Wer Berlins älteste Brauerei sucht, der findet sie am Müggelsee. Dort stehen im Köpenicker Ortsteil Friedrichshagen die inzwischen weißgetünchten Backsteingebäude der Berliner Bürgerbräu. Das Pils oder das allseits beliebte Rotkehlchen schmecken noch immer. Aber die Biere mit dem Ratsherren mit Bierglas auf dem Etikett werden längst woanders hergestellt. Denn die Brauerei in Friedrichshagen steht seit 14 Jahren leer. Nun wagen private Investoren einen Neustart. Sie wollen der verlassenen Brauerei neues Leben einhauchen.
140 Jahre lang lebte man in Friedrichshagen ganz gut vom Biergeschäft. Doch die Investoren haben mit dem riesigen, denkmalgeschützten Bürgerbräu-Areal etwas ganz anderes vor. Wohnen statt Bier brauen, heißt ihr Motto.
Auf einigen Internetseiten wird das geplante Bürgerbräu-Quartier, wie es nun heißen soll, schon glanzvoll vorgestellt. Noch in diesem Jahr soll mit der Sanierung der Gebäude begonnen werden, heißt es. Demnach werden in den historischen Brauereihallen auf einer Gesamtfläche von etwa 5.000 Quadratmetern 114 Wohnungen entstehen, 40 davon als sozialer Wohnraum. Bis 2026 ist das geplant.
„Mit dem Bürgerbräu-Quartier erhält Friedrichshagen ein identitätsstiftendes Denkmalensemble zurück. Die Sanierung wird möglich durch die Umnutzung in Wohnungen, welche in Berlin dringend benötigt werden“, wirbt die „Grundstücksgesellschaft BürgerBräuQuartier am Müggelsee mbH“, hinter der ein privater Investor steht.
Neustart bei Berliner Bürgerbräu: „Wohnquartier mit hochwertigen Ansprüchen“
Dieser will „wesentliche Gebäudeteile des Gesamtensembles“ in eine „hochwertige, den Ansprüchen an modernes Wohnen hinter historischen Fassaden gerecht werdenden Wohnanlage“ umbauen. Die neuen Wohnungen sind für Singles, Paare und Familien gedacht – „vielfach in altersgerechter und barrierefreier Bauweise“, wie es bei der Grundstücksgesellschaft heißt.

Dazu kommt noch Gewerbe, etwa Räume für Büros und Arztpraxen. Knapp 10.000 Quadratmeter seien für gewerbliche Nutzungen vorgesehen. Eine alte Lagerhalle, die nicht unter Denkmalschutz steht, soll im Zuge des Projekts abgerissen werden, um Platz für einen öffentlich zugänglichen Platz zu schaffen, berichtet das Online-Portal Entwicklungsstadt Berlin.
1753 ging die Biergeschichte am Müggelsee los. Der Preußenkönig Friedrich II. ließ das Gut Friedrichshagen errichten und verlieh dem Lehnschulzen Pfeiffer das Schankrecht. Der bot natürlich in seiner Wirtschaft selbstgebrautes Bier an.
Wie Berliner Bürgerbräu zur ältesten Brauerei Berlins wurde
Eine echte Brauerei gab es jedoch erst viel später. 1869 kaufte Herrmann Schäfer für 12000 Taler das Grundstück am Müggelsee. Ein Jahr später eröffnete er die Brauerei. Und das war der Beginn des Berliner Bürgerbräu, die zunächst unter Namen wie „Brauerei Müggelschlößchen“ firmierte.

Die Brauerei wuchs und wuchs. Über 10.000 Hektoliter Bier wurden bereits im Jahr 1866 für die durstigen Kehlen der Berliner produziert. 1914 waren es schon 140.000 Hektoliter, 1929 bereits über 300.000 Hektoliter pro Jahr.
Im Zweiten Weltkrieg wurden Teile der Brauerei zerstört. Doch danach ging es in Friedrichshagen mit dem Brauen fleißig weiter. 1949 wurde dann in der DDR daraus der VEB Berliner Bürgerbräu, der die Republik zwischen Ostsee und Erzgebirge mit Bieren in mehreren Geschmacksrichtungen versorgte.

Bürgerbräu wurde zu einem der Vorzeigebetriebe der DDR. Die gut schmeckenden Export-Biere, die im Osten Bückware waren, gingen in den Ostblock und in den Westen. Neben der Bundesrepublik wurde das Bier aus Friedrichshagen zeitweise auch nach Kanada, Spanien, Italien, Schweden (mit geringerem Alkoholgehalt) und in die USA geliefert. In den 80er-Jahren wurde die Technik teilweise modernisiert. Ein neues Sudhaus wurde gebaut.

1990 wurde dann aus der volkseigenen Brauerei die private Bürgerbräu GmbH. Nach der Umwandlung durch die Treuhand wurde das Areal an die bayerische Brauerfamilie Häring verkauft.
Viele Mitarbeiter wurden entlassen, bei Bürgerbräu wurden die Produktionsmengen reduziert. Kein Wunder, nun wollte man auch im Osten das West-Bier trinken.
Berliner Bürgerbräu: So kam in Friedrichshagen das Aus
Aber Bürgerbräu schaffte es, mit Spezialbieren wie Rotkehlchen, Bernauer Schwarzbier, Dunkler und Maibock wieder die Kunden zurückzuerobern. Restaurants und Lokale führten Bürgerbräu, es stand in den Supermärkten wieder in den Regalen. Für das Berliner Nobelkaufhaus KaDeWe wurde ab 1992 sogar ein spezielles Premium-Bier gebraut. Und im fernen Japan trank man auch „kühle Blonde“ aus Friedrichshagen.
Dennoch lief das Ganze nicht so wirtschaftlich gut. Die Kosten stiegen. 2008 versuchte das Management, den Verkauf der Brauerei zu vermeiden, unter anderem mit dem Brauen des ersten Berliner Bio-Pils, das den Verkauf ankurbeln und für gute Geldeinnahmen sorgen sollte.

Doch 2010 war dann Schluss mit dem Bier aus Friedrichshagen und der ältesten Brauerei Berlins. Die Markenrechte kaufte die Radeberger-Gruppe, die Bürgerbräu-Biere werden nun in Hohenschönhausen produziert, wo auch Schultheiß, Berliner Pilsener und Rex Pils gebraut werden.
Mit dem Ende kam auch der Leerstand. Große Teile der Gebäude wurden in den vergangenen Jahren in ihrer Substanz deutlich geschädigt, berichtet die Grundstücksgesellschaft. Stahlkonstruktionen rosteten, Dächer wurden teilweise undicht und die gesamte Liegenschaft nicht mehr beheizbar.
Dies alles soll jetzt saniert werden. Was das kosten wird, wurde bisher nicht mitgeteilt. Bleibt zu hoffen, dass aus der Bürgerbräu-Brauerei wieder ein Friedrichshagener Schmuckstück wird. ■