Kolumne „Wir im Osten“

Süße Oster-Deko aus dem Erzgebirge: Nicht ohne meine Ost-Häschen!

In vielen Wohnungen und Häusern wird momentan die Oster-Deko aufgestellt. Bei KURIER-Autor Florian Thalmann hängen daran Kindheitserinnerungen.

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Solche Osterhasen aus dem Erzgebirge stehen momentan auf vielen Regalen im Osten Deutschlands.
Solche Osterhasen aus dem Erzgebirge stehen momentan auf vielen Regalen im Osten Deutschlands.Florian Thalmann/Berliner KURIER

Schon am vergangenen Wochenende stand bei mir der Frühjahresputz an. Ich wischte den Winter-Staub von den Schränken, schrubbte den Boden, räumte auf. Ich nahm mir sogar die Fenster vor, befreite sie vom Dreck der kalten Jahreszeit – bei den bodentiefen nenne ich es gern „Bauch-Beine-Po für Fortgeschrittene“. Und dann, nachdem alles strahlte und glänzte, kam der schönste Augenblick: Ich holte die Oster-Dekoration aus dem Keller. Stunden später schmücken zahlreiche Holz-Häschen die Regale. Für die einen sind es Staubfänger – für mich stecken diese putzigen Figürchen voller Kindheitserinnerungen. Und sind mein kleiner Beitrag zur Pflege alter Traditionen.

Osterhasen aus dem Erzgebirge: Sie sind mehr als nur Staubfänger

Ich wuchs in der Sächsischen Schweiz auf, in einem Dorf namens Schmilka, einem Ortsteil der Kurstadt Bad Schandau – erstaunlich viele Menschen kennen diesen Landstrich von ihren Wander-Urlauben. Das Schmücken zu Festtagen war bei uns immer sehr wichtig und wurde zelebriert, was sicherlich auch an der Nähe zum Erzgebirge liegt. Das zeigt auch die Art der Deko: Ich kann mir nur schwer vorstellen, mir österlichen oder weihnachtlichen Plastik-Schmuck hinzustellen. Die Liebe für das Handgemachte und die erzgebirgische Volkskunst ist es, die mich – obwohl ich als Jahrgang 1990 den „echten Osten“ nie erlebte – irgendwie stark mit ihm verbindet.

Es ist eine Liebe, die von Freunden oft etwas misstrauisch beäugt wird. In der Weihnachtszeit verwandelt sich meine Wohnung in ein wahres Spielzeugland voller Nussknacker und Räuchermännchen. Der schönste Spruch, den ich mal von einem Gast bei einer Party hörte, war: „Du nimmst das mit Weihnachten schon ernst, oder?“ Zum Osterfest fällt die Deko etwas spärlicher aus, aber trotzdem möchte ich meine kleinen Holz-Häschen aus den Schnitzer-Werkstätten nicht missen.

Es sind Stücke wie das Hasen-Paar, das ich von meinen Eltern zum ersten Osterfest nach meinem Auszug bekam – als ich noch gar nichts zum Hinstellen hatte. Auf dem Fensterbrett in der Küche steht ein Hase, der ein großes, rotes Herz in den Händen hält. Den schenkte ich als Jugendlicher meiner Oma, und als sie vor vier Jahren starb und wir ihre Oster-Schätze aufteilten, bekam ich ihn zurück. Heute erinnert er mich an sie. Die vier Hasen-Kinder, die auf einem Regal ihre Ostereier bemalen, kommen von der Cousine meiner Oma, die für mich nur „Tante Lilo“ war. Sie lebte in Chemnitz, die Hasen gaben mir meine Eltern als Geschenk für sie mit, als ich die Winterferien bei ihr verbringen durfte. In der Schwimmhalle neben ihrem Plattenbau – eines der DDR-Gebäude mit dem typischen Wellendach – machte ich das Seepferdchen. Als sie starb, landeten die Häschen wieder bei mir, denn sie hatte die Schachtel mit „Florian 1997“ beschriftet.

Zwei Hasen holen Osterwasser: Dieser besondere Oster-Schmuck erinnert an eine alte Tradition.
Zwei Hasen holen Osterwasser: Dieser besondere Oster-Schmuck erinnert an eine alte Tradition.Florian Thalmann/Berliner KURIER

Die wohl schönste Kindheitserinnerung birgt aber mein Häschen-Set „Osterwasser“. Ein Hasen-Papa mit seinem kleinen Sohn, beide haben kleine Eimer in den Händen, daneben steht eine Wasserpumpe mit einem Fass darunter. Das morgendliche Holen von Osterwasser gehörte bei uns am Ostersonntag immer dazu: Mein Vater und ich standen auf, zogen uns an, liefen durch die manchmal klirrende Kälte zur Ilmenquelle, einer Bergquelle, aus der frisches Wasser strömte. Wir wuschen uns die Gesichter, das soll angeblich Schönheit bringen. Dann füllten wir Wasser in einen großen Glas-Krug, nahmen es mit, meine Mutter kochte damit zum Frühstück Kaffee und Tee.

Osterwasser holen: Wenn man redete, wurde daraus „Plapperwasser“

Wichtig war aber, dass man vom Aufstehen bis zur Rückkehr nach Hause kein Wort sprach – sonst wurde daraus „Plapperwasser“, das seine Wirkung verlor. Mein Vater hielt die Osterwasser-Tradition über Jahrzehnte aufrecht, ging erst allein, nahm dann uns Kinder mit. Manche Bewohner unseres Dorfes wussten es schon, standen dann am Ostermorgen vor ihren Haustüren, um uns mit einem freundlichen „Guten Morgen“ zum Quatschen zu bringen. Inzwischen bin ich weggezogen, meine Eltern sind es auch – und Osterwasser gibt es keins mehr. Doch die kleinen Häschen aus Holz erinnern mich immer an diese wunderschöne Tradition.

Wie schmücken Sie zum Fest – und haben auch Sie solche Stücke, an denen echte Erinnerungen hängen? Ich glaube, so etwas hat jeder. Manchmal frage ich mich aber: Was passiert damit, wenn in dreißig, vierzig Jahren niemand mehr diese Traditionen pflegt? Meine Eltern haben sich Mühe gegeben, all das an uns Kinder weiterzugeben. Doch ich werde keine Kinder haben. Es macht mich sehr traurig, wenn ich mir vorstelle, dass irgendwann ein Räumungs-Unternehmen kommt und meine Osterwasser-Häschen in den Müllcontainer schmeißt. Aber so ist der Lauf der Dinge. Bis dahin dauert es aber hoffentlich noch etwas – und ich habe Zeit, beim jährlichen Auspacken der Kisten mit meinen Erzgebirgs-Hasen in die Kindheit abzutauchen.

Florian Thalmann schreibt eigentlich jeden Mittwoch über Tiere, in dieser Woche aber geht es um den Osten – in Vertretung von Norbert Koch-Klaucke. Kontakt per Mail: wirvonhier@berlinerverlag.com