„Sie blinzeln einen noch an“

Vogelgrippe-Horror! Dramatische Szenen: Helfer packen über das Tier-Sterben aus

Das Sterben der Tiere nimmt kein Ende. Über 1000 Vögel wurden schon tot geborgen. Die Helfer vor Ort kommen immer mehr an ihre Grenzen, auch emotional.

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Mehr als 1000 tote Kraniche konnten bereits geborgen werden. Der Einsatz bringt die freiwilligen Helfer an ihre Grenzen.
Mehr als 1000 tote Kraniche konnten bereits geborgen werden. Der Einsatz bringt die freiwilligen Helfer an ihre Grenzen.Hirschberger/AFP

Die Vogelgrippe greift immer weiter um sich: Unzählige Kraniche wurden rund um Linum bereits eingesammelt – und nun tut sich ein neuer Fall auf: In einem Geflügelbetrieb in Neuhardenberg in Brandenburg ist ein neuer Fall der Vogelgrippe ausgebrochen. Es handele sich um einen Agrarbetrieb mit 80.000 Enten, sagte eine Sprecherin der Kreisverwaltung. Die Seuche breitet sich aus. Wie schrecklich es wirklich ist, berichten jetzt die freiwilligen Helfer, die in Linum mit dem Einsammeln der verendeten Kraniche beschäftigt sind.

Kraniche in Linum: Helfer berichten von erschütternden Szenen

Sie berichten von erschütternden Szenen: Rund 1200 Kraniche wurden im Linumer Teichland bereits geborgen. Die freiwilligen Helfer, die vor Ort die verendeten Vögel einsammeln, berichten jetzt von dramatischen Bildern. „Wir hatten eine Situation, wo beide Elterntiere verendet waren und dann noch der Jungvogel daneben stand und auch nicht wusste, wohin“, sagt etwa Fulvio Kudernatsch (35), der beim Einsammeln der Tiere hilft. Es habe sich surreal angefühlt, in Schutzanzügen und mit Masken im Gebiet unterwegs zu sein, die Tierleichen einzupacken.

Er schildert, unter welch schrecklichen Bedingungen die Tiere an der Vogelgrippe sterben müssen. Man laufe über die Wiesen, überall liegen tote Kraniche. „Aber auch Kraniche, die noch leben, wo man schon sieht, die machen es nicht mehr lange. Kraniche sind ja auch sehr soziale Tiere. Man sieht zum Beispiel, wie das Partnertier tot ist und der Partner noch daneben steht.“ Manche würden einen noch anblinzeln, könnten sich aber nicht mehr bewegen. „Das ist schon hart“, sagt der Helfer.

Das Kranichsterben durch die Vogelgrippe nimmt kein Ende. Freiwillige Helfer kommen vor Ort an ihre Grenzenn.
Das Kranichsterben durch die Vogelgrippe nimmt kein Ende. Freiwillige Helfer kommen vor Ort an ihre Grenzenn.Hirschberger/AFP

Das alles sei emotional sehr aufwirbelnd – doch man dürfe es nicht zu nah an sich heranlassen. „Augen zu und durch“, sagt Kudernatsch. „Das ist absoluter Selbstschutz.“ Jeden, der ein bisschen Empathie mit den Tieren habe, würde das nicht kaltlassen. Auch Jäger seien vor Ort, die die Berechtigung hätten, die sterbenden Tiere zu erlösen. Kudernatsch versuche aber, die Kraniche in Ruhe sterben zu lassen.

Helfer entsetzt: „Es sind Leute weinend von der Fläche gegangen“

Biologe Norbert Schneeweiß bestätigt, dass viele Helfer momentan sehr angegriffen seien. „Das geht unter die Haut“, sagte der Leiter des Artenschutzzentrums, der den Einsatz der Helfer koordiniert. „Das steht auch nicht jeder durch. Es sind Leute weinend von der Fläche gegangen.“ Die Helfer seien vier bis acht Stunden im Einsatz – und das sei auch körperlich herausfordernd. Denn ein Kranich wiege zwischen 4,5 und sieben Kilogramm, rund 200 würden momentan pro Tag geborgen.

An einem Tor in einem Seuchen-Sperrgebiet in der Nähe von Linum (Fehrbellin) steht ein Schild mit der Aufschrift „Seuchengefahr! Betreten strengstens verboten!“.
An einem Tor in einem Seuchen-Sperrgebiet in der Nähe von Linum (Fehrbellin) steht ein Schild mit der Aufschrift „Seuchengefahr! Betreten strengstens verboten!“.Christophe Gateau/dpa

Zu wenig Unterstützung: Helfer in Linum sind wütend

Doch in die Trauer mischt sich auch Wut, etwa bei Helferin Gudrun Wilke-Höhn. „Es ist eigentlich ein Unding, dass die Ehrenamtlichen nach ihrer Arbeit, so wie wir auch, sich dann darum kümmern, dass das alles enden wird.“ Sie fühle sich verantwortlich, sagt die 58-Jährige, kümmere sich deshalb um die Vögel in der Umgebung. Was jetzt passiert, mache sie maßlos traurig. „Ich finde auf jeden Fall, dass da mehr Hilfe kommen sollte, wahrscheinlich sogar vom Bund.“

Vogelgrippe in Geflügelbetrieb, 80.000 Enten betroffen

Nicht nur bei den Kranichen rund um Linow sorgt die Vogelgrippe im Moment für eine Katastrophe – inzwischen breitet sich die Seuche immer weiter aus. Auch in einem Geflügelbetrieb mit 80.000 Enten in Neuhardenberg ist die Gruppe nun ausgebrochen. Eine Sprecherin des Landkreises sagte, das Vogelgrippe-Virus sei im Labor bestätigt worden, ein letzter Nachweis des Friedrich-Loeffler-Instituts stehe noch aus. Es werde geprüft, ob alle Enten getötet werden müssten. Am Samstag wolle das Land vor Ort über das weitere Vorgehen beraten.

Insgesamt mussten deutschlandweit schon mehr als 200.000 Hühner, Gänse, Enten und Puten getötet werden – und der Höhepunkt des Vogelzugs steht erst noch bevor. Das Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, schließt nicht aus, dass das Infektionsgeschehen ähnliche Ausmaße annimmt wie vor vier Jahren. Bei einem der bislang schwersten Seuchenzüge in Deutschland mussten im Winter 2020/21 nach Angaben der Fachpresse bundesweit mehr als zwei Millionen Tiere gekeult werden.