Seit dem jüngsten Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Vizeweltmeister Frankreich gilt Robert Andrich hierzulande als der bekannteste Bodyguard auf dem Rasen. Wie er Regisseur Toni Kroos den Rücken freihielt, war sehenswert. Gern erinnere ich mich an unsere erste Begegnung, als der heute so kantige Profi noch ein zurückhaltendes Talent war. Im Januar 2013 saßen Andrich, damals 18 Jahre alt, und ich in der Lobby eines Hotels im türkischen Belek zusammen. Trainer Jos Luhukay hatte Andrich zum ersten Mal mit ins Trainingslager genommen. Seine Ziele damals? „Ich will hart arbeiten und so oft es geht bei den Profis mittrainieren.“
Über zehn Jahre später verbreitet er als rustikaler Mittelfeldmann ungeheuren Respekt bei den Gegnern. Andrich besitzt nun sogar sehr gute Aussichten, dass ihn Bundestrainer Julian Nagelsmann für die Europameisterschaft im Sommer nominieren wird. Das gleiche gilt für den ehemaligen Herthaner Maximilian Mittelstädt (27), der gegen Frankreich ein starkes Länderspieldebüt gab.
Hertha BSC kassierte für Andrich und Mittelstädt kaum Geld
Bei Hertha haben alle Verantwortlichen die Auftritte der beiden Profis beobachtet – mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Beide haben viele Jahre bei Hertha verbracht, sind in Berlin gereift. Andrich ging 2015 ablösefrei zu Dynamo Dresden, Mittelstädt erst im Sommer 2023 für 500.000 Euro Ablöse zum VfB Stuttgart. Leistungsmäßig explodierten beide erst bei ihren neuen Klubs. Andrich steht mit Bayer Leverkusen vor der Deutschen Meisterschaft und Mittelstädt mit dem VfB vor dem Einzug in die Champions League. Wenn beide Deutschland bei der EM vertreten – woran ich fest glaube - gehen sie nicht als Blau-Weiße in die Geschichte des europäischen Championats ein. Das ist schade.

So bleibt es bei sechs ehemaligen Profis, die für die deutsche Nationalelf bei einer EM dabei waren und bei Hertha unter Vertrag standen. Den Anfang machte Erich Beer, die Hertha-Legende der 1970er Jahre. „Dass mich Bundestrainer Helmut Schön 1976 mit zur EM nach Jugoslawien genommen hatte, gab mir einen großen Schub“, sagte mir der 77-Jährige, „nach der EM wurde ich bei Hertha immer besser.“
Arne Friedrich war der letzte Herthaner bei einer EM
Während der Endrunde stand Beer beim 4:2 nach Verlängerung gegen Jugoslawien 120 Minuten auf dem Platz und gehörte im Finale gegen die CSSR (2:2 n.V./3:5 n. Elfm.) zur Startelf. Nach 80 Minuten wurde Beer gegen Hannes Bongartz ausgewechselt und erlebte das spätere Drama im Elfmeterschießen von der Bank aus. „Ich war ein guter Schütze vom Punkt, wäre sofort angetreten“, so Beer.
So sah er nur aus der Distanz, wie Uli Hoeneß seinen legendären Strafstoß haushoch in den Belgrader Nachthimmel schoss, danach Antonin Panenka schlitzohrig Sepp Maier überwand und die CSSR zum Titel schoss. „Immer wenn ich zu meinem Stammtisch gehe“, so Beer, „ist der Elfer von Uli ein Thema und wir lästern: `Den Ball suchen sie in Belgrad immer noch!“´
Ex-Manager Fredi Bobic beendete nach Vorrunden-Aus seine DFB-Karriere
Auf Beer folgten bei der EM 2000 Sebastian Deisler, Marko Rehmer und Dariusz Wosz, wobei die „Zaubermaus“ Wosz unter Trainer Erich Ribbeck ohne Einsatz blieb. Für das DFB-Team war nach der Vorrunde Schluss! Das passierte auch 2004 in Portugal. Dort kamen Fredi Bobic und Arne Friedrich zum Einsatz. Bobic war als Profi des VfB Stuttgart aber schon 1996 in England Europameister geworden. In Portugal endete beim 0:0 gegen Lettland seine Länderspiel-Karriere. Noch einmal, 2008 bei der EM in Österreich und der Schweiz, vertrat Arne Friedrich die Farben von Hertha, schaltete gegen Portugal (3:2) Superstar Cristiano Ronaldo aus und stand in der Endspiel-Elf, die gegen Spanien mit 0:1 unterlag.
Alle, die eine EM gespielt haben, besitzen bleibende Erinnerungen an diesen Karriere-Höhepunkt. Andrich und Mittelstädt wird es vielleicht ähnlich gehen. Es muss ja nicht ein verschossener Elfmeter sein wie der aus der Nacht von Belgrad.