. „Sie dürfen aber keine Über-Manager sein!“

Ich glaube: Die Mischung aus Persönlichkeiten mit hoher Kompetenz in verschiedenen Bereichen machen ein starkes Präsidium aus. Ein Ex-Fußballer muss sich dort als Teamplayer einbringen. ■