Urlaub machen wie 1986 – das ist das Motto, unter dem sich die Gäste in einem früheren DDR-Ferienlager an der Ostsee einfinden. Candy Dassler hat als Sohn eines Mitarbeiters des VEB Rationalisierung Gera hier schon sehr früh selbst Urlaub gemacht. „Ich kam so mit zwei oder drei Jahren das erste Mal hierher und habe bis zur Wende fast jeden Sommer hier verbracht“, berichtet er.
Als sich 2017 die Gelegenheit bot, das Gelände, das sein Vater mit aufgebaut hatte, zu erwerben, griff er zu. Dassler war erstaunt, als er sah, dass die Bungalows nach 15 Jahren Leerstand zum Teil noch im Zustand wie vor der Wende waren. „Die originalen Möbel und Geräte standen noch drin. Vom Bett über die Tische bis hin zu Radios und Vorhängen“, berichtet Candy Dassler, die Unterkünfte heute mit seiner Firma DeinBungalow.de auch im Internet vermarktet.
Einzig die Polstermöbel seien nicht mehr brauchbar gewesen. Die habe er durch die bekannten Z-Stühle von Ernst Moeckl ersetzt. Heute können Gäste in 13 DDR-Bungalows genauso Urlaub machen wie früher. Und das nutzen viele Besucher. Heute verbringt Dassler mit seiner Familie auch selbst wieder die Sommer im Betriebsferienlager Gera – wie einst in seiner Kindheit.

Autos aus dem gesamten Osten machen im DDR-Ferienlager Urlaub
Auf den Parkplätzen reihen sich vor allem Autos mit Kennzeichen aus den ostdeutschen Bundesländern aneinander – aber auch so mancher aus dem Westen oder gar aus dem nichtsozialistischen Ausland. Auch Familie Wolf macht Urlaub wie in der DDR. „Am Anfang war es ein ganz schöner Schock“, sagt Christian Wolf. Der 40-Jährige stammt aus Leipzig, lebt aber mittlerweile bei Kopenhagen in Dänemark.
Besonders für seine Frau Mia (35) sei es eine ziemliche Umstellung gewesen. „In Dänemark sind die Ferienhäuser viel komfortabler“, berichtet sie. Die DDR-Bungalows hingegen haben nicht einmal eigene Sanitäranlagen. „Aber man gewöhnt sich dran, und mittlerweile finden wir es richtig gemütlich“, meint Christian Wolf. Auch seine Eltern sind mit von der Partie, so verbringen drei Generationen den Sommer zusammen an der Ostsee. Die Kinder hätten auf jeden Fall Spaß, und wegen der Ruhe schlafe man super. „Für den Preis können wir es weiterempfehlen“, sagt Christians Vater Klaus-Dieter Wolf (69).

Günstiger Urlaub lockt viele Gäste
Der Preis lockt in der Tat viele Gäste. Denn auch wenn es weniger komfortabel als die voll ausgestatteten Ferienwohnungen auf der Insel ist, so könne man hier immerhin eine Woche im DDR-Bungalow für unter 500 Euro verbringen. Hinzu kommen jedoch noch Kosten für Strom, Wasser und Abwasser, die Endreinigung und die Kurtaxe. Für eine vierköpfige Familie sind das noch mal um die 200 Euro.
Wem das trotzdem zu viel ist, der kann noch günstiger schlafen. So stehen wie an einer Perlenkette aufgereiht, fünf Trabants mit Dachzelt nebeneinander. In den Zelten von Gerhard Müller, die wie zu DDR-Zeiten „Villa Sachsenruh“ genannt werden, können Gäste einen günstigen Urlaub nur knapp 200 Meter von der Ostsee entfernt verbringen. „Man hört nachts das Wellenrauschen“, berichtet Micha Beiger aus Halle (Saale). „Es war spitzenmäßig. Sehr bequem“, zieht Beiger, der dort zusammen mit Partnerin Conny Baufeld übernachtet hat, sein Fazit. „Wir hatten so ein Ding nicht. Ich hab es jetzt 40 Jahre später nachgeholt“, sagt der 57-Jährige. Die Matratzen in den Zelten machten das Camping komfortabel.
Einzig der Waschcontainer für die Anlage ist nicht mehr original und wurde neu gebaut. Aber er ist sehr sauber. Jedoch könne es in den Stoßzeiten dafür mal enger werden. „Ich bin deshalb schon sehr früh aufgestanden. So war ich der Erste zum Duschen“, berichtet Beiger.

Auch DDR-Dachzelte und Wohnwagen locken Gäste
Neben den Dachzelten stehen auch diverse Wohnwagen auf dem Gelände, die ebenfalls gemietet werden können. So finden nicht nur das bekannte Dübener Ei und der weitverbreitete Qek Junior Plätze zwischen den vielen Bäumen. Gäste der Anlage können auch in echten DDR-Raritäten schlafen. „Hier stehen auch zwei Intercamp-Wohnwagen“, so Candy Dassler. Auch sie alle sind original wie in der DDR eingerichtet.
Die finden auch ihre Mieter. „Ich bin allein hier, und für das Dachzelt war ich nicht mutig genug“, scherzt Thomas Hummel. Der 38-jährige gebürtige Zwickauer lebt seit langem im Westen, aber wollte sich das Ferienlager mal anschauen. „Das erinnert mich alles an früher, auch an die Zeit nach der Wende“, sagt er. An die DDR selbst erinnere er sich kaum noch. „Ich war mal mit meiner Mutter im FDJ-Lager in Karl-Marx-Stadt. Da hing ein Bild von Erich Honecker. Den hielt ich für meinen Opa, weil sie die gleiche Brille hatten“, so Hummel. Auch für ihn sei die Zeitreise zurück in die Kindheit gar nicht schlecht. „Ich schlafe richtig geil“, berichtet er.

Stille wie zu DDR-Zeiten
Hinter der Anlage geht eine steile Treppe zum Strand hinunter. Dort kann wie in der DDR auch ganz stilecht FKK-gebadet werden. Am Ost-Seekiosk gibt es dreimal die Woche Essen aus der DDR-Schulküche, Ostprodukte und das hauseigene Bier der Marke „Ostler“ – gebraut natürlich in einer Ost-Brauerei.
Und auch die nötige Ruhe gibt es, denn an vielen Orten im DDR-Ferienlager ist man von der Außenwelt nach heutigen Maßstäben abgeschnitten. Betreiber Candy Dassler findet das aber gar nicht schlecht. „In der DDR gab es schließlich weder Handy noch Internet“, sagt er. Es soll schließlich alles so original wie möglich sein. ■