Es ist das Jahr 1989 und in der DDR steht es nicht zum Besten. Das Volk hat die Nase voll von Stasi und SED-Diktatur. Scharenweise verlassen die Menschen das Land. Was kaum einer heute noch weiß: Genau in der Zeit, in der der SED-Staat buchstäblich am Boden liegt, taucht ein indischer Guru auf und will Stunden vor dem Mauerfall die DDR haben.
Bhagwan Shree Rajneesh ist ein in der westlichen Welt bekannter Sektenführer. Sein Reichtum ist legendär. In den 60er- und 70er-Jahren hat er nicht nur eine gewaltige Schar von Jüngern um sich gesammelt, die ihm bereitwillig ihre Besitztümer überschrieben haben sollen. Er hat auch mit ihrer Hilfe ein Millionen-Imperium aufgebaut.
Darunter sind neben weltweiten Meditationszentren auch Pharmafirmen, eine eigene Fluglinie und Diskotheken. Zu den bekanntesten Nobeltanzläden gehört das „Far Out“, das sich in West-Berlin in Ku‘damm-Nähe befindet und jährlich vier Millionen D-Mark in die Kasse des indischen Gurus spült.

Er schmückte sich mit teuren Uhren und Glitzer-Roben. 93 Rolls Royce soll er besessen haben. Und dennoch plagen Bhagwan Shree Rajneesh große Sorgen.
Er weiß nicht wohin mit seiner in roten Kutten gekleideten Jünger-Schar, die er mit seinen Predigten von der Freiheit des Geistes und der Sexualität begeisterte und die ihm daher überallhin bedingungslos folgten. Sogar in die USA, wo der Guru eine Sekten-Stadt aufbaute. Da die Vereinigen Staaten den Guru aber auswiesen und er auch in Indien wegen Steuergeschichten nicht bleiben kann, soll ihn nun ausgerechnet die DDR aus der Klemme helfen.

Dabei haben die Machthaber im SED-Staat in den Herbsttagen vor 35 Jahren ganz andere Sorgen. Ihnen laufen massenhaft die Menschen weg. Schätzungen zufolge haben 1989 schon 200.000 DDR-Bürger das Land in Richtung Bundesrepublik verlassen. Die Folge: In der DDR fehlt es in Fabriken immer mehr an Arbeitern, in Kliniken verschwinden Ärzte und Pflegepersonal.
Vor 35 Jahren: Die DDR soll einem indischen Guru aus der Klemme helfen
Genau für dieses Problem hat der Guru nun eine Lösung, die er der DDR anbieten will, damit dieser Staat im Gegenzug ihm aus Patsche hilft. Und so sitzt Bhagwan Shree Rajneesh am 9. November 1989 um die Mittagszeit im indischen Poona in seinem Büro und diktiert seiner Gefährtin und Sekretärin Sheela einen Brief an die DDR-Regierung.
„Wenn die gegenwärtige Situation weiter anhält, wird die DDR bald völlig leer sein“, beginnt der Guru, der sich mittlerweile Osho nennt. Und er kommt schnell auf den Punkt: „Meine Jünger sind bereit das Vakuum zu füllen; eine entvölkerte DDR könnte zur neuen internationalen Gemeinde für Anhänger der erleuchteten mystischen Osho werden.“
Als hätte der Guru geahnt, dass am Abend des 9. November die Mauer fallen würde, schlägt er der DDR vor: „Die DDR-Führung hat zwei Möglichkeiten: Sich mit der Bundesrepublik zu vereinigen oder ein neues Experiment zu wagen, die Verbindung des Kommunismus mit der Meditation.“
Der Brief des Gurus erreicht die DDR-Machthaber Tage nach der Maueröffnung. Sie wissen, damit sind die Tage des SED-Staates gezählt, haben daher ganz andere Probleme. So landet das Schreiben aus Indien in einer Akte.
Was aus dem Guru wurde? Er starb am 19. Januar 1990 im Alter von 58 Jahren. Seine Jünger leben verteilt auf der ganzen Welt. Allein in Deutschland soll es noch Tausende Anhänger geben.