Kein Grimm-Märchen

Die Wahrheit über den Kultfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“

Der Märchenfilm aus dem Jahr 1973 begeistert Generationen zu Weihnachten. Doch wer glaubt, die Geschichte wurde nach den Gebrüdern Grimm gedreht, der irrt.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Der Prinz (Pavel Travnicek) zieht Aschenbrödel (Libuse Safrankova) den verlorenen Schuh an: Der Klassiker „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ist nach wie vor der TV-Hit zu Weihnachten.
Der Prinz (Pavel Travnicek) zieht Aschenbrödel (Libuse Safrankova) den verlorenen Schuh an: Der Klassiker „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ist nach wie vor der TV-Hit zu Weihnachten.WDR/Degeto/dpa

Alle Jahre wieder: Weihnachten ohne den Kultfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ im Fernsehen ist undenkbar. Der Märchenklassiker, der 1973 erstmals gezeigt wurde und den die Tschechen zusammen mit der Defa aus der DDR produzierten, ist in diesem Jahr gleich 15 Mal bei den Sendern der ARD zu sehen. Doch über den Film ist noch nicht alles erzählt. Denn es gibt eine Wahrheit, die so manchen „Aschenbrödel“-Fan überraschen dürfte.

Die Geschichte um das liebe Aschenbrödel (Libuse Safrankova), das von ihrer bösen Stiefmutter und deren Tochter tyrannisiert wird und die mithilfe von drei Haselnüssen ihren Traumprinzen findet: Diese Verfilmung begeistert Generationen von Zuschauern. Fast alle glauben, dass die Handlung auf dem „Aschenputtel“-Märchen der Gebrüder Grimm basiert.

„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“: Das Grimm-Märchen war nicht die Vorlage

Doch die Geschichte, die die Volkskundler Jacob Grimm (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859) 1812 erstmals veröffentlichten, nahm der tschechische Drehbuchautor Frantisek Pavlicek gar nicht zum Vorbild. Tatsächlich diente ein anderes Märchen als Vorlage.

Die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm: Nach ihrem Märchen entstand der Film „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ nicht.
Die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm: Nach ihrem Märchen entstand der Film „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ nicht.H. Tschanz-Hofmann/imago

Experten erklären, dass es über 400 Versionen der „Aschenputtel“-Erzählung geben soll. Auch die Tschechen haben ihre eigene Geschichte. Sie stammt von der Autorin Bozena Nemcova (1820–1862), die wie die Gebrüder Grimm Volksmärchen sammelte, sie neu erzählte und veröffentlichte.

„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“: Eine Tschechin lieferte den Stoff für die Filmgeschichte

1843 schrieb Nemcova ihre Version von dem armen Aschenputtel, 31 Jahre nach den Gebrüdern Grimm. „O Popelce“ hieß es – zu Deutsch „Über Aschenputtel“. Anders als die Grimm-Brüder bastelte sie die drei Haselnüsse in ihrer Märchenversion ein, die dem Aschenputtel als Wunschinstrumente dienten. Bei den Gebrüdern Grimm ist es der Baum am Grab der Mutter, der Aschenputtel ihre Wünsche erfüllt.

In Tschechien wird die Autorin Bozena Nemcova auf dem 500-Kronen-Schein gezeigt.
In Tschechien wird die Autorin Bozena Nemcova auf dem 500-Kronen-Schein gezeigt.Schöning/imago

Natürlich nahm Drehbuchautor Pavlicek das tschechische Märchen als Grundlage für den Film „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Und auch er hielt sich nicht genau an die Vorlage. Statt im Sommer spielt die Handlung im Film im Winter.

Der Franzose Charles Perrault (1628–1703) soll als erster Schriftsteller das „Aschenputtel“-Märchen aufgeschrieben haben.
Der Franzose Charles Perrault (1628–1703) soll als erster Schriftsteller das „Aschenputtel“-Märchen aufgeschrieben haben.Gemini Collection/imago

Das hatte auch einen Grund. Die Tschechen hatten von Anfang an „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ als Weihnachtsfilm geplant. Seine Kino-Premiere war am 16. November 1973. In der DDR war diese erst am Frauentag des Folgejahres (8. März 1974).

In der Bundesrepublik setzte man dagegen auf die Weihnachtsidee. Das Kultmärchen lief dort am 19. Dezember 1974 erstmals über die Leinwand, bevor es im Westen ein Jahr später zu Weihnachten im TV zu sehen war.

Zurück zur Entstehung des Märchens: Auch die Gebrüder Grimm haben das Aschenputtel-Märchen nicht wirklich als Erste erzählt. Der Ursprung ihrer Geschichte basierte auf die Erzählung „Aschenputtel oder der kleine Glasschuh“ des französischen Autors Charles Perrault (1628–1703).

Bei ihm verwandelt sich ein Kürbis in eine wundervolle Kutsche, gezogen von Mäusen, die sich in Pferde verwandeln. Aus diesem Märchen machte übrigens Walt Disney seinen Zeichentrickfilm „Cinderella“ (1950).