Fast 60.000 Starter

Voll auf Ibuprofen: Wie sich Hobbyläufer für den Berlin-Marathon dopen

Am Wochenende startet der 50. Berlin-Marathon. Mit Läufern aus aller Welt. Um ans Ziel zu kommen, werfen viele Schmerzmittel ein.

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Auch beim Berlin-Marathon: Viele Hobby-Läufer nehmen vor dem Start Schmerzmittel, um das Rennen durchzuhalten.
Auch beim Berlin-Marathon: Viele Hobby-Läufer nehmen vor dem Start Schmerzmittel, um das Rennen durchzuhalten.Paul Zinken/dpa

Gerade erst ist der kenianische Marathonläufer Lawrence Cherono (35, Olympiavierter von Tokio) wegen Dopings mit dem Herzmittel Trimetazidin für sieben Jahre gesperrt worden. Doping gibt es aber nicht nur im Leistungssport. Am Wochenende gehen fast als 60.000 Freizeitsportler beim Berlin-Marathon an den Start. Und nicht wenige davon werden sich das eine oder andere Mittel eingeworfen haben, um ans Ziel zu kommen. 

Ein Marathonlauf bedeutet auch Schmerzen. Und was tut man, wenn man Schmerzen hat? Man wirft Schmerztabletten ein,  Hobby-Marathonläufer gerne auch vorbeugend. Viele tun das, viel zu viele. Teilnehmer des Bonn-Marathons wurden anonym befragt. Das erschreckende Ergebnis: 60 Prozent gaben zu, vor dem Start Schmerzmittel eingenommen zu haben.

Ibuprofen mit Nebenwirkungen

Für den medizinischen Direktor des Berlin-Marathons sind kaum verlässliche Zahlen im Umgang mit Missbrauch von Schmerzmitteln im Ausdauersport bei Amateuren nicht maßgeblich. „Ob das jetzt 10 Prozent sind oder 40 oder 60, spielt eigentlich keine große Rolle, denn es sind 10, 40 oder 60 Prozent zu viel. Wir sollten an ganz anderer Stelle die Zeit und Mühen investieren, nämlich darin zu vermitteln, dass es keinen Sinn macht“, sagt Dr. Matthias Krüll, Berliner Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie, Infektiologie und Notarzt/Fachkunde Rettungsmedizin.

„Wer Schmerzen hat, ist abgelenkt“, erklärt Krüll. „Ein Marathon wird im Kopf entschieden. Und wenn der Kopf nicht frei ist, sondern auch noch mit Schmerzen kämpfen muss, dann wird jeder Kilometer noch schlimmer, noch schwieriger, als dass das ohnehin schon der Fall ist“, erklärt er. Deswegen würden manche verleitet, vorher bereits Schmerztabletten zu nehmen, auch wenn das nicht helfe.

Dr. Matthias Krüll ist seit 2010 medizinischer Direktor des Berlin-Marathons.
Dr. Matthias Krüll ist seit 2010 medizinischer Direktor des Berlin-Marathons.SCC Events/Berlin-Marathon

Nicht-steroide Antirheumatika wie Ibuprofen stehen zwar nicht auf der Dopingliste, haben aber zwei wesentliche Nebenwirkungen. Zum einen würden sie die Gefäße etwas verengen, was zu einer Minderdurchblutung unter anderem der Nieren führen würde. „Und das ist ein Riesenproblem“, betont Krüll. Das könne zu Schäden führen. 

Erster Lauf-Dopingfall vor 120 Jahren

Die Nieren würden bei einem Marathon sowieso leiden, weil sie nicht gut durchblutet seien. Sie würden sich zwar schnell wieder erholen. „Aber wenn ich jetzt Schmerzmittel nehme und das gar am Ende regelmäßiger, sieht man hier deutlich Veränderungen und das eben durchaus auch mit bleibendem Effekt“, erklärt Krüll. Zudem würden diese Schmerzmittel auch die Durchblutung der Magenschleimhaut reduzieren. Das könne wiederum verstärkt Magenschmerzen und Übelkeit hervorrufen.

Dass es generell das Problem im Umgang mit Schmerzmitteln gibt, ist bekannt. „Wir gehen davon aus, dass es sowohl Doping als auch Medikamentenmissbrauch im Amateur-/Altersklassenbereich gibt, können dies aber auf Basis unserer Arbeit und den Fokus auf den Leistungssport nicht beziffern“, erklärt die Nationale Anti-Doping-Agentur. Auf Basis der derzeitigen Studienlage könne man nur spekulieren.

Der erste bekannte Dopingfall im Laufsport liegt übrigens schon 120 Jahre zurück. Bei den Olympischen Spielen in St. Louis (1904) wollte der Engländer Thomas Hicks schon nach 30 Kilometern vor Erschöpfung aufgeben. Sein Trainer verabreichte ihm daraufhin einen Fitmacher – eine Mischung aus Eiweiß, Strychnin (ein sehr giftiges Alkaloid) und einem Schuss Brandy. Hicks half es, er wurde Olympiasieger. Verbotenes Doping gab es damals noch nicht. ■