Stummfilm-Magie unter freiem Himmel, mit Orchester, mit Stars zum Anfassen. Die UFA-Filmnächte auf der Berliner Museumsinsel sind an den Start gegangen. Bertelsmann und die UFA präsentieren das zauberschöne Spektakel, das jedes Jahr in der historischen Mitte Berlins stattfindet, noch bis 23. August. Ein Wiedersehen gibt's mit der Ossi-Göre.
Das Thema in diesem Jahr: Starke Frauen in der Stadt der Millionen. Und so werden zum einen Carl Lamacs Flapper-Komödie „Saxophon-Susi“ von 1928 gezeigt, außerdem „Die Stadt der Millionen. Ein Lebensbild Berlins“ von Adolf Trotz (1925), dazu „Kohlhiesels Töchter“ (1920) und „Ich möchte kein Mann sein“ (1918) von Ernst Lubitsch. An drei aufeinanderfolgenden Tagen.
Am Mittwoch ging es los mit einem Empfang in der Bertelsmann-Kommandantur unter den Linden 1. Gäste von Bertelsmann-Chef Thomas Rabe (lässig in Turnschuhen und Pullover) waren unter anderem die Regisseure Detlev Buck und Leander Haußmann, die Schauspielerinnen und Schauspieler Stephan Grossmann, Dennenesch Zoudé , Volksbühnen-Star Kathrin Angerer, Trixi Strobel, Hans-Werner Meyer, Florence Kasumba, Inka Friedrich, Ulrike Frank, Deborah Kaufmann und „Das Boot“-Legende Jürgen Prochnow.
Holocaust-Überlebende Margot Friedländer bei den UFA-Filmnächten
Dazu die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer und Hermann Parzinger, der Präsident die Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Er ist momentan mit dem Umbau des Pergamonmuseums beschäftigt und musste wegen der Kostenexplosion zuletzt einige Kritik einstecken. Völlig zu Unrecht. Denn wenn 2027 mit dem neu gestalteten Nordflügel der größte Teil des Museums wieder öffnet, wird es die Leute umhauen, wie geil das alles geworden ist. „Ich freue mich schon, wenn der Pergamonaltar wieder vollständig vor mir liegt“, sagte Parzinger dem Berliner KURIER.

Anschließend marschierte der Tross rüber zur Museumsinsel, um sich den ersten der drei Filme auf der großen Leinwand anzusehen. Filmnächte-Patin in diesem Jahr ist die Schauspielerin Andrea Sawatzki, die sich darüber freute, die Stummfilme vor dieser einmaligen historischen Kulisse in Berlin vorstellen zu dürfen. „Von den Stummfilmen können wir lernen, dass man nicht alles zerreden sollte, und dass die Schauspieler wichtig sind“, sagte Sawatzki dem KURIER. Nach den Filmnächten düst sie zurück nach Andalusien, wo sie gerade an ihrem neuen Buch schreibt.

Ein besonderes Ereignis für alle, die den Norden Berlins lieben, dürfte bei den diesjährigen UFA-Filmnächten übrigens die Vorführung von Lubitschs „Ich möchte kein Mann sein“ werden. Dort gibt es ein Wiedersehen mit Ossi Oswalda (1897 – 1947), Lubitschs erstem weiblichen Star aus Niederschönhausen. Niederschönhausen gehörte vor der Erweiterung Berlins im Jahr 1920 durch das Groß-Berlin-Gesetz nicht zu Berlin. Und nach dem Zweiten Weltkrieg war es in der DDR ein Teil von Ost-Berlin.
Dafür, dass Ossi Oswalda aus der Provinz kam, war sie allerdings ganz schön keck und aufgekratzt. Aber Lubitsch liebte diese unabhängigen Frauen, die später auch Flapper genannt wurden. Frauen mit kurzen Röcken also und noch kürzeren Haaren, die viel Bein zeigten, Zigarette rauchten, Jazz-Musik liebten und harte Spirituosen vertrugen. Und so ist der Titel „Ich möchte kein Mann sein“ sicher auch programmatisch zu verstehen. Denn genau darum geht es in dem Stummfilm aus dem Jahr 1918:
Ossi Oswalda als freches Berliner „It-Girl“ bei den UFA Filmnächten
Ossi (Ossi Oswalda), das freche Berliner „It-Girl“, lebt bei ihrem reichen Onkel, der allerdings kaum zu Hause ist. Die Gouvernante (Margarete Kupfer) – so was gab's damals wirklich – hat alle Hände voll zu tun, denn Ossi liebt Zigaretten, Alkohol und Poker. Daran ändert auch der strenge Hauslehrer Kersten (Curt Goetz) nichts. Ossi will mehr vom Leben und lässt sich einen Frack schneidern, um inkognito in ein Berliner Ballhaus zu gehen. Dort tröstet sie den ahnungslosen Kersten, der von einem Date versetzt wurde. Wenig überraschend findet der Hauslehrer Gefallen an seinem neuen „Freund“, und beide kommen sich schnell näher.

„Ich möchte kein Mann sein“ wurde im Juli 1918 von der Zensur mit einem Jugendverbot belegt. Der Film zeigt einmal mehr Lubitschs Faible für starke Frauen, die gegen die herrschenden Normen rebellieren. Und Ossi Oswalda – die glänzt in dieser Rolle, wie schon in anderen Lubitsch-Klassikern wie „Die Austernprinzessin“ und „Die Puppe“ (beide 1919), mit rotzfrecher Pose und trotzigem Charme. Zwischen 1915 und 1920 drehte Lubitsch insgesamt zwölf Komödien mit ihr als Star.
Übrigens: Ohne Ossi Oswalda hätte es die verführerische Aufsässigkeit einer Marlene Dietrich wahrscheinlich nicht gegeben. Schade, dass sie den Übergang zur Tonfilmära künstlerisch nicht überlebte.
Die UFA-Filmnächte sind in diesem Jahr komplett ausverkauft. ■