Es ist eine unglaubliche Tragödie: Erst vor Tagen machte der Todesfall mehrerer Urlauber in der Türkei Schlagzeilen. Die Hamburger Eltern Servet (38) und Çiğdem B. (27) starben mit ihren Kindern Kadir (6) und Masal (3) während einer Reise in ein Hotel in Istanbul – offenbar, weil in ihrer Unterkunft ein hochgiftiges Mittel zur Bekämpfung von Bettwanzen eingesetzt wird. Der Berliner Schädlingsbekämpfer Adam Tesmer warnt: Ein solches Gift findet sich immer wieder den Weg nach Berlin – weil Menschen es aus der Türkei mitbringen.
Gas aus Bettwanzen-Mittel tötete Familie in der Türkei
Laut Medienberichten soll es sich bei dem Gift um das hochgiftige Aluminiumphosphid gehandelt haben, das zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt wird. Adam Tesmer, Junior-Chef der Berliner Firma GTS Schädlingsbekämpfung, glaubt nicht daran. „Aluminiumphosphid wird eigentlich bei der Bekämpfung von Maulwürfen eingesetzt, weil es mit der Feuchtigkeit im Boden reagiert“, erklärt er dem KURIER. „Es wird in die Maulwurfshügel gegeben und entwickelt dann ein giftiges Gas.“ Laut türkischen Zeitungen war es das Giftgas Phosphid, das die Familie tötete.
Für wahrscheinlicher hält der Berliner Experte, dass ein Mittel namens Dichlorvos zum Einsatz kam. Es handelt sich dabei um ein Insektizid, das in der Türkei vor allem in der Landwirtschaft zum Einsatz kommt, sagt er. „Es wird versprüht und entwickelt bei warmen Temperaturen ein Gas. Wird es falsch dosiert, kann es beim Einatmen zu schweren Vergiftungen führen – bis zum Herzstillstand.“ In einer internationalen Datenbank für Chemikalien ist die Rede von weiteren Nebenwirkungen: Auftreten können Muskelkrämpfe, Schwindel, Atemnot und Bewusstlosigkeit.

In Deutschland waren bis Ende 2006 mehrere solcher Präparate zugelassen, dann kam allerdings ein Verbot. Der Grund: Eine neue EU-Verordnung legte neue Grenzwerte für die Rückstände des Stoffes in Lebensmitteln vor. In Deutschland zog man deshalb die Zulassungen für die entsprechenden Präparate zurück. Seit 2012 darf Dichlorvos auch EU-weit als Pflanzenschutzmittel nicht mehr zugelassen. Das Problem: In der Türkei wird das Mittel laut Adam Tesmer in Form von Sprays weiterhin verkauft.
Giftiges Bettwanzen-Mittel findet einen Weg nach Berlin
Und findet den Weg nach Deutschland, denn auch in Berlin sind Bettwanzen schon lange ein Problem: „Wir haben in Berlin sehr viele türkischstämmige Kunden, und ich habe mehrfach Fälle gehabt, in denen mir berichtet wurde, dass sie sich ein Super-Mittel aus der Türkei gegen Bettwanzen mitbringen“, erklärt der Bettwanzen-Experte. Zwei Kunden habe er die entsprechenden Flaschen schon abnehmen müssen – und sie darüber aufgeklärt, wie giftig das Mittel ist. Das Problem: Menschen, die Probleme mit Bettwanzen haben, greifen oft nach jedem Strohhalm. „Und wenn sie dann den Tipp bekommen, dass das Mittel hilft, dann bringen sie sich das mit.“ Wer allerdings nicht vernünftig damit umgehen kann, riskiert im schlimmsten Fall sein Leben.

So wird in Deutschland und Berlin gegen Bettwanzen gekämpft
Mit in Deutschland zugelassenen Mitteln zur Schädlingsbekämpfung könne so etwas nicht passieren, sagt Tesmer. „Wir nutzen Mittel, die ungefährlich sind – es kann natürlich zu allergischen Reaktionen kommen, aber das ist wie bei jedem Medikament mit dem Beipackzettel.“ Die zugelassenen Insektizide werden in geringer Dosis mit Wasser gemischt und ausgebracht, die Betroffenen müssen die Wohnung verlassen, anschließend muss ordentlich durchgelüftet werden. „Wenn man ordnungsgemäß arbeitet, kann es deshalb auch sein, dass die Maßnahme mehrfach wiederholt werden muss, bis die Bettwanzen sicher bekämpft sind.“




