Der Streik bei der BVG – er erhitzt noch immer die Gemüter. Zum wiederholten Mal hat die Gewerkschaft Verdi am gestrigen Mittwoch und am heutigen Donnerstag Berlin lahmgelegt. Die einen bekunden Solidarität mit den Angestellten der BVG, die Berlin Tag für Tag am Laufen halten. Die anderen beklagen sich darüber, dass mit dem Streik auch Tausende Berlinerinnen und Berliner, die für den Tarifstreit nichts können, in Geiselhaft genommen werden. Nach einem KURIER-Bericht über die Debatte erreichten unsere Redaktion etliche Zuschriften, auch von Mitarbeitern der BVG. Sie berichten, warum 750 Euro mehr Lohn für die Fahrer der Berliner Verkehrsbetriebe alles andere als ungerecht sind, was sie Tag für Tag bei ihrer Arbeit erleben müssen und warum sie streiken.
BVG-Fahrer packen aus: Deshalb sind 750 Euro mehr Lohn einfach nötig
Mit dem aktuellen Streik, der am Mittwoch begann und noch bis zum frühen Freitagmorgen andauern soll, ist die Debatte um den von der Gewerkschaft Verdi initiierten Arbeitskampf noch einmal hochgekocht. Die Gewerkschaft fordert 750 Euro mehr Gehalt für die Mitarbeiter der BVG, drohte bereits mit unbefristeten Streiks, sollte es nicht zu einer Einigung kommen. Schon die Warnstreiks wurden – wie so oft – auf dem Rücken der Berlinerinnen und Berliner ausgetragen. Das sorgt für Wut, der sich im Netz entlädt – und über den auch der KURIER berichtete. Die Folge: Etliche Mitarbeiter der BVG meldeten sich bei unserer Redaktion. Und schilderten, warum die Lohnerhöhung keinesfalls ungerecht ist.
„Wie bei jedem Streik kommen die falschen Personen zu Schaden“, schreibt ein Mann, der als Busfahrer beim Unternehmen arbeitet. Er verdiene 1800 bis 1900 Euro netto im Monat – für eine 39-Stunden-Woche. „Die 39 Stunden sind aber nicht jede Woche, sondern nur auf das Jahr gerechnet. Also ist es auch mal möglich, dass ich 56 Stunden in der Woche arbeite“, schreibt er. „Wir hatten die letzte Gehaltserhöhung vor vier Jahren. Also noch bevor der Krieg und Corona ausgebrochen ist.“ Er sein in seinem Freundeskreis der mit dem niedrigsten Gehalt, müsse auch Spott über sich ergehen lassen. Werde gefragt, warum er sich diesen Job noch antue.

Er werde sich bald etwas Neues suchen, denn er wisse es selbst nicht mehr genau, schreibt er. „Die 750 Euro brutto, die verlangt werden, sind ein Witz. Eigentlich müssten es 750 Euro netto sein.“ Für ihn unverständlich ist, warum Menschen, die die Stadt am Laufen halten, für ihr Gehalt kämpfen müssen. „Ich habe mir gerade einen Nachmieter gesucht und wie es so üblich ist, mussten diese mir ihre Gehaltsnachweise zusenden. Ich konnte echt nicht glauben, dass einer, der Türklinken verkauft, 800 Euro netto mehr verdient als ich.“ Ein Mann mit Bürojob habe 900 Euro netto mehr zur Verfügung. Doch er halte als Busfahrer jeden Tag Menschenleben in der Hand. „Ich kann nicht einen Tag feiern und am nächsten Tag zur Arbeit. Ich gehe täglich früh ins Bett, damit ich um 2 Uhr morgens aufstehen kann und fit bin.“
Spaß an diesem Job heißt auch zufriedene Fahrgäste zu sehen, die sich auf die BVG und deren Mitarbeiter verlassen können. Und das haben wir alle gemeinsam. Egal in welcher Branche des öffentlichen Dienstes. Wir alle sind Berlin und wir sind mehr wert.
Ein anderer BVG-Mitarbeiter kritisiert die Wut-Kommentare zum Streik, wirft den Menschen Egoismus vor. „Solange es um ihre eigenen Interessen geht, ist ein Streik egal wie lange völlig legitim. Da müssen immer alle Verständnis haben, auch wenn Dritte dadurch persönliche Probleme bekommen“, schreibt er. „Aber wehe andere Gruppen kämpfen um ihr Recht, dann ist der Teufel los.“ Er selbst sehe bei der BVG, wie viele Leute ihren Dienst beginnen und schon nach einem halben Jahr das Handtuch werfen. „Wir suchen ohne Ende neue Mitarbeiter, die morgens um 2 Uhr aufstehen, egal ob Sonntag oder Feiertag, die mit einem eng gestrickten Fahrplan dauerhaft im Stau stehen, dann verspätet und ohne Pause an der Endstelle wieder abfahren um sich dem Zorn der erneut wartenden Fahrgäste auszuliefern.“
Streik bei der BVG: Fahrer bei der Arbeit mit zahlreichen Problemen zu kämpfen
Es könne passieren, dass man auf der Strecke liegen bleibt, weil die Technik veraltet ist, kein Geld für Investitionen zur Verfügung stand. „Die Mitarbeiter generieren diese Probleme nicht künstlich, weil sie Spaß daran haben. Spaß an diesem Job heißt auch zufriedene Fahrgäste zu sehen, die sich auf die BVG und deren Mitarbeiter verlassen können. Und das haben wir alle gemeinsam. Egal in welcher Branche des öffentlichen Dienstes. Wir alle sind Berlin und wir sind mehr wert.“ Eine andere Frau schreibt: „Jeder, der sich hinstellt und sagt, Bus fahren kann jeder, kann sich ja gern bewerben und schauen, wie es sich so fährt im Berliner Stadtverkehr. Wo Busse heutzutage ausgebremst werden, nicht in den fließenden Verkehr vor der Haltestelle reingelassen werden, und dann noch aufpassen müssen, dass niemand im Bus zu Schaden kommt, um keine Anzeige zu bekommen.“

Auch die Fahrgäste sind für einige ein Problem, das den Arbeitsalltag alles andere als angenehm macht. „Denkt auch mal jemand an die BVG-Mitarbeiter? Was die sich alles gefallen lassen müssen. Kein Fahrgast bedankt sich und sag mal Guten Morgen zum Busfahrer.“ 90 Prozent würden einfach in die Busse gehen, dabei auf ihre Handy starren. „Die Busfahrer haben es echt nicht leicht. Die Fahrgäste sind eben Egoisten und denken nur an sich. Folgt einfach mal so einem Busfahrer und guckt, wie so sein Tag abläuft“, heißt es in einer Mail, die unsere Redaktion erreichte. „Ich bin selbst noch bei der BVG angestellt, habe auch ein paar Jahre im Fahrdienst bei der U-Bahn verbracht“, schreibt ein anderer Leser. „Was man dort erlebt, könnte Bücher füllen, vor allem aber Wartezimmer von Psychologen!“
Alle Leute mit Wille und guter Ausbildung verlassen das Unternehmen! Was wird die Folge sein? Die Leute, die tagtäglich zaubern, um dafür zu sorgen, dass 50 Jahre alte Züge betriebsfähig und vor allem sicher bleiben, werden unwiderruflich weg sein! Die BVG wir qualitativ ausbluten! Und das würde dann nachhaltig für Chaos in dieser Stadt sorgen.
Er könne zwar den Ärger vieler Fahrgäste der BVG verstehen. „Wer fährt schon gerne morgens eine Stunde früher los, um zur Arbeit zu kommen. Aber es zeigt sich im Moment eine (leider typische) menschliche Art. Wenn U-Bahn, Bus und Tram fahren, interessiert es (fast) NIEMANDEN, wer da vorne zu welchen Konditionen drin sitzt.“ Es gebe allerdings auch abseits des Fahrdienstes keine Berufsgruppe, die konkurrenzfähig entlohnt werde. „Welche Gefahr besteht dann? Alle Leute mit Wille und guter Ausbildung verlassen das Unternehmen! Was wird die Folge sein? Die Leute, die tagtäglich zaubern, um dafür zu sorgen, dass 50 Jahre alte Züge betriebsfähig und vor allem sicher bleiben, werden unwiderruflich weg sein! Die BVG wir qualitativ ausbluten! Und das würde dann nachhaltig für Chaos in dieser Stadt sorgen.“
Verdi habe das erkannt, beharre deshalb auf den Forderungen. „Die BVG hat dies leider nicht erkannt. Das Land Berlin verschließt, wie üblich, die Augen, wenn mal Geld in die Hand genommen werden muss“, schreibt er weiter. „Es sagt doch keiner, dass es die geforderten 750 Euro ab 2025 werden müssen. Ca. 370 Euro über zwei Jahre sind jedoch ein Witz! Ich könnte in meiner Tätigkeit ca. 500 Euro netto mehr verdienen, woanders.“ Er warte nur noch den Abschluss ab – und hoffe, dass wenigstens die Hälfte der Forderung am Ende erfüllt wird. „Sonst bin ich und viele andere qualifizierte Mitarbeiter weg. Und dann geht das richtige Chaos los.“ ■