Es wird immer gern behauptet, dass es in der DDR viele Dinge nicht gab – der Spruch „Wir hadden ja nüscht“ wird noch heute gern genommen, um die damalige Versorgungslage zu beschreiben. An anderer Stelle heißt es gern, dass es alles gab – man brauchte nur Kontakte, um an die Dinge heranzukommen. Kontakte in den Westen waren hilfreich, denn dann gab es ab und an „Post von drüben“. Die Westpakete waren besonders zur Weihnachtszeit eine wichtige Versorgungsquelle – die Zahl der Sendungen stieg in der Vorweihnachtszeit dramatisch an. Aber: Was war drin im Westpaket? Im Berliner DDR Museum ist das noch heute belegt.
Alte Listen im DDR Museum zeigen den Inhalt der Westpakete
Zwei kleine Zettel sind es, die noch heute im Depot des DDR Museum Berlin schlummern. Man könnte sie für Einkaufslisten halten, die jemand verloren hat – doch der Einkauf muss ein seltsamer gewesen sein: Seife, Ölsardinen, Marzipankartoffeln, Datteln und gemahlene Nüsse. Es ist kein Einkaufszettel, sondern die Inhaltsliste eines Westpakets. Einer Postsendung, die einer Familie in der DDR das Fest etwas versüßte. Denn gerade zur Weihnachtszeit waren solche Sendungen der Hit. Wenn sich das Päckchen aus dem Westen öffnete und seinen besonderen Duft verströmte, von dem noch heute viele schwärmen, dann war die Freude riesig.
„Nach dem Mauerbau waren Verwandtenbesuche zuerst nur in Ausnahmefällen möglich“, erklärt Dr. Liza Soutschek vom DDR Museum Berlin. „Die Pakete halfen dabei, die Verbindungen in getrennten Familien zu halten.“ In den 80er-Jahren erlebten die Westpakete ihre Hochzeit: 25 Millionen im Jahr wurden verschickt – und ließen die Menschen im Osten zumindest ein Stückchen an der Warenwelt des Westens teilhaben. Allerdings nicht ohne Einschränkungen: „Es gab sogar genaue Grammangaben, wie viel eines bestimmten Produkts verschickt werden durfte“, sagt Soutschek.

Drin waren vor allem Produkte, die in der DDR schwer oder nur als Ersatzprodukt zu bekommen waren. Kaffee etwa und Schokolade, aber auch Kleidungsstücke. „Manche Dinge waren verboten, dazu gehörte auch Geld – die Leute ließen sich aber verschiedene Verstecke einfallen“, sagt Soutschek. Auch das Versenden von Tonbandkassetten war untersagt. „Denn da konnte man nicht prüfen, was drauf war.“ Das Paket musste mit dem Schriftzug „Geschenksendung, keine Handelsware“ gekennzeichnet sein. Und: Jedes Päckchen musste außerdem eine Inhaltsliste enthalten. Denn die Pakete wurden geöffnet und anhand der Liste überprüft.
Seife, Sardinen und Deo: Das alles steckte im Westpaket
Zwei der Listen liegen noch heute im Fundus des DDR Museum Berlin, sie stammen offensichtlich aus der Vorweihnachtszeit. Handschriftlich auf Papier steht dort, dass in einem Paket Seife, Ölsardinen, Deospray und eine Brieftasche enthalten war. Außerdem Dominosteine, Spritzkuchen, ein Marzipanbrot, Marzipankartoffeln, Lebkuchenherzen, Pfeffernüsse, gemahlene Nüsse und Baumbehang. Im anderen Päckchen gab es – zusätzlich zu verschiedenen Weihnachtsleckereien, noch Ananas, Kölnisch Wasser, Pudding, Kaffee, eine Strumpfhose, Thunfisch und Scheuerschwämme.

Westpakete wurden in der DDR von der Stasi gefilzt
Makaber: Obwohl die Westpakete von der Stasi gefilzt wurden, waren sie auf der anderen Seite auch fest eingeplant, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. „Rund 20 Prozent des Kaffees in der DDR kam beispielsweise aus Westpaketen“, sagt Soutschek. Wer rund um die Kaffeekrise im Jahr 1977 Verwandte im Westen hatte, hatte großes Glück. In der Weihnachtszeit wurden dann auch Backzutaten geschickt, die im Osten schwer zu bekommen waren – Sultaninen, Mandeln, Zitronat. „Oft wurde dann aber auch der fertige Stollen zurückgeschickt, um sich zu bedanken.“
Erinnerungen an Westpakete sind noch heute präsent
Simone Uthleb, Sprecherin des DDR Museum Berlin, erinnert sich noch heute an die Pakete aus dem goldenen Westen. „Bereits Wochen vor Weihnachten waren meine Schwester und ich voller Vorfreude, wir wussten, Tante Uschi wird uns auch in diesem Jahr ein Westpaket zu Weihnachten schicken“, sagt sie. Die Kinder durften das Paket dann mit dem Bollerwagen von der Post abholen. „Ich erinnere mich an den Geruch, schon das Paket roch anders als alles, was man sonst so in der DDR kannte. Dies lag sicherlich auch an dem Kaffee und der Seife, die mitgeliefert wurden.“

Nach der Wende riss der Paketstrom aber naturgemäß ab – und das sehr schnell. „Die Tante aus dem Westen, die Pakete schickt, fällt nach dem Mauerfall natürlich schnell weg, wenn es nicht mehr nötig ist“, sagt Soutschek. Die Westpakete schufen Verbindungen, aber nachhaltig sei es nicht gewesen. Und sie sorgten im Nachhinein auch für Enttäuschungen, merkte Soutschek in Gesprächen mit Zeitzeugen. „Die Menschen im Osten hielten die Produkte in den Paketen für wertvoll– und stellten dann fest, dass es sich meist um völlig normale Dinge aus dem Supermarkt handelte.“ Doch die Erinnerungen bleiben – und der Duft der Westpakete ist für viele Menschen aus dem Osten Deutschlands noch heute untrennbar mit Weihnachten verbunden.





