Hertha BSC hat viele Typen in der Mannschaft: Kämpfer, Techniker, Torjäger, Routiniers. Doch einer fehlte bis zum 6. Dezember 2023. Ein Träumer, der seine Ziele auf ungewöhnliche Weise verfolgt und so das ganze Team inspiriert. Offensivspieler Nader Jindaoui macht mit 27 Jahren sein erstes Profi-Trainingslager im spanischen Murcia. Sein Geld verdient er eigentlich als Internetstar, doch er kämpft für eine späte Profikarriere bei seinem Lieblingsverein.
Anderthalb Jahre ist der gebürtige Berliner jetzt bei den Blau-Weißen. Er sollte als erfahrener Spieler die U23 verstärken. Doch auch damals betonte er, dass er davon träumt, irgendwann mal im Profi-Team im Olympiastadion zu spielen. Und das passierte am Nikolaus-Tag 2023. El Jindaoui wurde bei Herthas wichtigstem Sieg der Hinrunde, dem 8:6-Pokalkrimi im Achtelfinale gegen den HSV eingewechselt. Er hatte den Mut, zum Elfer anzutreten, und verwandelte.
Trainer Pal Dardai war beeindruckt: „Er tritt zum Elfer an. Jetzt Hände hoch, wenn einer sagt, er hat keine Eier. Er hat den Ball einfach reingejagt. Das ist top.“ Und das Lob ging noch weiter: „Wenn Nader bei uns trainiert, trainiert er für sein Leben. Jeden Tag gibt er Einsatz und das habe ich honoriert. Respekt dafür. Ich arbeite sehr gerne mit ihm. Er hat geholfen, vielleicht beim nächsten Mal wieder.“
Beim 0:0 gegen den VfL Osnabrück durfte er zehn Tage später wieder als Joker ran und feierte sein Zweitliga-Debüt. Das Weihnachtsmärchen war für Jindaoui perfekt: „Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich an den Moment zurückdenke, als ich gegen den HSV ins kalte Wasser geschmissen wurde – das war eine magische Nacht, die ich nie vergessen werde.“
Jindaoui: „Ich bin kein Influencer, sondern Fußballer“
Auch danach blieb dieses Spiel in seinem Herzen: „Das waren meine schönsten Wochen! Das Gefühl, durch Berlin zu laufen und von den Hertha-Fans angesprochen zu werden – unbeschreiblich. Ich spüre, dass mich die Fans ins Herz geschlossen haben, das hat mir sehr viel bedeutet. Ich möchte zeigen, dass ich kein Influencer, sondern Fußballer bin“, ist der Offensivspieler mit dem starken linken Fuß noch immer auf Wolke 7.
Doch es kam noch besser. Dardai nahm ihn mit ins Trainingscamp. Für Jindaoui wurde der Traum nun endgültig wahr: „Es ist unbeschreiblich schön, ich habe bislang jeden einzelnen Tag hier genossen und freue mich, dass ich diese Erfahrung sammeln darf. Die Mannschaft hat mich super aufgenommen, es ist extrem familiär untereinander.“
Jindaoui: „Ja, ich bin ein Träumer“
Quereinsteiger, Spätzünder, ihm ist es egal, wie man Jindaoui beschreibt. „Pal sagt immer, ich komme aus dem Niemandsland. Aber die Hoffnung, es in den Profifußball zu schaffen, war immer da, ich habe nie aufgegeben. Ich werde Gas geben und versuchen, mich zu empfehlen. Wenn der Trainer sagt, dass es so weit ist, möchte ich dem Team helfen. Dabei bin ich bereit, auf jeder Position zu spielen“, so der Mann, der vorher nur in den unteren Fußball spielte.
Ja, er gibt allen anderen noch einen besonderen Spirit mit. Besonders den jüngeren Profis, die manchmal ungeduldig werden, weil sie nicht zum Einsatz kommen. Und er lebt Hartnäckigkeit vor mit der Kraft des Willens.
Zu den Saisonzielen in der Rückrunde sagt er: „Wir haben eine super Mannschaft mit viel Qualität. Ich hoffe, dass wir gemeinsam im Pokal so weit wie möglich kommen und um den Aufstieg kämpfen können. Ich bin ein Träumer, hoffe immer aufs Größte.“ Jindaoui ist der Mann für blau-weiße Träume. ■