Relikte aus der DDR

Eierspaghetti, Erika, Erichs Orden: DDR Museum zieht in den Osten

In einem ambitionierten Kraftakt transportiert das DDR-Museum über 350.000 Objekte von Berlin-Spandau nach Marzahn. Im nächsten Jahr soll dort ein neuer Standort eröffnet werden. 

Author - Stefanie Hildebrandt
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Papier und Zeitungen und auch dieses Honecker-Bild, das in jedem Büro hing, werden in einem neuen klimatisierten Raum untergebracht. UV-Licht ist der Tod für Druckerzeugnisse, Plaste und Elaste. 
Papier und Zeitungen und auch dieses Honecker-Bild, das in jedem Büro hing, werden in einem neuen klimatisierten Raum untergebracht. UV-Licht ist der Tod für Druckerzeugnisse, Plaste und Elaste. Jordis Antonia Schlösser/ Ostkreuz

Flaschen mit Berliner Weiße, ein Karton rote Fähnchen, tausende Orden und die Wohnzimmer-Schrankwand von Wilhelm Pieck, Trabis, Geschirr und Aprikosen-Konserven aus der DDR: Etwa 350.000 Sammlungsstücke des DDR-Museums gehen in diesen Tagen auf eine Reise von Spandau nach Marzahn.

Im jetzigen Depot des DDR-Museums werden gerade die ersten Kisten gepackt. In der 1700 Quadratmeter großen Halle läuft noch bis zum Jahresende eine logistische Großoperation.

Wer von außen zuschaut, sieht Choas, doch im Inneren hält akribische Vorplanung, Expertise und der Wille zum zügigen Vollzug die Sache zusammen.

Bis zu 300 Kisten packen Mitarbeiter wie Daniel Stratmann jeden Tag. Ende des Jahres soll der Umzug des Depots beendet sein.
Bis zu 300 Kisten packen Mitarbeiter wie Daniel Stratmann jeden Tag. Ende des Jahres soll der Umzug des Depots beendet sein.Jordis Antonia Schlösser/ Ostkreuz

Neun Minuten pro Kiste darf ein Mitarbeiter benötigen, das hat Sven Kunze ausgerechnet. 300 Kisten werden am Tag gepackt, neun Wochen lang, elf Wochen lang fahren die Lkw dann von West nach Ost. Sven Kunze hat der Firma K-Support den operativen Hut auf, wenn es an den Abbau der Regale und den Transport geht. Den Spezialauftrag, ein ganzes DDR-Museumsdepot umziehen zu lassen, mag der Hallenser sehr. Kein Tag, an dem beim Packen und beim Wühlen in der Vergangenheit nicht Erinnerungen wach werden. „Das hatten wir doch auch.“ „Diese Tasse ist der Mutter mal heruntergefallen.“ Ein einziges „Ach ja“ und „Weißt du noch“ ist dieser Job.

Weltweit größte Sammlung an DDR-Objekten

Bisher sind etwa 15 Prozent der Sammlungsstücke des DDR-Museums, das die weltweit größte Sammlung an Objekten aus dem DDR-Alltag zusammengetragen hat, in einer Datenbank katalogisiert, den Umzug wollen die Museums-Macher auch dazu nutzen, weitere Bereiche in der Sammlung zu digitalisieren. Oder zumindest Vorarbeit dafür zu leisten. Die große Inventur läuft quasi nebenbei ab. 

Jedes Ding, jede Kiste bekommt während des Umzugs eine Nummer und einen Regalplatz zugeordnet. Im neuen Depot werden die Objekte dann wie in einem Amazon-Lager erreichbar sein. Ein Hubwagen fährt bei Bedarf bis unter die Hallendecke, wo etwa Pittiplatsch-Puppe oder Polylux mittels eigener Katalognummern schnell zu finden sein werden.

Beim Sortieren der Simsons und Schwalben haben sich die Mitarbeiter ordentlich blaue Flecke geholt. Sperrig sind die Teile, die Zweiräder werden am neuen Standort in einer eigenen Halle präsentiert, sagt Eric Stromeier-Wimmer, der Ausstellungsleiter im DDR Museum. 
Beim Sortieren der Simsons und Schwalben haben sich die Mitarbeiter ordentlich blaue Flecke geholt. Sperrig sind die Teile, die Zweiräder werden am neuen Standort in einer eigenen Halle präsentiert, sagt Eric Stromeier-Wimmer, der Ausstellungsleiter im DDR Museum. Jordis Antonia Schlösser/ Ostkreuz

An diesem Dienstagvormittag liegen in den eigens angefertigten Umzugskisten bereits Schätze und Alltagsgegenstände eines ganzen Volkes: Lampenschirme in Packpapier. Alulöffel, Porzellantassen. Folie umhüllt Fernseher und andere Haushaltsgeräte. „Alle funktionstüchtig“, wie Ausstellungsleiter Eric Strohmeier-Wimmer betont. Seit es nun endlich losgeht mit dem Umzug ist der wissenschaftliche Leiter der Sammlung ruhiger, die logistischen Vorplanungen im Vorfeld aber haben ihm so manche schlaflose Nacht beschert. 

Marmor aus dem Palast der Republik

Am Ende werden es 150 Touren per LKW sein, die zwischen West und Ost hin und her pendeln. Mit an Bord, Digitalkassetten, Tapeten, Eierspaghetti und alles, was die DDR sonst noch ausrangiert hat. An einem Hallenende lagert Marmor aus dem Palast der Republik, die Bestuhlung der Volksammer ist ebenfalls schon bereit zum Abtransport. Der Umzug nach Marzahn ist ein Nach-Hause-Kommen.  Viele Leben liegen hier und Stoff für Geschichten.

Auch diese Geschichten sollen am neuen Standort erzählt werden. Denn das neue DDR-Depot soll öffentlich zugänglich sein. Es wird einen Club geben, ausgestattet mit DDR-Möbeln. Auf 12 Metern Länge werden die Kuratoren DDR-Schrankwände aufbauen, hinter deren Türen sich Exponate verbergen.  Ein Ort zum Erinnern und zum Schwelgen, ein Ort, der ein Lebensgefühl revitalisiert.

Ein Ort zum Erinnern: das DDR-Depot in Marzahn

An den Wochenenden werden Veranstaltungen organisiert, der Eintritt im DDR-Depot soll deutlich günstiger sein als der im Museum in Mitte, wo vor allem viele Touristen oder Schulklassen sich einen interaktiven Überblick über das Leben in der DDR verschaffen. „Der Eintritt wird eher symbolisch sein“, verspricht Quirin Graf Adelmann, der Chef des DDR-Museums.

Multicar und Lenin-Büste ziehen ins neue Depot des DDR-Museums in Marzahn. 
Multicar und Lenin-Büste ziehen ins neue Depot des DDR-Museums in Marzahn. Jordis Antonia Schlösser/ Ostkreuz

Etwa drei Millionen investiert das privat betriebene Museum in den neuen Standort im Osten der Stadt.  Dort am Marzahner Pyramidenring wird das Depot des DDR-Museums in guter Gesellschaft sein, das ORWO-Haus etwa ist am Kulturstandort schon vertreten.  

Der Umzug soll bis Ende Januar geschafft sein, die Eröffnung der neuen Halle ist für Februar 2025 geplant. „Wir liegen gut im Zeitplan“, sagt Eric Strohmeier-Wimmer. In der DDR hätte es für diese Logistik-Leistung mindestens einen Orden gegeben. ■