„Unsäglich und unprofessionell“

Panne bei der RAF-Festnahme – Polizei kritisiert Polizei

Wie kam es bei der Klette-Festnahme zu der Panne, sodass sie RAF-Komplizen warnen konnte? Die Polizeien von Berlin und Niedersachsen streiten sich.

Author - Veronika Hohenstein
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Die Polizei durchsucht bei der RAF-Fahndung ein Bauwagengelände in Berlin
Die Polizei durchsucht bei der RAF-Fahndung ein Bauwagengelände in BerlinPaul Zinken/dpa

„Such Schutz“ oder „Ich hörte Schüsse“ oder „Plötzlich war alles voll mit Polizei, Waffen und gepanzerten Autos!“: So erzählten Zivilisten über die Zugriffe der Polizei dem KURIER. Berliner, vor allem in Friedrichshain, durften die Arbeit der engagierten Polizei und die Suche nach den RAF-Terroristen fast am eigenen Leib erfahren. Türen wurden aufgetreten, oder aufgesprengt, mit Waffen wurde gezielt. Manchmal wurden Nachbarn dabei zu Zeugen.

Es waren große Schlagzeilen, in Deutschland und europaweit, als die RAF-Terroristin Daniela Klette in Kreuzberg gefunden und festgenommen wurde, Ende Februar. Das war aber erst der Anfang von einer Reihe polizeilicher Zugriffe, wo man nach den anderen zwei RAF-Komplizen fahndete. Und das Vorgehen der Polizei aus Niedersachsen sorgte für Aufregung.

Doch der Reihe nach: Es geht hier um zwei polizeiliche Organe, die Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Polizei aus Niedersachsen. Wie wir so oft in unseren geliebten Sonntagstatorten sehen dürfen, ist Polizei nicht gleich Polizei. Und bei der Festnahme der früheren RAF-Terroristin Daniela Klette soll die Kritik von der Berliner Polizeigewerkschaft an den Kollegen aus Niedersachsen für Verstimmung gesorgt haben. Die hatte bemängelt, dass Klette noch genug Zeit hatte, ihren Ex-RAF-Komplizen Burkhard Garweg per SMS zu warnen, bevor sie festgenommen wurde.

Natürlich müssen alle Anstrengungen der Ergreifung der Terroristen dienen, aber „Nebenkriegsschauplätze“, seien „mehr als kontraproduktiv“, teilten die Deutsche Polizeigewerkschaft und der Bund deutscher Kriminalbeamter in Niedersachsen am Montag mit und reagierten damit auf die kritische Stimme der Konkurrenzgewerkschaft.

„Unprofessionell“, die Kollegen zu kritisieren?

Es sei „unsäglich“ und „unprofessionell“, wenn in einem laufenden Verfahren Einzelne meinten, „das Handeln der Kolleginnen und Kollegen infrage zu stellen und kritisieren zu müssen“, so die Deutsche Polizeigewerkschaft und der Bund Deutscher Kriminalbeamter in Niedersachsen. Eine kritische Betrachtung des Einsatzes werde „zeitnah und vor allem intern erfolgen“, berichtet dpa. Von öffentlicher Kritik halten die Kollegen gar nichts.

Zuvor hatte die Berliner GdP die Kollegen in Niedersachsen in ungewöhnlich scharfer Form kritisiert und ihnen Profilierungssucht vorgeworfen. Demnach müsse das federführende LKA Niedersachsen den Einsatz vom 26. Februar selbstkritisch aufarbeiten: „In Anbetracht dessen, was bei Frau Klette alles gefunden wurde, ist es reines Glück, dass sie nicht mit der Panzerfaust hinter der Tür gewartet hat und keiner unserer Kollegen verletzt wurde.“ Für solche Festnahmen gebe es fähige Spezialeinheiten in der Hauptstadt, so die GdP. Doch die wurden nicht angefordert.

Klettes Toilettenbesuch: „Nicht als Fehler bezeichnen“

Klette soll von den LKA-Zielfahndern aus Niedersachsen erlaubt worden sein, in ihrer Wohnung noch die Toilette zu benutzen. Von dort schickte sie eine Nachricht an ihren früheren Komplizen Burkhard Garweg und warf dann die SIM-Karte in die Toilette. Das Handy von Garweg soll danach nicht mehr benutzt worden sein. Klette sitzt inzwischen in Untersuchungshaft, nach Garweg wird mit aktuellen Fotos gefahndet. Hätte auch er gefasst werden können, wenn Klette ihn nicht vorgewarnt hätte? Und hatte er durch die Panne genug Zeit, um zu fliehen?

Klette, Garweg und der dritte gesuchte Ex-RAF-Terrorist, Ernst-Volker Staub, waren vor mehr als 30 Jahren untergetaucht. Alle drei gehörten der sogenannten dritten Generation der linksextremistischen Terrororganisation Rote-Armee-Fraktion an, die bis 1991 zahlreiche Anschläge verübte und Menschen tötete. BKA-Präsident Holger Münch bestätigte inzwischen, dass Klette bei der Festnahme noch Zeit und Gelegenheit für eine Warnung hatte. „Ich will das nicht als Fehler bezeichnen“, sagte der Präsident des Bundeskriminalamts am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. „Das sind einfach Dinge, die können Sie nicht ausschließen.“ Es sei eine von über tausend Routineüberprüfungen gewesen, so Münch. „Da gehen Sie nicht gleich mit der Ramme durch die Tür, sondern es ging darum festzustellen: Ist diese Person, auf die eine Spur hindeutete, möglicherweise Frau Klette oder auch nicht?“

Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), gibt eine Pressekonferenz.
Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), gibt eine Pressekonferenz.Kay Nietfeld/dpa

Werden Staub und Garweg noch gefunden?

Münch erklärte: „Es ist so gewesen, dass man an der Tür geklopft hat und sich dann auch zu erkennen gegeben hat und es einen Moment gedauert hat, bis Frau Klette dann auch die Tür geöffnet hat.“ Diese habe gesagt, sie mache gleich die Tür auf. Und in diesem Zeitraum sei es Klette tatsächlich möglich gewesen, noch jemanden zu warnen. „Umgekehrt, wäre es nicht Frau Klette gewesen und man hätte die Tür eingerammt und jemanden zu Boden gebracht, dann hätten wir auch über einen Fehler gesprochen. Das heißt, hinterher sind Sie immer schlauer.“

Wie der Tagesspiegel berichtete, hatte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die niedersächsischen Ermittler schon früher kritisiert: „Unsere Fragezeichen werden immer größer und es ist klar, dass das federführende LKA Niedersachsen diesen Einsatz selbstkritisch aufarbeiten muss“, teilte GdP-Sprecher Benjamin Jendro mit.

Ob mit diesen Streitereien die andren zwei RAF-Terroristen noch geschnappt werden? Mit einem schnellen Erfolg bei der weiteren Suche rechnet der BKA-Präsident eher nicht mehr. Man hoffe, durch die Spuren aus den Durchsuchungsmaßnahmen und mögliche neue Hinweise am Ende einen Erfolg zu erzielen „Ob der kurzfristig stattfinden wird, wage ich jetzt momentan zu bezweifeln. Aber wir haben eine deutlich bessere Situation als vor dem Zugriff bei Frau Klette.“ ■