Adventskalender im KURIER

Westpakete in der DDR: Was brachte der Weihnachtsmann in den Osten?

Vor allem in der Adventszeit brachte die Post milde Gaben aus dem Westen: Westpakete hatten in der DDR Tradition. Was war drin - und was verboten?

Author - Florian Thalmann
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Dr. Liza Soutschek vom DDR Museum Berlin kennt sich mit Westpaketen aus - im Depot des Museums lagern auch Erinnerungen an dieses Kapitel der Alltagsgeschichte der DDR.
Dr. Liza Soutschek vom DDR Museum Berlin kennt sich mit Westpaketen aus - im Depot des Museums lagern auch Erinnerungen an dieses Kapitel der Alltagsgeschichte der DDR.Markus Wächter/Berliner KURIER, DDR Museum Berlin

Es wird immer gern behauptet, dass es in der DDR viele Dinge nicht gab – der Spruch „Wir hadden ja nüscht“ wird noch heute gern genommen, um die damalige Versorgungslage zu beschreiben. An anderer Stelle heißt es gern, dass es alles gab – man brauchte nur Kontakte, um an die Dinge heranzukommen. Kontakte in den Westen waren hilfreich, denn dann gab es ab und an „Post von drüben“. Die Westpakete waren besonders zur Weihnachtszeit eine wichtige Versorgungsquelle – die Zahl der Sendungen stieg in der Vorweihnachtszeit dramatisch an. Aber: Was war drin im Westpaket? Im Berliner DDR Museum ist das noch heute belegt.

Alte Listen im DDR Museum zeigen den Inhalt der Westpakete

Zwei kleine Zettel sind es, die noch heute im Depot des DDR Museum Berlin schlummern. Man könnte sie für Einkaufslisten halten, die jemand verloren hat – doch der Einkauf muss ein seltsamer gewesen sein: Seife, Ölsardinen, Marzipankartoffeln, Datteln und gemahlene Nüsse. Es ist kein Einkaufszettel, sondern die Inhaltsliste eines Westpakets. Einer Postsendung, die einer Familie in der DDR das Fest etwas versüßte. Denn gerade zur Weihnachtszeit waren solche Sendungen der Hit. Wenn sich das Päckchen aus dem Westen öffnete und seinen besonderen Duft verströmte, von dem noch heute viele schwärmen, dann war die Freude riesig.

„Nach dem Mauerbau waren Verwandtenbesuche zuerst nur in Ausnahmefällen möglich“, erklärt Dr. Liza Soutschek vom DDR Museum Berlin. „Die Pakete halfen dabei, die Verbindungen in getrennten Familien zu halten.“ In den 80er-Jahren erlebten die Westpakete ihre Hochzeit: 25 Millionen im Jahr wurden verschickt – und ließen die Menschen im Osten zumindest ein Stückchen an der Warenwelt des Westens teilhaben. Allerdings nicht ohne Einschränkungen: „Es gab sogar genaue Grammangaben, wie viel eines bestimmten Produkts verschickt werden durfte“, sagt Soutschek.

Diese Zettel schlummern im Depot des DDR Museum Berlin - sie zeigen, was in Westpaketen enthalten war. Diese sogenannten Inhaltslisten mussten jedem Paket beiliegen.
Diese Zettel schlummern im Depot des DDR Museum Berlin - sie zeigen, was in Westpaketen enthalten war. Diese sogenannten Inhaltslisten mussten jedem Paket beiliegen.DDR Museum Berlin

Drin waren vor allem Produkte, die in der DDR schwer oder nur als Ersatzprodukt zu bekommen waren. Kaffee etwa und Schokolade, aber auch Kleidungsstücke. „Manche Dinge waren verboten, dazu gehörte auch Geld – die Leute ließen sich aber verschiedene Verstecke einfallen“, sagt Soutschek. Auch das Versenden von Tonbandkassetten war untersagt. „Denn da konnte man nicht prüfen, was drauf war.“ Das Paket musste mit dem Schriftzug „Geschenksendung, keine Handelsware“ gekennzeichnet sein. Und: Jedes Päckchen musste außerdem eine Inhaltsliste enthalten. Denn die Pakete wurden geöffnet und anhand der Liste überprüft.

Seife, Sardinen und Deo: Das alles steckte im Westpaket

Zwei der Listen liegen noch heute im Fundus des DDR Museum Berlin, sie stammen offensichtlich aus der Vorweihnachtszeit. Handschriftlich auf Papier steht dort, dass in einem Paket Seife, Ölsardinen, Deospray und eine Brieftasche enthalten war. Außerdem Dominosteine, Spritzkuchen, ein Marzipanbrot, Marzipankartoffeln, Lebkuchenherzen, Pfeffernüsse, gemahlene Nüsse und Baumbehang. Im anderen Päckchen gab es – zusätzlich zu verschiedenen Weihnachtsleckereien, noch Ananas, Kölnisch Wasser, Pudding, Kaffee, eine Strumpfhose, Thunfisch und Scheuerschwämme.

Liza Soutschek ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim DDR Museum Berlin. Mit vielen Alltagsphänomenen aus der DDR kennt sie sich bestens aus - auch mit Westpaketen.
Liza Soutschek ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim DDR Museum Berlin. Mit vielen Alltagsphänomenen aus der DDR kennt sie sich bestens aus - auch mit Westpaketen.Markus Wächter/Berliner KURIER

Westpakete wurden in der DDR von der Stasi gefilzt

Makaber: Obwohl die Westpakete von der Stasi gefilzt wurden, waren sie auf der anderen Seite auch fest eingeplant, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. „Rund 20 Prozent des Kaffees in der DDR kam beispielsweise aus Westpaketen“, sagt Soutschek. Wer rund um die Kaffeekrise im Jahr 1977 Verwandte im Westen hatte, hatte großes Glück. In der Weihnachtszeit wurden dann auch Backzutaten geschickt, die im Osten schwer zu bekommen waren – Sultaninen, Mandeln, Zitronat. „Oft wurde dann aber auch der fertige Stollen zurückgeschickt, um sich zu bedanken.“

Erinnerungen an Westpakete sind noch heute präsent

Simone Uthleb, Sprecherin des DDR Museum Berlin, erinnert sich noch heute an die Pakete aus dem goldenen Westen. „Bereits Wochen vor Weihnachten waren meine Schwester und ich voller Vorfreude, wir wussten, Tante Uschi wird uns auch in diesem Jahr ein Westpaket zu Weihnachten schicken“, sagt sie. Die Kinder durften das Paket dann mit dem Bollerwagen von der Post abholen. „Ich erinnere mich an den Geruch, schon das Paket roch anders als alles, was man sonst so in der DDR kannte. Dies lag sicherlich auch an dem Kaffee und der Seife, die mitgeliefert wurden.“

Dieses Westpaket gehört heute zum Fundus des DDR Museum Berlin - und ist heute ein echter Schatz. Der für die damalige Zeit wertvolle Inhalt ist natürlich verschwunden.
Dieses Westpaket gehört heute zum Fundus des DDR Museum Berlin - und ist heute ein echter Schatz. Der für die damalige Zeit wertvolle Inhalt ist natürlich verschwunden.DDR Museum Berlin

Nach der Wende riss der Paketstrom aber naturgemäß ab – und das sehr schnell. „Die Tante aus dem Westen, die Pakete schickt, fällt nach dem Mauerfall natürlich schnell weg, wenn es nicht mehr nötig ist“, sagt Soutschek. Die Westpakete schufen Verbindungen, aber nachhaltig sei es nicht gewesen. Und sie sorgten im Nachhinein auch für Enttäuschungen, merkte Soutschek in Gesprächen mit Zeitzeugen. „Die Menschen im Osten hielten die Produkte in den Paketen für wertvoll– und stellten dann fest, dass es sich meist um völlig normale Dinge aus dem Supermarkt handelte.“ Doch die Erinnerungen bleiben – und der Duft der Westpakete ist für viele Menschen aus dem Osten Deutschlands noch heute untrennbar mit Weihnachten verbunden.

Schicken Sie uns Ihre Erinnerungen an die Westpakete!

Erinnern Sie sich noch an die Westpakete? Was war darin – und warum waren die Päckchen für sie so besonders? Schicken Sie uns Ihre Erinnerungen per Mail an wirvonhier@berlinerverlag.com. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften!