Für Mütter in Not stehen sogenannte Babyklappen in Krankenhäusern bereit, um Neugeborene in bessere Hände zu geben. Dasselbe soll jetzt auch mit Haustieren möglich sein, die den Halter überfordern. In der Schweiz wurde die erste Tierklappe aufgestellt. Das sagen Tierschützer und Kritiker zu der neuen Abgabestelle!
Es ist eine schlichte Holzbox an einem Waldgebiet in Hilterfingen, rund 30 Kilometer südöstlich von Bern. Hier können Tierhalter ihre Kaninchen oder Nagetiere jetzt anonym abgeben – ganz ohne Fragen, ganz ohne Formular und ganz ohne Kosten. Gründerin Jasmin Reinhard will damit vor allem eines erreichen: den Tieren eine Überlebenschance geben. „Es ist eine Möglichkeit für Tierhalter, die aus Verzweiflung oder Not handeln“, sagt sie.
Tierklappe hat Ventilator und eine Kamera
Die Holzkiste ist mit Ventilator und Kamera ausgestattet. Wer dort ein Tier hineinsetzt und die Klappe schließt, löst automatisch einen Alarm bei Tierschützern aus. Sie holen die abgegebenen Tiere innerhalb einer Stunde ab. Noch ist die Klappe nur für Kleintiere gedacht. Womöglich werde das Angebot später ausgeweitet.

Doch das Projekt sorgt für Zündstoff: Etliche Tierschützer warnen, die Tierklappe könne leicht zum Freifahrtschein für Verantwortungslosigkeit werden und fördere die Abgabe von nicht mehr gewollten Haustieren. Doch da hält Jasmin Reinhard dagegen: „Wer nicht zum Tierheim gehen will, setzt sein Tier so oder so aus in der Natur – wir geben dem Tier wenigstens eine Chance.“

Denn wer sein Kaninchen in die Freiheit entlässt, liefert es meist Füchsen oder Greifvögeln aus – ein sicheres Todesurteil. Allerdings hat laut Reinhard in den ersten fünf Tagen seit der Eröffnung der Box Anfang November noch niemand sein Tier abgegeben.
Ganz neu ist die Idee zumindest aus deutscher Sicht nicht. In Niedersachsen hatte das Tierheim Peine 2021 ähnliche Boxen aufgestellt – und nach einem Jahr wieder abgebaut. „Aus ganz Deutschland kamen Menschen, die entweder die übliche Abgabegebühr bei einem Tierheim umgehen oder sich gefährlicher Hunde entledigen wollten“, erinnert sich Mitarbeiterin Adriana Kötz. Einmal seien fünf Hunde in die drei Boxen gequetscht worden.
Der Deutsche Tierschutzbund sieht Vor- und Nachteile von solchen Einrichtungen. „Sie helfen, Tiere vor dem Aussetzen oder gar vor dem Tod zu bewahren“, sagt Sprecherin Kerstin van Kan. „Besitzer können ihre Tiere abgeben, ohne mit unangenehmen Fragen konfrontiert zu werden“ – etwa bei Geldnot oder Scham.
„Wir sehen aber auch die Gefahr, dass Tiere ohne schlechtes Gewissen entsorgt werden und es keine Hemmschwelle mehr zu überwinden gilt“, warnt Kerstin van Kan. Das könne dazu führen, dass Menschen vorschnell Tiere anschaffen und sie ebenso schnell wieder loswerden wollen. (dpa)


