Unverhofft kommt oft. Marius Gersbeck (28) im Hertha-Tor. Dabei stand vor einem halben Jahr seine Karriere wegen der Prügelaffäre im österreichischen Trainingslager auf der Kippe. Jetzt stand Gersbeck beim 0:2 in St. Pauli und beim 5:2 gegen Schalke für Hertha BSC in der Zweiten Liga im Kasten, weil Stammkeeper Tjark Ernst verletzt ausfiel. Gersbeck gesteht jetzt: „Ich habe Erleichterung gespürt.“
Gersbeck, der Junge aus der Ostkurve, machte gegen Schalke sein erstes Liga-Spiel in seiner Karriere im Olympiastadion. Dass es nicht früher dazu kam, hat er selbst verbockt. Und das weiß er. Nach drei Jahren beim Karlsruher SC sollte er im Sommer eigentlich die Nummer 1 im Tor werden. Sein Traum, auf den er über zehn Jahre hingearbeitet hatte, war fast schon Realität. Im Dezember 2013 war er als 18-Jähriger Herthas Held von Dortmund, als er mit Paraden den 2:1-Auswärtssieg in der Bundesliga möglich machte.
Prügelnacht in Österreich machte fast alles kaputt
Sein Pech danach: Zwei Knieverletzungen und die starke Torwart-Konkurrenz bei Hertha. Er wurde an Chemnitz (2016) und Osnabrück (2016 bis 2018) ausgeliehen. 2019 wechselte er zum befreundeten KSC. Seine Rückkehr zu Hertha war für ihn alles, was er sich wünschen konnte. Doch er machte sich (fast) alles kaputt.
Bei einer Dorfprügelei wegen eines gestohlenes Fahrrads schlug er einen Österreicher. Strafanzeige, Gerichtsverhandlung, Suspendierung bei Hertha, dann im Oktober 2023 die Begnadigung, für die sich besonders der verstorbene Präsident Kay Bernstein stark machte. Gersbeck bat alle Herthaner um Gnade und sagte: „Es war der größte Fehler meines Lebens.“
Gersbeck: „Ich bin dankbar für die Chance“

Die Rehabilitierung gab es in drei Schritten. Er durfte wieder am Mannschaftstraining teilnehmen, wurde bis zur Winterpause die Nummer 3 und danach die Nummer 2. Als sich Tjark Ernst beim Aufwärmen am Becken prellte und ausfiel, feierte Gersbeck sein Zweitliga-Comeback in St. Pauli. Dann sein Heimspiel-Debüt gegen Schalke.
„Ich bin glücklich und dankbar dafür, dass ich die Chance bekommen habe, meinen Traum leben zu können. Mit den Verantwortlichen – bis zu seinem Tode allen voran Kay, aber auch Tom Herrich, Benny Weber, Andy Menger und Pal Dardai – haben mich die vergangenen Monate noch mehr zusammengeschweißt. Ich war sehr viel mit ihnen sowie meinen Mitspielern im Austausch“, sagt Gersbeck jetzt.
Gersbeck hofft auf mehr Spiele
Nach den zwei Spielen gesteht er: „Es war ein brutales Jahr. Ich spüre Erleichterung. Es gibt kein besseres Gefühl, als nach einem erfolgreichen Spiel mit den eigenen Kindern im Olympiastadion auf der Tartanbahn zu stehen.“ Es wird aber wohl zunächst das bisher letzte gewesen sein. Ernst hat seine Beckenprellung so gut wie auskuriert und wird nächsten Sonnabend (20.30 Uhr) gegen Nürnberg wieder im Tor stehen.
Gersbeck hat damit auch gar kein Problem, aber hofft trotzdem: „Natürlich würde ich gerne noch eine weitere Möglichkeit bekommen, um mich zu zeigen.“ Doch seine Rolle als Ersatzkeeper hat er akzeptiert: „Ich will der Mannschaft helfen – ob auf oder neben dem Platz. Der Verein steht über allem.“ ■