Nach Bernsteins Tod

Hertha BSC: Sportdirektor Benjamin Weber, der Mann mit Nerven aus Stahl

Hertha BSC steht nach dem Tod des Präsidenten Bernstein noch immer unter Schock. Sportdirektor zwingt sich in der Trauer, wieder zu arbeiten und Transfers abzuschließen.

Author - Wolfgang Heise
Teilen
Sportdirektor Benjamin Weber ist noch nicht mal ein Jahr im Amt. Doch er beweist nach dem Tod des Präsidenten Kay Bernstein, wie nervenstark er ist.
Sportdirektor Benjamin Weber ist noch nicht mal ein Jahr im Amt. Doch er beweist nach dem Tod des Präsidenten Kay Bernstein, wie nervenstark er ist.Koch/imago

Hertha BSC steht nach dem Tod des jungen Präsidenten Kay Bernstein (43) am Dienstag noch immer unter Schock. Auf der Geschäftsstelle des Klubs sind viele Mitarbeiter noch immer wie gelähmt. Das sagen auch Interims-Präsident Fabian Drescher (41) und Geschäftsführer Tom Herrich (59) in einem Gänsehaut-Interview, das am Donnerstag auf YouTube veröffentlicht wurde. Auch Sportdirektor Benjamin Weber (43) geht der Tod Bernsteins ganz nah. Doch in Herthas schwersten Tagen zeigt Weber bewundernswerte Nerven aus Stahl.

Am Tag der Todesnachricht und auch am Mittwoch war die blau-weiße Welt komplett aus den Fugen geraten. An normale Arbeit war nicht zu denken. Doch vor Weber lag ein Berg voller Aufgaben. Es läuft gerade die Endphase bei den Wintertransfers. Der Sportdirektor zwang sich trotz aller Trauer und des Schocks wieder zu 100 Prozent für den Verein zu schuften.

Hertha unter Schock, Weber tätigt Transfers

Sportdirektor Benjamin Weber und Trainer Pal Dardai waren Mittwoch noch total mitgenommen wegen des Todes von Präsident Bernstein.
Sportdirektor Benjamin Weber und Trainer Pal Dardai waren Mittwoch noch total mitgenommen wegen des Todes von Präsident Bernstein.nordphoto/Engler/imago

Am Donnerstag gab es die ersten Ergebnisse: Ein dringend benötigter Mittelfeldspieler wurde mit dem Mainzer Aymen Barkok (25) verpflichtet, auf Leihbasis bis zum Saisonende. Dazu wurde das Dauerproblem Myziane Maolida (24) gelöst. Der suspendierte Franzose wurde an den schottischen Erstligisten Hibernian FC aus Edinburgh ausgeliehen. Es war das erste große Signal nach dem Tod Bernsteins bei Hertha BSC: Nicht unterkriegen lassen, die Arbeit geht weiter!

Weber und sein Team mit Zecke Neuendorf machten den ersten Schritt, um wieder neuen Mut zu fassen. Der Mann, der früher Akademie-Chef war, ist noch nicht mal ein Jahr im Amt und beweist in der Schockstarre des Klubs eine emotionale Stärke. Am 29. Januar 2023 wurde er ins kalte Wasser geschmissen, als er die Nachfolge vom gescheiterten Ex-Manager Fredi Bobic antrat. Da hatte er nur drei Tage Zeit, bis das Transferfenster schloss. Damals schaffte er es, auf den letzten Drücker noch Mittelfeldspieler Tolga Cigerci zu holen.

Das Bild ist erst zwei Wochen alt: Trainer Pal Dardai begrüßt zusammen mit Benjamin Weber den verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein am Schenckendorffplatz.
Das Bild ist erst zwei Wochen alt: Trainer Pal Dardai begrüßt zusammen mit Benjamin Weber den verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein am Schenckendorffplatz.nordphoto/Engler/imago

Das war nur ein bestandener Testlauf für Weber. Denn der Sommer 2023 wurde viel anstrengender. Abstieg, Finanzloch, Lizenz in Gefahr. Weber musste von Juni bis September im Dauer-Stressmodus teure Spieler verkaufen und günstige Profis bekommen, damit das Team irgendwie für die Zweite Liga gewappnet ist. Weber schaffte auch das. Mit einem smarten Lächeln und Nerven aus Stahl sagte er damals im September nach drei Auftaktpleiten: „Wir haben jetzt den Kader zusammen. Jetzt beginnt für uns der Neustart.“

Geschäftsführer Herrich: „Eines der größten Schicksalsschläge der Vereinsgeschichte“

Interimsboss Fabian Drescher und Geschäftsführer Tom Herrich stellten sich nach dem Tod Bernsteins tapfer bei einem Doppel-Interview vor laufender Kamera.
Interimsboss Fabian Drescher und Geschäftsführer Tom Herrich stellten sich nach dem Tod Bernsteins tapfer bei einem Doppel-Interview vor laufender Kamera.youTube/Herthabsc.de

Lächeln kann Weber momentan nicht wegen des Todes von Kay Bernstein. Der Präsident war die Schaltzentrale für alles im Klub: für Visionen, für die Herzen, für ein Miteinander. Der Verlust ist dramatisch für den Klub. In einem Doppel-Interview verstecken Fabian Drescher und Tom Herrich nicht, was sich in den vergangenen Tagen in Herthas Büros abgespielt hat.

Herrich: „Uns geht es so wie allen anderen auch. Der Tod von Kay hat uns alle geschockt, wir sind entsetzt, fassungslos und tief traurig. Wir hatten am Mittwoch eine Mitarbeiterversammlung. Die richtigen Worte gibt es sowieso nicht. Man ist einfach sprachlos. Das ist in der jüngsten Vereinsgeschichte eines der größten Schicksalsschläge, die wir erlebt haben.“

Interimsboss Drescher sieht man es an, wie sehr ihn der Tod seines Freundes Bernstein mitgenommen hat. Dann erklärt er tapfer: „Wir hatten eine turnusmäßige Präsidiumssitzung, die haben wir inhaltlich aber komplett über den Haufen geworfen. Es war uns ein Bedürfnis, einfach zusammenzukommen, zu trauern. Kay zu gedenken. Und gleichzeitig zeigen, was Hertha BSC ausmacht: die Geschlossenheit.“

Interimsboss Drescher: „Das Gefühl ist unwirklich. Meine Gedanken kreisen“

Ihm geht es ganz nahe: „Das Gefühl ist unwirklich. Ich bin in tiefer Trauer, kann meine Gedanken nicht wirklich einordnen. Es ist ein Schock. Meine Gedanken kreisen, auch um seine Frau und seine Töchter. Es war mir ein ganz großes Bedürfnis, hier auf der Geschäftsstelle zu sein, wo Kay gewirkt hat. Einfach da sein und gemeinsam trauern und gegenseitig Trost zu spenden.“

Herrich wirkt gefasster und sagt: „Man muss allen die nötige Zeit zum Trauern geben. Jeder geht damit unterschiedlich um. Wir erfahren unglaublichen Zuspruch aus der Liga, von den Fans, von der Politik. Das tut gut. Wir haben Sonntag um 13.30 Uhr ein Spiel. Das hätte Kay auch gewollt: mit Hochdruck an die Arbeit zu gehen.“ Sportdirektor Weber arbeitet schon wieder mit Hochdruck. Der Mann mit den Nerven aus Stahl. ■