Hertha-Kolumne

Peter Görlich: Der nächste Hertha-Boss spricht über große Visionen

Großspurige Ankündigungen und Zielstellungen gab es bei den Blau-Weißen schon oft. Fast genauso oft platzten sie wie Seifenblasen.

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Peter Görlich hebt Anfang September bei seiner Vorstellung als neuer Geschäftsführer bei Hertha BSC die Hände, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen.
Peter Görlich hebt Anfang September bei seiner Vorstellung als neuer Geschäftsführer bei Hertha BSC die Hände, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen.Bernd von Jutrczenka/dpa

Als ich vor einigen Tagen einen Artikel mit der überraschenden Schlagzeile „Görlich will mit Hertha bald Europa angreifen“ las, traute ich meinen Augen kaum und bekam sofort ein Déjà-vu. In dem Text ging es darum, dass Herthas neuer Geschäftsführer, der 58-jährige Sportwissenschaftler Dr. Peter Görlich, nach 100 Tagen im Amt mit einer „Hammeraussage“ (Bild-Zeitung) für Aufmerksamkeit sorgte. In einem Interview mit RBB-Reporter Dennis Wiese sagte Görlich auf die Frage, wo er Hertha in fünf Jahren sehe: „Ich sehe Hertha als soliden Bundesligisten, der auch immer wieder an europäische Wettbewerbe anklopft!“

Gut, in fünf Jahren ist alles möglich. Ziele zu formulieren und Visionen zu haben, ist immer eine positive Sache. Sie motivieren auch einen Klub wie Hertha BSC mit seinen vielen Mitarbeitern. Mich irritierte nur der Zeitpunkt der mutigen Aussage. Die Mannschaft hatte gerade gegen den damaligen Tabellenletzten der Zweiten Liga, den 1. FC Magdeburg, im Olympiastadion mit 0:2 verloren und kurz nach dem Interview beim 3:3-Unentschieden beim anderen „Kellerkind“, der SpVgg Greuther Fürth, zwei wichtige Punkte im Kampf um den Aufstieg verspielt. Europa ist im Moment ganz weit weg. Und auch die Spitzengruppe der Liga ist nicht sofort „zu greifen“ für das Team von Cheftrainer Stefan Leitl.

Für die Visionen von Geschäftsführer Peter Görlich muss Hertha BSC noch viele solche Sternstunden wie beim Sieg im Pokal gegen den 1.FC Kaiserslautern (6:1) auf den Rasen zaubern.
Für die Visionen von Geschäftsführer Peter Görlich muss Hertha BSC noch viele solche Sternstunden wie beim Sieg im Pokal gegen den 1.FC Kaiserslautern (6:1) auf den Rasen zaubern.nordphoto/Imago

Jürgen Klinsmann wollte Hertha BSC in die Champions League führen

Als langjähriger Begleiter der Hertha habe ich viele teils großspurige Ankündigungen und Zielstellungen platzen sehen wie Seifenblasen. Das beste Beispiel ist Jürgen Klinsmann, der im November 2019 die damals taumelnde Hertha als Trainer übernahm. Der Macher des „Sommermärchens“ der WM 2006 formulierte sofort riesengroße Ziele und hatte dabei natürlich die Millionen von Investor Lars Windhorst im Rücken. Klinsmann sprach vom „spannendsten Fußballprojekt Europas“ und wollte in „3 bis 5 Jahren das Team in die Champions League führen.“

Im Januar 2020 wurden fast 80 Millionen Euro in neue Profis investiert, was damals „Winterweltrekord“ auf dem Transfermarkt bedeutete! Klinsmann posaunte damals: „Den Anspruch, irgendwann mit den Bayern auf Augenhöhe zu sein, darf man doch haben.“ Nach zehn Spielen (3 Siege, 3 Remis, 4 Niederlagen) hatte Klinsmann aber die Lust verloren und verließ Hertha durch die Hintertür.

Das Projekt „Goldelse“ lief bei Hertha BSC nicht mal ein Jahr

Große Worte, große Visionen gab es auch bereits wieder im März 2021. Der frühere Sky-Chef Carsten Schmidt hatte den Klub im Dezember 2020 als Vorsitzender der Geschäftsführung übernommen und stellte sein Strategie-Projekt namens „Goldelse“ vor, die nächsten fünf Jahre betreffend. In einem Interview mit dem Fachmagazin Horizont sagte Schmidt: „Hertha soll Berlin deutschlandweit, aber auch in Zukunft international repräsentieren. Wir wollen die größte Aufholjagd, die der deutsche und vielleicht der internationale Fußball je erlebt hat, starten.“ Schmidt verließ der Klub aus persönlichen Gründen im Oktober 2021.

Die „Goldelse“ ist längst Makulatur. Nun also Dr. Görlich. Herthas neuer Boss ist fachlich breit aufgestellt und ein meinungsstarker Mann klarer Worte. Er schaut nach vorn, treibt an und ist ein Realist mit Visionen. Sein Credo: „Alle müssen Lust auf Leistung haben!“ Mir scheint, dass seine Ziele tatsächlich irgendwann Wirklichkeit werden könnten.

Nur einmal wäre die Vision eines Ober-Herthaners fast aufgegangen. Als Dieter Hoeneß 1996 nach Berlin kam, spielte die Mannschaft schon drei Jahre später in der Champions League. 2001 machte er sein großes Ziel öffentlich: „Ich will in einigen Jahren die Meisterschale und dann mit einem Cabrio-Konvoi durchs Brandenburger Tor fahren!“ Im Mai 2009 war es beinahe tatsächlich so weit. Das Team unter Trainer Lucien Favre thronte fünfmal an der Tabellenspitze, vergab aber an den beiden letzten Spieltagen den möglichen Titel. Das Brandenburger Tor aber wäre bei einem Hertha-Triumph zum Saisonschluss am 23. Mai samt der Straße des 17. Juni ohnehin voll gesperrt gewesen. Das Bürgerfest „60 Jahre Bundesrepublik Deutschland“ wurde gefeiert …