Der Theaterregisseur und Ex-Volksbühnen-Intendant Frank Castorf (73) sorgt wieder einmal für Schlagzeilen. Im Interview äußerte sich der gebürtige Ost-Berliner scharf zu den jüngsten Wahlergebnissen in Ostdeutschland, bei denen die AfD teilweise über 30 Prozent erzielte. Dabei lässt er kein gutes Haar an der Art und Weise, wie man im Westen über die DDR, den Osten und seine Bewohner spricht.
„Na ja, man hat sich im Westen endlos lustig gemacht über die Sachsen und ihren Dialekt“, sagt Castorf im „Tagesspiegel“ und trifft damit einen wunden Punkt. Diese Herabwürdigungen hätten über Jahre hinweg eine tiefe Wunde in den Herzen vieler Ostdeutscher hinterlassen. „Ich habe ja auch darüber gelacht“, gesteht Castorf, doch er betont, wie schmerzhaft diese ständige Verhöhnung sein kann. „Und wenn du das immer hörst, ihr seid die Idioten, ihr seid lachhaft, dann kommt die Reaktion instinktiv. Wie ein Hund, der beißt.“
Castorf bringt damit sicher ein Gefühl zum Ausdruck, das viele Menschen im Osten teilen: die jahrelange Herabsetzung und das ständige Gefühl, als Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden. Kein Wunder, dass diese Gefühle irgendwann in einer Art „Rache des Ostens“ münden, wie der Theatermann es nennt.
Aber es geht ihm dabei nicht nur um die Verhöhnung der Ost- und Westdeutschen, sondern auch um strukturelle Probleme, die bis heute bestehen, „die Ungleichmäßigkeit der Besetzung der Chefposten im Osten, in der Politik, im Theater, in den Museen, überall“, sieht Castorf als eines der großen Übel, das den Frust vieler Menschen aus der DDR weiter anheizt. Sie fühlen sich übergangen, übersehen und nicht ernst genommen – und das in allen Bereichen des öffentlichen Lebens.
Frank Castorf inszeniert jetzt am Berliner Ensemble
Die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen, wo die AfD am 1. September bei den Landtagswahlen auf über 30 Prozent kam, sind für Castorf die logische Konsequenz dieser jahrzehntelangen Demütigung. „Deshalb habe ich auch einmal von der Rache des Ostens gesprochen, wenn dort AfD gewählt wird“, sagt er und lässt keinen Zweifel daran, dass es sich hier um eine bewusste Reaktion handelt. Auch in der „Berliner Zeitung“ hatte Frank Castorf diese Thesen schon verbreitet.

Doch der Regisseur bleibt nicht nur bei der Analyse stehen. Seine Worte klingen wie eine Warnung an den Rest der Republik: Wenn man so weitermache, werde die Kluft zwischen Ost und West noch tiefer. Diese tiefe Spaltung, die sich nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich zeigt, könnte das Land weiter auseinanderreißen.
Während Castorf Missstände in Ost und West anprangert, bereitet er sich gleichzeitig auf die Premiere seiner neuen Inszenierung „Kleiner Mann, was nun?“ im Berliner Ensemble vor. Ein Stück nach dem Roman von Hans Fallada, das passender nicht sein könnte, denn es erzählt die Geschichte von Menschen, die sich in einer schwierigen Lage befinden, ausgegrenzt und an den Rand gedrängt. Bei Castorf dauert diese „Erzählung“ auf der Bühne knapp fünf Stunden. Für die Premiere am 14. September gibt es – vielleicht auch deshalb – noch Restkarten. ■