Torjäger Willi weckt blau-weiße Erinnerungen und Sehnsüchte
Einst trafen Marcelinho, Ondrej Duda oder Vedad Ibisevic für Hertha zweistellig. Und Hany Mukhtar macht es in den USA überragend.

Endlich ist es passiert! Beim emotionalen 2:1-Sieg gegen den einstigen Erzrivalen Schalke 04 traf Herthas 4,5-Millionen-Euro-Zugang Wilfried Kanga, ein kraftvoller Mittelstürmer, zum ersten Mal für seinen neuen Verein. Zehn Spiele benötigte er dafür, oft vergab er zuvor trotz Rieseneinsatz gute Chancen oder scheiterte am Pfosten.
Ich habe dem kampfstarken Profi das wichtige Tor sehr gegönnt. Hertha hat den 24-Jährigen geholt, weil man viele Treffer von ihm erwartet. Die Zeiten, in denen ein Hertha-Spieler in der Bundesliga in einer Saison zweistellig traf, liegen lange zurück. 2018/19 schafften das Ondrej Duda (elf Tore) und Vedad Ibisevic (zehn Tore).
Mir kam deshalb ein ehemaliger Hertha-Spieler in den Sinn, der einst in Berlin vergeblich sein Glück versuchte und gerade in aller Munde ist: Hany Mukhtar. Der 27-Jährige erzielte für seinen Verein Nashville SC in der Major-League Soccer (MLS), der Profiliga der USA, 23 Tore und elf Assists. Das erinnerte mich stark an die unglaubliche Quote von Marcelinho, der 2004/05 für Hertha 18 Tore schosss und 13 Assists verzeichnete. Mukhtar aber ist nun der erste Deutsche, der zum Torschützenkönig der MLS aufstieg und dafür mit dem Goldenen Schuh ausgezeichnet wurde.
Herthas Mukhtar fand sein Glück erst in den USA
An meine erste Begegnung mit Mukhtar kann ich mich gut erinnern. Ich traf ihn – es muss über zehn Jahre her sein – in der U-Bahn, mit der er immer zum Training aufs Olympiagelände fuhr. Damals ein kleiner, schmächtiger, freundlicher Junge, der den Traum vom Profifußballer lebte.
Erste Erfolge stellten sich ein. Im Juni 2012 führte er als Kapitän die B-Jugend (U17) von Hertha zum Titel des Deutschen Meisters. Im Juli 2014 gehörte Mukhtar zur deutschen U19-Mannschaft, die den Europameistertitel errang.
Ich sah Mukhtar schon als Stammspieler bei Hertha, doch ihm erging es wie vielen Talenten, denen der Durchbruch bei ihrem Lieblingsverein nicht gelang. Nach zehn Spielen in der Ersten Bundesliga hatte Trainer Jos Luhukay in der Saison 2014/15 keine Verwendung mehr für Mukhtar. Der suchte überstürzt das Weite und heuerte bei Benfica Lissabon an. Seit 2020 lebt er nach weiteren Stationen in Salzburg und Kopenhagen seinen amerikanischen Traum.
Er ist natürlich nicht der erste ehemalige Herthaner, der sein Glück in Amerika suchte. Lange vor ihm kickten Profis nach ihrer Zeit bei Hertha in der North American Soccer League (NASL). Prominente Beispiele sind etwa Stürmer Arno Steffenhagen und Torwart Volkmar Groß, die beide 1971 in den Bundesligaskandal verwickelt und gesperrt waren. Sie verdingten sich zuerst in Kapstadt und später in den USA. Jahre danach zog es Hanne Weiner und Jörgen Kristensen zu Chicago Sting. Und: Hertha-Kapitän Arne Friedrich beendete 2013 seine große Karriere bei Chicago Fire in der MLS.
Hertha-Legende Karl-Heinz Granitza würde Mukhtar gern in Berlin sehen
Es gibt aus diesem unvollständigen Kreis nur einen Herthaner, der Hany Mukhtar an Popularität in den Staaten überstrahlt: Mittelstürmer Karl-Heinz Granitza. In der „ewigen“ Torjägerliste der NASL belegt Granitza, der bei Chicago Sting Anfang der 80er-Jahre zum Star aufstieg, Platz zwei hinter dem Italiener Giorgio Chinaglia, der für Cosmos New York an der Seite von Pelé stürmte. Granitza (128 Treffer in 199 Einsätzen) wurde „Sportler des Jahres“ in Chicago und 2003 in die National Soccer Hall of Fame aufgenommen. Aus Deutschland ist dort nur noch Franz Beckenbauer vertreten.
„Ich verfolge den Weg von Mukhtar schon lange intensiv“, erzählt Granitza, „seine vielfältigen Qualitäten könnte Hertha allemal gut gebrauchen. Doch er hat ja bis 2025 Vertrag. Ich fände eine Rückkehr des Berliner Jungen toll.“
Mukhtar genießt derzeit sein Leben in Nashville, sagte zuletzt aber auch: „Berlin ist meine Stadt. Ich kann mir gut vorstellen, noch mal dort zu landen.“ Einen Mann mit einem Goldenen Schuh bei Hertha fände auch ich wunderbar.
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