Sind Rücktritte von Top-Politiker ein Phänomen von Demokratien? Eher nicht, auch wenn uns das wegen der Rücktritte von Grünen-Chefin Ricarda Lang und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert vielleicht so vorkommen mag. Wie war das eigentlich in der DDR?
In der DDR gab es einige bemerkenswerte Rücktritte und Entmachtungen von Politikern, die natürlich oft eng mit innerparteilichen Machtkämpfen, ideologischen Reibereien oder dem zunehmenden Druck von außen zusammenhingen. Im System der DDR war es allerdings selten, dass politische Rücktritte öffentlich transparent gemacht oder offen diskutiert wurden. Hier sind einige der bekanntesten politischen Rücktritte, bei vielen ging es eigentlich um Entmachtung:
1. Walter Ulbricht (1971) – erzwungener Rücktritt. Walter Ulbricht war die zentrale Figur beim Aufbau der DDR und amtierte als Generalsekretär des Zentralkomitees (ZK) der SED, außerdem als Vorsitzender des Staatsrats. Seit 1950 war Ulbricht („Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“) der mächtigste Politiker der DDR. In den späten 60er-Jahren stieß seine autoritäre Politik und sein Festhalten an festen ökonomischen Plänen auf wachsenden Widerstand innerhalb der SED und der Sowjetunion.
Der sowjetische Parteichef Leonid Breschnew drängte schließlich auf Ulbrichts Absetzung. 1971 musste er aus gesundheitlichen Gründen „freiwillig“ als Generalsekretär zurücktreten. Sein Nachfolger, Erich Honecker, übernahm die Macht, und Ulbricht verlor allmählich seine politische Bedeutung. Dies war ein erzwungener Rücktritt, der hinter den Kulissen auch von Honecker durchgesetzt wurde.
DDR-Politiker zum Rücktritt gezwungen
2. Erich Honecker (1989) – erzwungener Rücktritt. Erich Honecker führte die DDR von 1971 bis 1989 und war eine Schlüsselfigur in der SED. Unter seiner Führung verschärfte sich der politische und wirtschaftliche Stillstand in der DDR. Mit dem Beginn der friedlichen Revolution und den massiven Protesten der Bevölkerung gegen das Regime im Herbst 1989 geriet Honecker zunehmend unter Druck. Die Parteiführung beschloss schließlich, ihn zum Rücktritt zu drängen, um den Sturz des Regimes zu verhindern.
Am 18. Oktober 1989 trat Honecker offiziell „aus gesundheitlichen Gründen“ zurück. Dies geschah jedoch unter dem Druck der Massenproteste und einer reformorientierten Gruppe innerhalb der SED, die versuchte, die DDR durch moderate Veränderungen zu retten. „Kronprinz“ Egon Krenz übernahm Honeckers Posten, konnte jedoch den Untergang der DDR nicht aufhalten. Erich Honecker starb am 29. Mai 1994 in Santiago de Chile.

3. Günter Schabowski (1989) – Rücktritt nach der Wende. Günter Schabowski war ein hochrangiger SED-Funktionär und Pressesprecher des Zentralkomitees, von 1978 bis 1985 auch Chefredakteur des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland“. Am 9. November 1989 spielte er eine entscheidende Rolle bei der Verkündung der Lockerung der Reisebestimmungen, was schließlich indirekt zum Fall der Berliner Mauer führte.
In den turbulenten Wochen nach dem Mauerfall wurde Schabowski zunehmend kritisiert, sowohl innerhalb der Partei als auch von der Bevölkerung. Im Dezember 1989 trat er von allen Parteiämtern zurück. Schabowski distanzierte sich später vollständig von der SED und wurde zu einer der umstrittensten Figuren der Wendezeit. Schabowski starb am 1. November 2015 in Berlin.

4. Willi Stoph (1989) – Rücktritt des Ministerratsvorsitzenden. Willi Stoph (er starb 1999) war einer der wichtigsten Politiker der DDR und mehrfach Vorsitzender des Ministerrats (1964–1973, 1976–1989). Auch er geriet im Zuge der Proteste gegen das Regime im Herbst 1989 unter Druck. Am 7. November 1989 trat der Reformbremser Stoph gemeinsam mit fast der gesamten Regierung zurück. Dies war ein symbolischer Akt, der die tiefe Krise des DDR-Systems unterstrich. Der Rücktritt Stophs und seiner Regierung markierte einen weiteren Schritt in Richtung des endgültigen Zusammenbruchs der DDR.